Josefina Elsler? Der Name war wohl vor dieser Saison nur eingefleischten Experten ein Begriff. Spätestens seit dem 25. Mai dürfte das anders sein. Denn da rannte die 22-Jährige im französischen Forbach die 100 Meter in 11,37 Sekunden. Die Europameisterschaften in Zürich (Schweiz; 12. bis 17. August) – auf einmal ein realistisches Ziel für das Nordlicht im Trikot des LC Paderborn.
Vier Zehntel sind im Sprint Welten. Viele Athleten trainieren dafür Jahre. Nicht so Josefina Elsler. Mit 11,77 Sekunden war sie 2013 in Deutschland die Nummer 26. Nur ein Jahr später hat sie sich mit 11,37 Sekunden in die Top Drei geschoben und ist nur noch fünf Hundertstel von der EM-Norm entfernt.
„Dieser Leistungssprung ist wirklich beachtlich“, muss auch Elsler selbst konstatieren. Doch sie hat eine Erklärung dafür, die so einleuchtend wie vielversprechend ist: 2013 hatte sie nach einer längeren Pause gerade einmal ein dreiviertel Jahr Training in den Beinen. Jetzt hat sie anderthalb Jahre durchtrainiert. „Und ich glaube, das Training hat gut angeschlagen“, sagt sie lachend.
Von Flensburg nach Köln
Ganz so neu, wie es sich anhört, ist Josefina Elsler in der Sprintszene allerdings nicht. Schon als Jugendliche hatte sie es für einen Hallen-Länderkampf ins U20-Nationalteam geschafft. Schon damals zeichneten sich die Stärken der jungen Sprinterin ab: Willensstärke und Selbstdisziplin. Denn ihre Trainingsbedingungen waren alles andere als ideal. Wohnort: Flensburg-Handewitt. Trainer Sören Kuhn: beim SC Rönnau 74 nahe Hamburg. Training: meist allein, nach Trainingsplänen.
Nach dem Abitur aber war es Zeit für einen Neuanfang – zunächst ohne den Sprint. „Ich habe erstmal anderthalb Jahre lang meine Seele baumeln lassen und Abstand genommen“, verrät Josefina Elsler. Von Flensburg ging’s nach Köln, zunächst für ein Praktikum am Schauspielhaus. Auf Umwegen landete sie schließlich an der Sporthochschule in Köln, wo sich bei ihrem Sportstudium auf Lehramt gut aufgehoben fühlt.
Aus dem Bob gesprungen
Beim ASV Köln schnürte die Norddeutsche in der Freizeit ab und zu wieder die Spikes – was weitreichende Folgen haben sollte. Denn dort lernte sie Thorsten Prange kennen, Trainer der Deutschen 200-Meter-Meisterin Inna Weit (LC Paderborn) und Athletiktrainer vieler deutscher Bobfahrer, der schnelle Anschieberinnen für den Bobsport suchte. „Ich wog damals noch ein paar Kilo mehr und dachte: vielleicht ist das was für mich“, erinnert sich Elsler.
Das Probe-Anschieben in Winterberg sollte ihr einziger Ausflug in den Bobsport bleiben. Thomas Prange erkannte das Talent von Josefina Elsler und kämpfte dafür, die Sprinterin wieder zurück zur Leichtathletik zu holen. „‚Stop! Du bist viel zu jung, um Bob zu fahren!‘ hat er zu mir gesagt“, lacht Josefina Elsler.
Leicht ließ sie sich nicht überzeugen, aber Prange blieb hartnäckig. „Er hat mehrere Male nachgehakt und immer wieder gefragt, ob ich es nicht noch mal versuchen will. Das war wichtig für mich. Es hat mich motiviert, dass er mich als Talent wahrgenommen hat – auch wenn ich damals nicht in der Form war, unter zwölf Sekunden zu sprinten.“ Und das Bobfahren? „Ach, ich habe schnell gemerkt, dass ich das eigentlich gar nicht machen will.“
Training in Eigenregie
Aufgrund ihres neuen Trainers schloss sich Josefina Elsler dem LC Paderborn an, auch wenn sie in der 150.000-Einwohner-Stadt nur selten zu Besuch ist. Ihr Training absolviert sie in Köln – wieder einmal zu großen Teilen ohne Betreuung. „Thomas Prange kommt höchstens einmal pro Woche nach Köln“, erklärt sie.
Alleine fühlte sie sich trotzdem nicht, denn mit Janina Kölsch und Jens Faßbender hat sie in Köln häufig zwei Paderborner Athleten an ihrer Seite. Und auch Abstecher nach Bochum sind an der Tagesordnung, wo mit Ina Thimm eine weitere starke Paderborner Sprinterin trainiert. „Einmal die Woche habe ich im Training auf jeden Fall gute Konkurrenz“, sagt Elsler.
Nominierung für Tampere
Nur wenige Monate nach dem Startschuss zum zweiten Teil ihrer Sprint-Karriere brachte es Josefina Elsler zu einem ersten Achtungserfolg: Als Mitglied der 4x100 Meter Staffel durfte sie im Juli 2013 mit zu den U23-Europameisterschaften in Tampere (Finnland).
Von da an lief es weiter wie am Schnürchen. Auf eine starke Hallensaison mit zwei neuen Bestzeiten über 60 Meter (7,42 sec) und 200 Meter (23,78 sec) folgte eine verletzungsfreie Saisonvorbereitung mit einem vielversprechenden Trainingslager in Teneriffa. Das Resultat ist bekannt: Auf 11,37 Sekunden in Forbach folgten sechs Tage später in Weinheim noch einmal 11,38 Sekunden, und auch über 200 Meter konnte Elsler in 23,51 Sekunden eine neue Bestmarke verbuchen.
Überraschungskandidatin für Zürich?
Auf einmal rücken für die Paderbornerin größere Ziele in Reichweite. „Ich hoffe, dass es noch schneller geht!“ sagte sie in Weinheim kurz nach dem 100-Meter-Rennen, bei dem sie feststellen musste: „Ich bin nach wie vor eine miserable Starterin.“ Kommt sie besser aus den Blöcken, könnte die EM-Norm von 11,32 Sekunden schon bald fallen. „Inzwischen ist das ein realistisches Ziel und ich befasse mich damit“, sagt sie.
Die nächste Chance, den Richtwert für Zürich abzuhaken, hat sie am Samstag bei der Gala in Regensburg. „Da trifft die DLV-Elite zusammen, da starten die Athletinnen, die zusammen bei der Staffel-WM auf den Bahamas waren. Dort möchte ich mich gut präsentieren und vielleicht ein bisschen was aufmischen.“ Mit einer guten Zeit könnte sich Josefina Elsler gleich selbst das schönste Geburtstagsgeschenk machen: sie wird am Samstag 23 Jahre alt.