Es war eine Demonstration der Stärke: Der Belgier Koen Naert hat beim Marathon der Europameisterschaften in Berlin einen Überraschungscoup gelandet. In Meisterschaftsrekord von 2:09:51 Stunden gewann der 28-Jährige auf dem stimmungsvollen zehn Kilometerrundkurs durch die Berliner Innenstadt seinen ersten großen Titel. Bester Deutscher war der Deutsche Meister Tom Gröschel auf Platz elf in 2:15:48 Stunden.
Schon bei Kilometer 31 wagte Koen Naert, der bis dato immer schön in der mit rund zehn Läufern relativ großen Spitzengruppe mitgeschwommen war, einen mutigen Vorstoß. Eine Attacke, die nur der Olympia-Siebte Tadesse Abraham (Schweiz), der sich vorher viel im die Tempoarbeit in der Gruppe verdient gemacht hatte, und der gebürtige Marokkaner Yassine Rachik, der seit 2015 für Italien startet, mitgehen konnten.
Allerdings nur anfänglich, denn der Belgier, der bislang einen Platz 11 bei der EM 2014 als seine beste internationale Platzierung vorzuweisen hatte, drückte unermüdlich aufs Tempo und kam offensichtlich mit den zunehmend steigenden Temperaturen auf dem schnellen Berliner Asphalt am besten zurecht. Im Ziel hatte er einen gewaltigen Vorsprung von 1:33 Minuten auf den zuvor hochgewetteten Schweizer Tadesse Abraham (2:11:24 h), der in seiner Jugend noch für Eritrea an den Start gegangen war. Bronze holte der Yassine Rachik in Bestzeit von 2:12:09 Stunden.
Für den 28-jährigen Koen Naert ging sein Plan auf. Seit zwei Jahren hatte er sich komplett auf diesen Marathon vorbereitet, dieses Jahr noch gar keinen Marathon absolviert, sondern nur mit einer Bestzeit über die Halbmarathon-Strecke (61:42 min) aufhorchen lassen.
Guter Auftritt von Tom Gröschel
Tom Gröschel (TC Fiko Rostock), der inzwischen in Wattenscheid bei Tono Kirschbaum trainiert, lief ein starkes Rennen. In seinem zweiten Marathon überhaupt landete der 26-Jährige in 2:15:48 Stunden, die im Bereich seiner Bestzeit von 2:15:20 Stunden aus dem Frühjahr liegen, auf einem mehr als respektablen elften Platz. Der Regensburger Jonas Koller (LG Telis Finanz Regensburg) schaffte mit 2:19:16 Stunden (Platz 28) noch den Sprung unter die Top Dreißig. Die beiden Düsseldorfer Sebastian Reinwand (2:19:46 h) und Philipp Baar (2:19:59 h) kamen auf Platz 33. und 38. ins Ziel. Marcus Schöfisch (lauftraining.com) landetet auf Platz 46 (2:22:57 h).
Insgesamt landete das deutsche Marathon-Team der Männer auf Rang sieben in der Europacup-Wertung. Hier siegte Italien vor Spanien und Österreich.
Der Regensburger Philipp Pflieger kam nichts in Ziel, nachdem er bei Halbmarathon noch auf Kurs von 2:14 Stunden gelegen hatte. Er hatte im Vorfeld mit Problemen im Fußgelenk zu kämpfen, die sich auch auf die Achillessehne ausgewirkt haben. Aus einer daraus resultierenden Schonhaltung bekam er muskuläre Probleme, die ihn bei rund Kilometer 34 zum Aufgeben zwangen.
Ein ähnliches Schicksal ereilte Europarekordler Sondre Nordstad Moen aus Norwegen, der schon früh im Rennen den Daumen nach unten gezeigt hatte und offensichtlich mit Magenproblemen zu kämpfen hatte.
STIMMEN ZUM WETTKAMPF
Tom Gröschel (TC Fiko Rostock):
Ich wollte eigentlich noch langsamer anlaufen, konnte das dann aber doch nicht so einhalten. Die letzte Runde war dafür umso härter. Das Gefühl, andere Läufer einsammeln zu können, war positiv für mich. Das war ein mentaler Vorteil. Es war der zweite Marathon in meinem Leben und bin dankbar, dass ich hier starten durfte. Ohne die Jungs mit A-Norm Philipp Pflieger und Hendrik Pfeiffer hätte ich hier gar nicht starten dürfen, da ich ja nur die B-Norm erreicht hatte. Jetzt habe ich gezeigt, dass man auch in einem internationalen Rennen vorne reinlaufen kann, ohne vorher eine Top-Zeit geliefert zu haben. Meisterschaften haben einen anderen Charakter und vielleicht klappt es nochmal in Tokio. Ein elfter Platz ist toll. Ich war in der Meldeliste in den Dreißigern. Das hier ist fast genauso verrückt wie der Deutsche Meistertitel in Düsseldorf. Ich habe Philipp Pflieger am Straßenrand stehen sehen, da habe ich einfach nur gedacht 'durch jetzt', ich musste mich absolut auf mich konzentrieren, du darfst dir im Marathon keine Gedanken um andere Läufer machen. Ich muss mich auch beim ganzen Team bedanken, das überall toll vertreten war. Das brauchen wir, um kontinuerlich nach vorne zu kommen.
Marcus Schöfisch (lauftraining.com):
Es war eine geile Erfahrung. Ich werde alles daran setzen, dass ich das noch einmal erleben kann, am besten in zwei Jahren. Ich weiß, dass ich noch mehr drauf habe und das unter normalen Bedingungen auch abrufen kann. Heute habe ich mich vorher gut gefühlt, die Hitze hat mir aber viel Energie geraubt. Mein Ziel war es hier dabei zu sein. Ich wollte zeigen, was ich kann, habe etwas riskiert. Um weiter gefördert zu werden, wollte ich zeigen was ich kann. Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Es wurde dann natürlich hart und tat weh, die Beine waren völlig ohne Energie. Aber ich bin dennoch zufrieden. Ich will das jetzt erstmal sacken lassen und genießen.
Jonas Koller (LG Telis Finanz Regensburg):
Mir geht es erstaunlich gut. Ich bin zweitbester Deutscher geworden, zwei Minuten hinter meiner Bestzeit. Bei den Temperaturen ist das okay. Platz 28 ist für meinen ersten internationalen Marathon auch gut. Die Stimmung war Wahnsinn. Ich konnte bis Kilometer 38 nochmal attackieren und mich von Basti Reinwand und Philipp Baar lösen, mit denen ich vorher super zusammen laufen konnte. Ich muss auch dem ganzen Team ein Kompliment machen. Überall wo es nur ging haben wir Wasser bekommen, die Mützen wechseln können, wir wurden toll angefeuert. Es war heute auch eine tolle Team-Leistung. Ich wollte auch für die Mannschaft ankommen, auch nachdem Philipp Pflieger, mit dem ich die ganze Vorbereitung machen konnte, raus war.
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