Zum Saisonstart hatte Kristin Gierisch mit einem gewaltigen Dreisprung-Satz für mächtig Furore gesorgt. Danach war es ruhiger geworden um die Vize-Europameisterin. Bei den Deutschen Jugendmeisterschaften in Ulm war sie als Zuschauerin vor Ort und gab grünes Licht für ihren DM-Start in Berlin.
Mit fachmännischem Blick schaute sich Kristin Gierisch (LAC Erdgas Chemnitz) am Abschlusstag der Jugend-DM in Ulm die U20-Dreispringerinnen von der Tribüne aus an. Für sie selbst geht es bei den Deutschen Meisterschaften in Berlin (3./4. August) weiter – das steht jetzt nach wochenlangen Schmerzen, Zweifeln und intensiver Ursachenforschung fest.
Die bisherige Freiluftsaison der Vize-Europameisterin glich einem Wechselbad der Gefühle. Zum Saisonauftakt sprang Kristin Gierisch in Garbsen mit 14,61 Metern so weit wie zuvor noch nie eine andere deutsche Athletin. Ein Segen: "Das hat mich von allem Druck befreit." Ein Fluch: "Die Motivation war einfach weg, es ging nicht mehr so weiter."
Es folgten Starts bei zwei Diamond-League-Meetings, das letzte vor gut einem Monat in Lausanne (Schweiz), wo sie mit 13,88 Metern Elfte wurde. "Die Starts liefen nicht besonders gut. Ich habe einen kleinen Dämpfer bekommen", blickt die Chemnitzerin zurück. Dieser Dämpfer bezog sich nicht nur auf das reine Ergebnis, es steckte mehr dahinter. Die Ursachenforschung begann, in den zurückliegenden Wochen konnte Kristin Gierisch die Probleme aufspüren und korrigieren.
Kopf signalisierte: "Ich bin verletzt"
Doch was genau war los? "Angefangen hat es im Oktober. Die Nerven waren ein bisschen gereizt, und mein Kopf hat mir einfach falsche Signale gesendet", erklärt Kristin Gierisch. "Ich habe mir ein Schmerzgedächtnis antrainiert und dachte, ich wäre verletzt." Die Folge: Die Dreispringerin traute sich nicht mehr, mit links zu springen. So kehrte sie zu ihrem vorherigen Sprungrhythmus "links, links, rechts" zurück, bei dem der letzte Sprung in die Grube mit rechts absolviert wird.
Um eine tatsächliche Verletzung auszuschließen, setzte Kristin Gierisch auf die Karte Sicherheit und ließ eine zusätzliche MRT-Untersuchung durchführen. Es folgten beruhigende Worte des behandelnden Arztes. "Ich bekam die Rückmeldung, dass meine Achillessehne strukturell gut aussieht", sagt sie mit erleichterter Stimme.
In Berlin "wieder angreifen"
Der Kopf aber war noch immer nicht frei. So suchte Kristin Gierisch zusätzlich Hilfe bei DLV-Psychologin Tanja Damaske. "Ich habe sie angerufen, wir haben sehr viel im mentalen Bereich gearbeitet." Das half ihr auch, sich eine bewusste einwöchige Auszeit vom Leistungssport zu nehmen. Vor zwei Wochen kehrte der Schützling von Trainer Harry Marusch wieder zurück ins Training. "Es läuft alles normal. Ich fühle mich gut und setze den Fokus auf Berlin. Ich bin zuversichtlich, dort wieder angreifen zu können."
Mit Berlin, dem Olympiastadion verbindet die beste deutsche Dreispringerin ihren bisher größten internationalen Erfolg unter freiem Himmel: EM-Silber. Im Kopf sind die schönen und emotionalen Bilder von der Heim-EM immer noch präsent, was ihr zusätzliche Motivation und Auftrieb geben dürfte.
Danach soll die Reise weitergehen. Es könnten noch vereinzelt Meetingstarts folgen, bevor Kristin Gierisch in Doha (Katar; 27. September bis 6. Oktober) ihre dritte WM-Teilnahme in Folge anstrebt. 2015 gab's in Peking (China) Platz acht. 2017 in London (Großbritannien) Rang fünf. Eine WM-Medaille hat die Chemnitzerin bisher nur aus der Halle: 2016 Silber in Portland (USA). Man wird sehen, bis wohin sie Hop, Step und Jump im Wüstenstaat tragen.
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