Mit einem starken Solo-Lauf hat Hendrik Pfeiffer am Sonntag in Köln den 21 deutschen U23-Rekord im Halbmarathon gebrochen und sich obendrauf mit 63:40 Minuten noch die Norm für die Europameisterschaften in Amsterdam (Niederlande) geholt. Im Interview spricht der Wattenscheider über das schnelle Rennen, den Zeitpunkt seines Marathon-Debüts und darüber, was in Zukunft noch alles möglich ist.
Hendrik Pfeiffer, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer starken Halbmarathonzeit in Köln.
Hendrik Pfeiffer:
Vielen Dank, ich bin überglücklich. So konnte ich mein Jahr doch noch gut vollenden.
Der vorherige Inhaber des 21 Jahre alten deutschen U23-Rekordes Salvatore di Dio (LKD Düsseldorf) ist im selben Rennen mit 43 Jahren auf Platz 50 (78:53 min) gelaufen. Sie haben seinen Rekord um 26 Sekunden verbessert. Haben Sie damit gerechnet?
Hendrik Pfeiffer:
Den Rekord habe ich auf jeden Fall angepeilt. Schließlich bin ich im Februar in Barcelona nur knapp 20 Sekunden daran vorbeigelaufen. Allerdings wusste ich nach den gesundheitlichen Schwierigkeiten im Sommer nicht genau, wo ich stehe.
Was hatten Sie denn?
Hendrik Pfeiffer:
Eigentlich nichts Schwerwiegendes. Es hat nur lange gedauert, bis die Ursache meiner Hüftprobleme gefunden wurde. Am Ende stellte sich heraus, dass ein entzündeter Weisheitszahn Schuld war. Der Zahn wurde gezogen und die Probleme waren weg.
Als i-Tüpfelchen sind Sie fünf Sekunden unter der EM-Norm für 2016 geblieben. In Amsterdam steht erstmals der Halbmarathon auf dem Meisterschaftsprogramm. Haben Sie die Norm für möglich gehalten?
Hendrik Pfeiffer:
Nein, daran habe ich nicht gedacht. Ich wollte nur den deutschen Rekord ins Ziel bringen. Nach der Rennhälfte hatte ich zwei Kilometerabschnitte mit 3:08 und 3:05 Minuten bei Gegenwind und bergauf. Da muss der letzte Kilometer deutlich unter 3:00 Minuten gewesen sein. Erst als ich auf der Zielgeraden die Uhr gesehen habe, wusste ich, dass es auch für die EM-Norm reicht.
Wann konnten Sie nach der Zahnentzündung wieder mit dem geregelten Training beginnen?
Hendrik Pfeiffer:
Vor elf Wochen, aber die hatten es auch wirklich in sich. Bei den letzten Halbmarathons hatte ich in der Vorbereitung immer zwei gute Wochen mit 160 oder 180 Kilometern, danach folgte eine Woche mit 80 Kilometern, weil eine kleine Verletzung oder ein Wettkampf dazwischenkam. Dieses Mal hatte ich bewusst darauf geachtet, Umfänge von 160 Kilometern konstant zu laufen. Das hat mir die Kraft und die Tempohärte gebracht.
Apropos Tempohärte: Sie sind die komplette Distanz an der Spitze ohne Tempomacher gelaufen. Liegt Ihnen das Frontrunning?
Hendrik Pfeiffer:
Auf jeden Fall, so bin ich einfach! Ich mag diese taktischen Rennen nicht. Ich bin schon als Bahnläufer immer an die Spitze gegangen, um mein Tempo zu laufen. Auch im Training absolviere ich viele schnellere Dauerläufe allein. Das hat sich nun ausgezahlt.
Kommt nicht irgendwann der Punkt auf den 21,1 Kilometern, wo der Kopf einfach nicht mehr will?
Hendrik Pfeiffer:
Ja, der kommt. Ab Kilometer 15 wurde es knallhart. Da heißt es: Kopf runter, Augen zu und durchkommen.
