Hürdensprinter Gregor Traber hat in den letzten Jahren als „Junger Wilder“ die Leichtathletik-Szene aufgemischt, jetzt kehrt er als „gestandener“ Athlet vom VfB Stuttgart zur LAV Stadtwerke Tübingen zurück.
2016 war das Jahr des Hürdensprinters Gregor Traber. Bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro (Brasilien) verpasste der dreifache Deutsche Meister (Freiluft und Halle) vom VfB Stuttgart über 110 Meter Hürden als Neunter nur um zwei Hundertstel das Finale. Mit 13,21 Sekunden hatte er sich kurz zuvor in Mannheim als fünftbester deutscher Hürdenläufer in die ewige deutsche Bestenliste eingereiht. Als „Junger Wilder“ sorgte er in den letzten Jahren sportlich für Furore. Jetzt hat Gregor Traber auch außerhalb der Bahn eine Überraschung geliefert.
Der 23-Jährige wechselt vom VfB Stuttgart zurück zu seinem alten Verein LAV Stadtwerke Tübingen. Vor zwei Jahren war Gregor Traber nach Stuttgart gewechselt, als die LAV in finanzieller Not war. Mit Arne Gabius (5.000 Meter, Marathon), Marie-Laurence Jungfleisch, David Nopper (beide Hochsprung), Fabian Heinle, Lisa Steinkamp (beide Weitsprung) und Gregor Traber musste der Verein gleich sechs Deutsche Meister abgeben. Jetzt zieht es Traber wieder neckaraufwärts.
„Unser Verein ist finanziell nicht auf Rosen gebettet“, sagt der neue LAV-Chef Professor Claus Claussen. „Aber Gregor Traber hat in Tübingen seine Wurzeln, die jetzt zum Wechsel geführt haben“, erklärt der Radiologe, der am Stuttgarter Olympiastützpunkt in seiner Privatpraxis neben Bundesliga-Basketballern der Region auch die Kicker des VfB Stuttgart betreut. Ein Sponsor habe den Wechsel ermöglicht, so Claussen, man wolle in Tübingen mit einem neuen Umfeld und einem Bekenntnis zum Leistungssport mit eigenen Athleten aus der Region arbeiten. Und da gehöre Traber mit seiner Tübinger Vergangenheit dazu.
Zwei erfolgreiche Jahre in Stuttgart
„Ich hatte zwei tolle Jahre in Stuttgart“, sagt Traber und bekräftigt, dass sein Aufstieg in die Weltspitze im VfB-Trikot erfolgt ist. Sein neuerlicher Wechsel sei eine „Bauchentscheidung“ gewesen. Das finanzielle Angebot in Tübingen sei nur unwesentlich höher gewesen als beim VfB. Konkrete Zahlen werden in der Leichtathletik auch bei Weltklasseathleten selten offengelegt. Vielleicht aus Scham davor, dass ein Fußball-Nationalspieler wie Toni Kroos in Madrid (Spanien) am Tag fast dreimal soviel verdient (55.000 Euro) wie ein Deutscher Meister im Hürdenlauf im Jahr?
Beim VfB Stuttgart ist man enttäuscht, dass die Zusammenarbeit mit Traber nach zwei Jahren schon zu Ende ist. „Wir wollten mit Gregor gemeinsam die nächsten Großereignisse WM London, EM Berlin und die Olympischen Spiele in Tokio angehen“, sagt Leichtathletik-Abteilungsleiter Dieter Göggel. „Letztendlich war es ein Wechsel aus finanziellen Gründen“, signalisierte Göggel.
Sportlicher Alltag bleibt unverändert
„Der Wechsel ist ein Schritt in Richtung Olympische Spiele in Tokio“, plant Traber nun auf Jahre hinaus mit Tübingen. Sein sportlicher Alltag wird sich durch den Vereinswechsel kaum ändern. Er wird weiter in der Stuttgarter Trainingsgruppe bei Trainer Marlon Odom am Olympiastützpunkt und auf der Festwiese trainieren. Traber setzt sein BWL-Studium in Stuttgart nach einer einjährigen Pause fort und wohnt auch weiterhin in seiner Stuttgarter WG. Zwei Trainingseinheiten will er auf der blauen Bahn in Tübingen absolvieren.
Marlon Odom hat in Stuttgart die beste Hürden-Trainingsgruppe in Deutschland mit fünf nationalen Titelträgern im Aktiven- wie Nachwuchsbereich aufgebaut. Neben Gregor Traber gehören Felix Franz (LG Neckar-Enz, Deutscher Meister 400 m Hürden), Florian Lickteig (MTG Mannheim, Deutscher U23-Meister 110 m Hürden), Stefan Volzer (VfB Stuttgart, schnellster deutscher U18-Athlet 110 m Hürden) und Henrik Hannemann (LAZ Salamander Kornwestheim-Ludwigsburg, Deutscher U20-Meister) dazu.
EM-Medaille als Ziel
Kein Wunder, dass Marlon Odom Riesen-Spass verspürt, mit diesen Athleten zu arbeiten. Er versucht, sein in den USA erworbenes Wissen umzusetzen. „Lockerheit statt Verbissenheit“, heißt dabei die oberste Devise. Und: „Wir setzen uns keine Grenzen“, sagt Odom. Die hauchdünn knapp verpasste Olympia-Finalteilnahme von Traber um zwei Hundertstel bezeichnete er als „grandios und bitter zugleich“.
Auf sein Aushängeschild Gregor Traber bezogen heißt dies: „Ich traue ihm zu, den 21 Jahre alten Deutschen Rekord von Florian Schwarthoff zu brechen.“ Dieser steht bei 13,05 Sekunden. Nicht nur die Finalteilnahme, sondern eine Medaille sei bei der Heim-EM im Berliner Olympiastadion 2018 das Ziel. Und am Ende seines Vierjahresplans will Traber in Tokio (Japan) ebenfalls um eine Olympische Medaille laufen.
Verzicht auf Hallensaison
Dass Gregor Traber bereits in diesem Jahr einen Leistungssprung vollziehen konnte, führt der Trainer darauf zurück, dass man bei internationalen Meetings die Konkurrenz gesucht habe. Damit habe sich Traber im 13,30er Bereich stabilisieren können. „Wir müssen mit unseren Athleten aus der Komfortzone heraus und den Vergleich bei den großen Meetings suchen“, sagt Marlon Odom, der selber eine Bestzeit von 13,45 Sekunden aufweist. Trabers Stärken und Schwächen? „Er ist enorm ehrgeizig, will aber manchmal zuviel“, sagt Odom über seinen Schützling.
Eine Hallensaison ist für 2017 nicht geplant. Im Sommer will Gregor Traber dann wieder für Wirbel über die Hürden sorgen. „Ich glaube felsenfest an eine Finalteilnahme bei der WM in London“, sagt Traber und sprüht schon jetzt vor Motivation.