| Trainingslager-Einblicke

Geher von Flagstaff über Podebrady nach Bydgoszcz und London

Neben zahlreichen Läufern trainieren zurzeit auch sieben Geher des DLV-TopTeams beziehungsweise JuniorElite-Teams in Flagstaff, Arizona (USA). Auf mehr als 2.000 Metern Höhe bereiten sie sich seit dem 9. März auf die anstehende Wettkampfsaison vor. Die beiden Olympia-Teilnehmer Hagen Pohle und Carl Dohmann gewähren in ihrem Trainingslager-Bericht einen Blick hinter die Kulissen.
Hagen Pohle / Carl Dohmann

Das Dunkle der Nacht wendet sich langsam zum Helleren, die ersten Sonnenstrahlen versuchen die Hochebene bei Flagstaff zu erleuchten. Um 6:00 Uhr morgens geht auch das Licht im Haus der Geher an. Das Frühstück wird zubereitet, die Athleten stärken sich für die erste Einheit des Tages. Je nach Trainingsinhalt geht es ab 8:00 Uhr los, um die erste Einheit des Tages zurückzulegen.

Nach vielen gegangenen Runden ist der Vormittag dann schon Geschichte. Nun heißt es Mittag kochen. Mal stärken sich die Geher bei Nudeln und Tomatensoße oder Milchreis, mal bei Chili con Carne oder einem Nudelauflauf. Im Anschluss lassen sie sich vom mitgereisten Physiotherapeuten Marco Pelz behandeln oder regenerieren sich beim Mittagsschlaf, ehe es gegen 16:00 Uhr zur nächsten Einheit geht. Dann absolvieren sie laufend oder gehend nochmals 10 bis 15 Kilometer.

Den Abschluss des Trainingstages bildet immer ein Besuch im Flagstaff Athletic Club East. Dort gibt es verschiedene Möglichkeiten, sich sportlich zu betätigen. Neben mehreren Spielhallen und Krafträumen sind dort auch unzählige Laufbänder und Fahrradergometer. Außerdem kann man sich im Schwimmbad, sowie in der Sauna und im Whirlpool regenerieren. Wieder im „Geherhaus“ angekommen, geht es an das Zubereiten des Abendessens, ehe der Tag langsam bei den letzten Massagen ausklingt.

Anreise mit Hindernissen

So sieht der Tag des A-/B-Kaders der männlichen Geher, darunter auch der Olympia-Fünfte im 20 Kilometer Gehen von Rio de Janeiro, Christopher Linke (SC Potsdam), im Trainingslager in Flagstaff aus. Nachdem der Kader von Bundestrainer Ronald Weigel den Januar in der Höhe von Dullstroom (Südafrika) verbracht hatte, hat er diesmal seine Zelte in Flagstaff aufgeschlagen.

Die Anreise dahin lief allerdings nicht ganz optimal und Flagstaff war gut 13 Stunden später als geplant erreicht. Als die Gruppe in London (Großbritannien) das Flugzeug zur Atlantiküberquerung betrat und es sich für die lange Reise gemütlich machen wollte, musste sie es auch schon wieder verlassen. Beim letzten Check vor dem Abheben stellten die Piloten ein Leck im Hauptfahrwerk fest und entschieden, mit diesem Flugzeug die Reise nicht anzutreten. Nach gut vier Stunden stand dann aber eine Ersatzmaschine bereit. Dadurch wurde allerdings der folgende Anschlussflug verpasst.

Profitieren vom Training in der großen Gruppe

Die sieben Geher wohnen gemeinsam in einem Haus am Stadtrand von Flagstaff. Die Haupt-Trainingsstrecke ist rund vier Kilometer entfernt in einem benachbarten Wohngebiet. Hier absolvieren die Geher fast alle Einheiten auf einer 2,5 Kilometer langen Runde. Für besondere Trainingseinheiten sowie zur Abwechslung nehmen sie aber auch mal eine bis zu 40-minütige Autofahrt in Kauf. So eignen sich auch die Straßen der angrenzenden Nationalparks gut für die Trainingseinheiten, ob für lange Strecken entlang des Lower und Upper Lake Mary oder für die 26 Kilometer lange Bergan-Einheit am Sunset Crater Volcano.