Nehmen Sie bei der Extrembelastung und einem Tempo von 20 Kilometern pro Stunde überhaupt noch die Stimmung am Straßenrand wahr oder laufen Sie im „Tunnel“?
Hendrik Pfeiffer:
Klar registriere ich die Stimmung und die Fans. Die Stimmung am Dom war einfach der Wahnsinn. Dazu kamen auf der Strecke immer wieder einzelne Stimmungsnester mit vielen Zuschauern. Das pusht ungemein. Ich liebe es, in Köln zu laufen.
Sie wurden am Sonntag nicht von Ihrem Trainer Tono Kirschbaum, sondern vom Wattenscheider Mittelstreckler Jonas Beverungen auf dem Rad begleitet. Warum?
Hendrik Pfeiffer:
Die Straßenrennen fallen häufig in die Urlaubszeit. Darum war mein Trainer nicht mit in Köln. Aber mit Jonas hat das super geklappt. Wir trainieren oft zusammen und er hat mich auch schon ab und an auf dem Rad begleitet. Das war kein Problem.
Wie sehen Ihre Planungen für 2016 aus. Wenn man 63:40 Minuten alleine laufen kann, sollte es in der Gruppe doch noch ein paar Sekunden schneller gehen …
Hendrik Pfeiffer:
… das stimmt. Auf dem Plan steht auf jeden Fall der stark besetzte Berliner Halbmarathon im Frühjahr. Da wollte ich eigentlich die EM-Norm angreifen. Da ich die ja nun schon habe, kann ich mich in aller Ruhe darauf vorbereiten. Vorher steht noch die Cross-EM im Dezember auf dem Programm. Wir haben eine starke U23-Mannschaft und wollen im Team um die Medaillen mitlaufen.
Den Halbmarathon sind Sie nun schon einige Male gelaufen. Beschäftigen Sie sich denn auch schon mit dem kompletten Marathon? Und wenn ja: Wann soll das Debüt sein?
Hendrik Pfeiffer:
Für mich war immer klar, dass ich irgendwann Marathonläufer werde. Ich bin jetzt 22 Jahre alt, also noch ziemlich jung. 2017 würde ich gern meinen ersten Marathon bestreiten, zuvor steht die Steigerung auf den Unterdistanzen im Vordergrund. Das Fernziel heißt aber ganz klar: Olympia-Marathon 2020 in Tokyo.
Haben Sie schon eine Zeit im Kopf, die Sie am Ende Ihrer Karriere erreicht haben wollen?
Hendrik Pfeiffer:
Eine Marathonzeit von unter 2:10 Stunden halte ich nicht für ausgeschlossen.
Eine solche Zeit ist Arne Gabius (LT Haspa Marathon Hamburg) bei seinem Marathon-Debüt im vergangenen Jahr gerannt. Hat er dem deutschen Laufbereich gezeigt, was möglich ist?
Hendrik Pfeiffer:
Definitiv, mich hat er unheimlich motiviert. Wenn einer so vorprescht, dann merkt man, was möglich ist. Ähnliches gilt für Richard Ringer, der auf der Bahn tolle Zeiten läuft. Ich glaube, dass wir bei der EM in Amsterdam eine starke deutsche Europacup-Mannschaft im Halbmarathon sehen und alle fünf Startplätze besetzen werden.
Noch kurz zurück zum deutschen U23-Rekord. Ihr Vorgänger Salvatore di Dio konnte sich nach seiner Rekordzeit von 64:06 Minuten nicht mehr steigern. Habe Sie Angst, dass Ihnen Ähnliches widerfährt?
Hendrik Pfeiffer:
Überhaupt nicht. Ich habe meine Karriere gut geplant und habe mit Tono Kirschbaum einen ganz erfahrenen Trainer. Es gibt keine Gründe, warum meine Zeiten stagnieren sollten. Ich kann noch an vielen Schrauben drehen.
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