| Kreuzbandriss

Kira Biesenbach und ihr Weg zurück

Sie trainiert, was sie kann. Kira Biesenbach, eines der größten deutschen Siebenkampf-Talente, hatte sich im April diesen Jahres eine der schwersten Verletzungen geholt, die Sportler treffen kann: Einen Kreuzbandriss, den sich auch der Berliner Diskus-Olympiasieger Robert Harting vor einem Monat zuzog. Sechs Monate später ist für die Leverkusenerin der richtige Zeitpunkt, um sich langsam zurück an die Disziplinen zu tasten. Die Zeitrechnung des normalen Wettkampfkalenders soll beginnen.
Pamela Ruprecht

„Schrecklich“ war die Zeit, als sie nicht trainieren konnte, sie zusehen musste, wie die Muskulatur ihres rechten Beines während der Ruhigstellung nach der Operation schwand. Doch Kira Biesenbach tat und tut alles dafür, um ihr Absprung-Bein wieder in die alte Form zu bringen. Die lag 2013 nach der Siebenkampf-Zählung bei 6.185 Punkten und war für die damals 21-Jährige die Qualifikation für die Weltmeisterschaften in Moskau (Russland) wert.

Gerade von zwei Verletzungsjahren 2011 und 2012 nach zwei operierten Innenmeniskusrissen zurückgekehrt, schien für die U18-WM-Dritte von 2009 der Weg auf internationales Terrain eigentlich geebnet. Letztes Jahr steigerte sich die sprintbegabte Mehrkämpferin zum ersten Mal auf über 6.000 Punkte und gewann die Silbermedaille bei den U23-Europameisterschaften in Tampere (Finnland). Die blonde, stets gut gelaunte, Athletin war im Aufwind, eine vielversprechende Sommersaison 2014 stand vor der Tür.

Schicksal an der letzten Hürde

Doch dann wurde der Leverkusenerin im April eine ganz gewöhnliche Hürdeneinheit zum Verhängnis. Ein Hänger am letzten Hindernis, Knie verdreht, Kreuzband und Außenmeniskus durchgerissen, Operation noch am selben Tag – am gleichen Knie wie schon zuvor zweimal. Erneut ist Geduld und ihr Kämpferherz gefragt. Erst drei Monate nach dem ärztlichen Eingriff ist Joggen wieder erlaubt.

Als Kira Biesenbach die Beine still halten musste, fing sie an, kaum waren die Fäden gezogen, den Oberkörper mit Medizinbällen zu trainieren. Kraft für die beiden Wurfdisziplinen aufbauen, bei denen sie ohnehin noch Potential hat. Monatelang Rehabilitation folgte, zweimal die Woche an der Leichtathletik-Anlage, zweimal in der „Werkstatt“ der Fußballer. „Es ging ohne Rückschläge immer weiter bergauf“, sagt die Siebenkämpferin. Ihre beiden Trainer Erik Schneider und Karl-Heinz Düe unterstützten sie in dieser schweren Zeit.

Sechs Monate nach der Operation sind alle Belastungen erlaubt, die das Knie verträgt. Nach dieser Rechnung ist es im Oktober soweit: Am Montag startete die Deutsche Hallenmeisterin im Fünfkampf in einen neuen Abschnitt. Wenn auch bei den anderen Athleten der Einstig ins Wintertraining beginnt, die Pause nach der Sommersaison vorbei ist, soll es auch bei ihr „langsam, allmählich, komplett in den richtigen Trainingsrhythmus, in die richtigen Trainingseinheiten gehen“.

Springen eine Wonne

Das Bein ist muskulär fast wieder ausgeglichen. „Es fühlt sich noch nicht so fit an wie das andere, aber darauf arbeite ich jetzt hin“, beschreibt die seit einer Woche 22-Jährige. Sie macht schon wieder Sprünge. Jeder kleine Fortschritt in den normalen Trainingsprozess ist ein Grund zur Freude. Herantasten und Ausprobieren ist angesagt, was funktioniert, was geht noch nicht.

Die Verletzung ist ein anderes Kaliber als die beiden Innenmeniskusrisse. „Man braucht viel mehr Feingefühl, es dauert einfach alles ein bisschen länger“, erklärt sie. Vieles kann man nach einem Kreuzbandriss erstmal nicht mehr und muss es neu lernen.

Ihr rechtes Knie ist nun schon dreimal operiert worden. „Es ist mein Weitsprungbein, da muss ich dann sehen, ob das alles wieder so klappt.“ Aber Kira Biesenbach ist zuversichtlich. Bis zum nächsten Jahr ist es noch viel Zeit. „Ich mach‘ mir da keinen Kopf.“ Sie geht die Sache entspannt an.

Andere haben es auch geschafft

Der Bänderriss passierte zu einem Zeitpunkt, als sie im Aufwärtstrend war, einen Lauf hatte. Wie es damals genau zu dem Unfall kam, weiß sie nicht mehr. Stattdessen fallen ihr Athleten ein, die ihre Verletzung überwunden haben. Vereinskollege Alexei Platini Menga konnte nach seiner Rückkehr wieder voll sprinten. „Und die Fußballer schaffen es ja auch immer. Also warum sollte ich es nicht schaffen“, gibt sich Biesenbach optimistisch.

Aufgeben will sie sich auf keinen Fall. In ihrer Trainingsgruppe macht sie mittlerweile, was die Kraftinhalte betrifft, das normale Programm mit. Den Spass, der in der Gruppe kommt, hat sie nicht verloren. Anstelle Leichtathletik zu vermissen, hat die Lehramtsstudentin für Sport- und Sozialwissenschaften die freie Zeit damit kompensiert, mehr für die Uni zu machen.

Ziel Mehrkämpfe 2015

Neben den größeren Uni-Fortschritten kann sie der Herausforderung noch einen möglichen Extra-Bonus für ihr Comeback abgewinnen. „Wenn man zurückkommt, kommt man im Endeffekt noch stärker zurück, weil man das ja dann auch geschafft hat.“ Zehnkämpfer Arthur Abele (SSV Ulm 1846), Platz fünf bei der EM in Zürich (Schweiz), ist ein Paradebeispiel dafür, in welcher Form man nach hartnäckigen Verletzungen auflaufen kann.

Wie es bei der WM-Teilnehmerin vorangeht, ist für sie schwierig vorherzusehen. Dennoch: „Mein Ziel ist es, nächstes Jahr wieder Mehrkämpfe zu bestreiten.“ Langfristig plant sie auch internationale Starts. Ob es schon die Olympischen Spiele in Rio (Brasilien) sein werden, steht noch in den Sternen. „Man kann in das Knie nicht reinschauen und sagen, in drei Monaten ist das Bein fast so gut wie es vorher war.“

Noch härteres Training

Das Training der Siebenkämpferin soll genauso hart, wenn nicht noch härter, wie früher werden. Der Startschuss ist diese Woche gefallen. „Von dem Tief lasse ich mich nicht abhalten.“ Nächstes oder übernächstes Jahr will sie wieder dort stehen, wo sie 2013 stand.

Auf ihrer Facebook-Seite hat Kira Biesenbach als Hintergrundbild das Lushniki-Stadion von Moskau gewählt, Austragungsstätte der letzten Weltmeisterschaften, bei der wegen einer Oberschenkelverletzung nach drei Disziplinen Schluss war. Davor prankt ein Porträtfoto mit strahlendem Lächeln. Genau dort will Kira Biesenbach wieder hin, zu Schauplätzen großer Meisterschaften und gute Laune verbreiten.

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