Das Hauptaugenmerk in der Trainingsgestaltung liegt in der Grundlagenausdauer. So kommen die Geher auch auf Umfänge zwischen 190 und 220 Kilometer in der Woche. Da die ersten Qualifikationswettkämpfe für die U23-Europameisterschaften in Bydgoszcz (Polen) und die Weltmeisterschaften in London (Großbritannien) anstehen, ist das Training aber auch mit einzelnen Tempoeinheiten gespickt. Dabei macht sich vor allem die für Geher große Trainingsgruppe bezahlt: Während sie sonst mit Erfurt, Freiburg und Potsdam an drei verschiedenen Standorten trainieren, geht es sich gemeinsam deutlich einfacher.

Essen mit den Läufern und ungeahnte Talente von Karl Junghannß

Obwohl der Großteil der Gruppe schon mit dem Höhentraining Erfahrung hat, benötigt es immer eine gewisse Zeit der Anpassung. Die ersten vier Tage waren deshalb auch von etwas lockereren Geh-Einheiten geprägt. Dabei geht trotzdem der Puls höher als gewöhnlich und man kommt schnell außer Atem. Die Tage der Eingewöhnung nutzte die Gruppe auch für einen Ausflug zum Grand Canyon, verbunden mit einer Trainingseinheit. Von der Südkante ging es bis zum 1.600 Höhenmeter tiefer gelegenen Colorado River und anschließend wieder hinauf. Der Gehergruppe schlossen sich in diesem Jahr dabei auch einige Läufer sowie der Leitende Bundestrainer Lauf/Gehen, Thomas Dreißigacker (<link news:55508>wir berichteten), an.

Eines der Ziele von Thomas Dreißigacker leben die Geher vor: Die Disziplingruppe Lauf/Gehen wieder als eine Disziplingruppe erkennbar zu machen. So luden sie zweimal zum gemeinsamen Essen ein. Diesen Einladungen folgten zum Beispiel die Langstrecken-Gruppe um Hendrik Pfeiffer (TV Wattenscheid 01) sowie die Mittelstrecklerinnen um Konstanze Klosterhalfen (TSV Bayer 04 Leverkusen). Dabei zeigten sich auch bisher unbekannte Talente. Karl Junghannß (Erfurter LAC), der im Oktober bereits die WM-Norm über 50 Kilometer erfüllt hat, zauberte diverse selbstgemachte Eissorten auf den Tisch.

Wettkampf-Saison startet am 8. April in Podebrady

Nach einigen harten Trainingsblöcken hatte sich die Gruppe, welche auch schon Besuch von den Kontrolleuren der NADA hatte, eine kleine Auszeit verdient. Eine Nacht verbrachte sie in Las Vegas, wo sie neben dem Einkaufen in den beiden Outlet-Centern auch den gelebten Überfluss der Wüstenstadt einmal miterlebte.

Am 3. April fliegen die Geher zurück, diesmal hoffentlich ohne Komplikationen, denn die ersten Wettkämpfe stehen bevor. Schon am 8. April werden Christopher Linke, Hagen Pohle (beide SC Potsdam) und Karl Junghannß beim Geher-Meeting im tschechischen Podebrady an den Start gehen. Am 23. April treffen sie in Naumburg mit Nils Brembach (SC Potsdam), Carl Dohmann (SCL Heel Baden-Baden), Nathaniel Seiler (TV Bühlertal) und Jonathan Hilbert (LG Ohra Energie) auf die anderen Trainingslager-Teilnehmer, um gemeinsam beziehungsweise gegeneinander um den deutschen Meistertitel zu kämpfen.

Am 21. Mai steht dann der Europacup der Geher an. Dieser wird erneut in Podebrady auf der bekannt schnellen Strecke ausgetragen. Die deutschen Männer werden sich dort nach den vielen gemeinsamen Tagen in Flagstaff mehr denn je als eingeschworenes Team präsentieren. 

Mehr:

<link news:55508>DLV-Läufer spulen hunderte Kilometer in Flagstaff ab

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