Elegant und pfeilschnell zum Titel: Sprinterin Tatjana Pinto (LG brillux Münster) hat bei den Deutschen U23-Meisterschaften in Wesel auf ganzer Linie überzeugt. Mit der zweitschnellsten Zeit ihrer Karriere (11,21 sec) dominierte die 21-Jährige das Finale. Im Interview spricht sie über ihren neuen Laufstil, das Ende der Zusammenarbeit mit Thomas Kremer und Konkurrentin Verena Sailer (MTG Mannheim).
Tatjana Pinto, Sie sind in Wesel sehr elegant gelaufen. Fühlt sich das so gut an, wie es aussieht?
Tatjana Pinto:
Ja, es hat sich echt super angefühlt. In der Hallensaison und in den letzten Wettkämpfen sind meine Starts nicht gut gewesen. Deshalb hat es mich umso mehr gefreut, dass der Start diesmal so gut geklappt hat. Dann rollt es und man kann die Geschwindigkeit mitnehmen. Das Gefühl ist dann natürlich gleich ein ganz anderes.
Haben Sie in der Saisonvorbereitung daran trainiert, besser aus den Blöcken zu kommen?
Tatjana Pinto:
Ich habe neben dem fliegenden Bereich auch speziell am Start gearbeitet. Vor allem im fliegenden Bereich habe ich mich verbessert. Ich bleibe jetzt standhafter und halte meine Hüfte gestreckt, so dass ich nicht nach vorne falle und anfange anzufersen. Damit hatte ich in der Vergangenheit Probleme und versuche daraus auszubrechen. Ganz habe ich es noch nicht raus. Aber auf den letzten zehn bis zwanzig Metern kommt das auch noch Step-by-Step.
2012 sind Sie 11,19 Sekunde gesprintet. In Wesel haben Sie die zweitbeste Zeit Ihrer Karriere erzielt. Haben Sie schon während dem Lauf gemerkt, dass es so schnell werden wird?
Tatjana Pinto:
Dass es schneller als im Vorlauf [Anm.: 11,39 sec] wird, habe ich gemerkt. Ich habe mich schon beim Aufwärmen gut gefühlt und konnte im Lauf genau das umsetzen, was ich wollte. Aber dass es so schnell wird, damit habe ich nicht gerechnet.
Letztes Jahr haben Sie die Teilnahme an den Deutschen U23-Meisterschaften noch zurückgenommen, da die Veranstaltung nicht in Ihren Wettkampfplan passte. Welche Bedeutung hat der Titel für Sie?
Tatjana Pinto:
Weil es das letzte Juniorenjahr ist, bedeutet mir der Titel sehr viel. Eine Deutsche Meisterschaft ist eine Deutsche Meisterschaft und deshalb ist das natürlich eine großartige Sache. Nach meinem ersten Trainingslager in Teneriffa war ich zwei Wochen total krank und habe flach gelegen. Das war nochmal ein hartes Stück Arbeit bis ich da war, wo ich jetzt bin. Deswegen freue ich mich umso mehr.
Sie sind als klare Favoritin angereist. Wie tanken Sie Motivation und machen sich auf so ein Rennen heiß?
Tatjana Pinto:
Ich höre auf jeden Fall Musik, das pusht mich. Wenn es im Sprint um Hundertstel geht, ist das Entscheidende letztendlich, locker zu bleiben. Die Musik gibt mir die gewisse Lockerheit mit. Wenn ich vor dem Start meine Lieblingslieder höre, bekomme ich gute Laune. Vor dem Wettkampf bin ich fast immer aufgeregt. Wenn ich nicht aufgeregt bin, mache ich mir Sorgen. Adrenalin und die gewisse Spannung müssen schon da sein, um schnell laufen zu können.
Zwischenzeitlich war Ihre Siegerzeit deutsche Jahresbestzeit, ehe Verena Sailer am selben Tag in Genf mit 11,17 Sekunden das Fernduell für sich entschieden hat….
