Mal war der Weitsprung ihre Disziplin, mal der Siebenkampf. Sophie Weißenberg hat fast schon eine Achterbahnfahrt hinter sich, was ihre Gefühle für die beiden Wettbewerbe betrifft. Mittlerweile sieht sich die einstige U20-Vize-Weltmeisterin im Weitsprung als weitspringende Siebenkämpferin mit großem Mehrkampf-Potenzial. Am kommenden Wochenende ist sie eine von fünf deutschen Athletinnen beim Thorpe-Cup in den USA.
Nach dem Abitur im vergangenen Jahr brauchte Sophie Weißenberg (SC Neubrandenburg) eine Auszeit. Auch vom Sport. Sie ging von Oktober 2017 bis Januar 2018 nach Australien, bereiste den Südwesten des Landes. „Das war gut für den Kopf“, sagt die 20-Jährige. Und damit auch gut für ihre sportliche Karriere, vor allem für ihre sportliche Karriere im Siebenkampf. Denn ein paar Tage nach der Rückkehr aus „Down Under“ lief sie im Training zusammen mit ihrer Trainingskollegin Emily Krüger richtungsweisende 600 Meter.
Dazu muss man Folgendes wissen: Die 800 Meter gehörten neben dem Kugelstoßen und dem Speerwurf zu den Disziplinen („meinen Baustellen“), in denen die Leistungen nicht so stimmten und aufgrund derer sie sich vom Siebenkampf ab- und dem Weitsprung zugewandt hatte. „Ich dachte, ich packe das nicht mehr. Zudem ist es im Weitsprung ja gut gelaufen“, erinnert sich Weißenberg. Dabei sieht sich Weißenberg als Mehrkämpferin. „Mein Herz schlägt dafür“, sagt sie. Doch die Schwächen in gleich drei Disziplinen hatten die Siebenkampf-Liebe empfindlich abkühlen lassen.
Dann kam jedoch jener schon erwähnte Trainingslauf über 600 Meter kurz nach ihrer Rückkehr aus Australien. Da machte es ihr auf einmal Spaß, diese Strecke zu laufen. Es war wie eine Befreiung. „Eigentlich habe ich durch diesen Lauf zum Mehrkampf zurückgefunden“, sagt Weißenberg. Es ist ein Strahlen in ihrem Gesicht auszumachen, als sie das sagt. Ein Strahlen, das viel über ihre Beziehung zum Siebenkampf aussagt. Der im Übrigen auch Familientradition ist, denn: Mutter Heike Weißenberg, geborene Tischler, zählte Anfang der 90er Jahre zu den besten Mehrkämpferinnen Europas.
Überraschende Nominierung für den Thorpe Cup
In Halle/Saale erreichte Sophie Weißenberg Anfang Mai dieses Jahres 5.747 Punkte und lag damit nur rund 250 Zähler unter der EM-Norm von 6.000 Punkten. Da entstanden natürlich Hoffnungen, zumindest zarte. Beim Mehrkampf-Meeting in Ratingen verpasste sie die 6.000 Zähler dann allerdings deutlich. Unter anderem, weil sie über 100 Meter Hürden fast stürzte. Und dann am Ende mit leichten Fußproblemen auf die 800 Meter verzichtete.
Am Freitag und Samstag (27./28. Juli) erhält die Neubrandenburgerin in Knoxville, Tennessee (USA) nun eine weitere Gelegenheit zu beweisen, was im Siebenkampf in ihr steckt: Neben Anna Maiwald (TSV Bayer 04 Leverkusen), Vanessa Grimm (Königsteiner LV), Lisa Steinlage (LG Kreis Gütersloh) und Christina Kiffe (ASC Darmstadt) geht sie beim Ländervergleich gegen die USA, dem Thorpe Cup, erstmals im Mehrkampf im Nationaltrikot an den Start. „Mit einer Nominierung habe ich eigentlich gar nicht gerechnet“, sagt Weißenberg: „Ich will dort nun noch einmal versuchen, die 6.000-Punkte-Marke zu knacken.“
Langfristig hat sie noch ganz andere Ziele. Deutlich höhere: „Eine Teilnahme an der U23-EM im kommenden Jahr im Siebenkampf ist ein realistisches Ziel“, sagt Weißenberg. Zudem findet 2019 ja auch eine Weltmeisterschaft statt, im Jahr darauf dann die Olympischen Spiele. Auch wenn die Neubrandenburgerin weiß: „Bis dahin ist es noch ein langer Weg.“ Aber auch ein machbarer Weg, wenn sie ihr angepeiltes Punkteziel für die kommenden Jahre, deutlich über 6.200, 6.300 Zähler zu erzielen, realisieren kann.
Weitsprung als Plan B
Falls das nicht gelingen sollte, bleibt ihr ja immer noch der Weitsprung. „Mir macht beides Spaß, Siebenkampf und Weitsprung“, sagt Weißenberg, die nun gerne ein Zahnmedizinstudium aufnehmen möchte. Im Weitsprung gewann sie in dieser Saison den Titel bei den Deutschen U23-Meisterschaften, am vergangenen Wochenende belegte sie bei den nationalen Titelkämpfen der Aktiven Rang sieben.
Die U20-Vize-Weltmeisterin von 2016, deren Bestmarke bei 6,49 Metern liegt, und ihr Trainer Carsten Hodea haben im Winter die Technik umgestellt. „Ich mache jetzt einen halben Laufsprung, Hangsprung“, erzählt Weißenberg. Vorher hat sie, wie sie es ausdrückt, „immer nur die Beine nach vorne geworfen“.
Diese Technikumstellung hatte Weißenberg vor zwei Jahren schon einmal versucht. Damals ohne Erfolg. „Ich bin zwei, drei Mal angelaufen und es hat nicht geklappt. Danach habe ich es nicht mehr versucht.“ In dieser Saison ist die Technik auch noch nicht zu 100 Prozent abrufbar. Aber Weißenberg ist auf einem guten Weg. „Das ist eine Kopfsache. Da bin ich deutlich stabiler geworden“, sagt Weißenberg: „Manchmal ist man im Kopf eben noch nicht so reif. Diesmal wollte ich das unbedingt schaffen.“ Vermutlich hat auch hier die Auszeit in Australien ihren Anteil.