Tatjana Pinto:
Verena Sailer ist gerade in ihren besten Sprintjahren. Wenn ich in einen Wettkampf gehe, denke ich in erster Linie nicht daran, jemand anderen schlagen zu wollen. Ich möchte mein eigenes Rennen laufen, mein Bestes geben und sehen, was dabei rauskommt. Aber sie ist natürlich immer eine gute Konkurrenz, keine Frage.
Was macht das perfekte Sprintalter aus und was passiert bis dahin?
Tatjana Pinto:
Man hat dann einfach viel mehr Trainingsjahre und Wettkampferfahrung gesammelt. Das macht schon einiges aus. Gewisse Bewegungsabläufe müssen über eine bestimmte Zeit trainiert werden, bis sie wirklich verinnerlicht sind und man sie jederzeit abrufen kann. Im Sprint hat man immer nur eine Chance, man kann ein Rennen nicht wiederholen. Deshalb ist es unglaublich schwierig, die Leistung auf den Punkt zu bringen. Bis das funktioniert, dauert es seine Zeit. Meine besten Sprintjahre liegen hoffentlich noch vor mir.
Thomas Kremer ist seit einer Woche nicht mehr als DLV-Bundestrainer der Frauen-Staffel im Amt. Auch Sie haben die Zusammenarbeit mit ihm beendet?
Tatjana Pinto:
Seit dem Staffeltrainingslager in den USA und den anschließenden Staffel-Weltmeisterschaften auf den Bahamas trainiere ich nicht mehr bei Thomas Kremer. Es ist einiges passiert. Dazu möchte ich nicht weiter ins Detail gehen. Momentan trainiere ich aber noch in Münster und fahre zweimal in der Woche nach Paderborn zu Thomas Prange, dem Trainer von Inna Weit. So werde ich das erst mal die Saison über handhaben. Solange bis ich eine Entscheidung darüber treffe, wie es dann letztendlich komplett weitergehen soll.
Ist es grundsätzlich schwieriger, wenn der Staffel-Bundestrainer gleichzeitig einen Heimathleten betreut, der in der Staffel-Formation ist?
Tatjana Pinto:
Ja, das kann es schwieriger machen, für beide Seiten.
Welche Rolle spielt Thomas Pranger momentan für Sie als Trainer?
Tatjana Pinto:
Ich trainiere seit Ende Mai in Absprache mit Thomas Prange. Gerade jetzt, wo alle Wettkämpfe anstehen, ist es wichtig, dass jemand auf meinen Sprint schaut und sieht, was ich richtig oder falsch mache. Diese Hinweise brauche ich auf jeden Fall. Wofür ich sehr dankbar bin. Ich habe bisher noch nicht den Trainer gewechselt. Das ist momentan für mich die beste Lösung.
Wie haben sich die Umbrüche in Ihrer Trainingssituation bisher bemerkbar gemacht?
Tatjana Pinto:
In den letzten beiden Wettkämpfen ist die Situation für den Kopf nicht so einfach gewesen. Aber auf die U23-DM in Wesel habe ich mich super gefreut und es hat echt Spass gemacht.
Sie haben bei den letzten Europameisterschaften mit der deutschen Staffel die Goldmedaille geholt. Dieses Jahr starten Sie neben der Staffel auch über die 100 Meter. Mit welchen Zielen fahren Sie nach Zürich?
Tatjana Pinto:
Ich hoffe, dass ich meine beste Zeit laufen kann. Ich denke von Rennen zu Rennen. Mit der Staffel wollen wir natürlich versuchen, den Titel zu verteidigen. Aber in der Staffel ist vieles möglich. Das erste Ziel ist, sicher ins Finale zu kommen.
Wohin möchten Sie sich zeitlich noch entwickeln? Sind die Elf-Sekunden eine magische Marke für Sie?
Tatjana Pinto:
Längerfristig ist die Elf-Sekunden-Marke natürlich ein Traum für mich. Bis zu so einer Zeit muss man aber noch an einigem arbeiten, so einfach funktioniert das nicht. Ehrlich gesagt, denke ich auch nicht so viel über Zeiten nach. Zum Jahreshöhepunkt meine beste Leistung zeigen zu können, ist erst mal das Ziel.
<link http: www.leichtathletik.tv index.php v _blank t4dlvmore>Video: Tatjana Pinto mit 11,21 Sekunden