Für Tom Gröschel steht in wenigen Tagen das Highlight seiner bisherigen Karriere an. Bei den Weltmeisterschaften startet der 30-Jährige im Marathon.
Das Datum hat er in seinem Kalender dick eingekreist. „Am 17. Juli ist der WM-Marathon!“, sagt Tom Gröschel und kann es kaum erwarten. Während viele andere deutsche Marathon-Starter an der Heim-EM in München (15. bis 21. August) teilnehmen werden, favorisiert Tom Gröschel die frühe Startzeit morgens um 6:15 Uhr in Eugene und hofft so, einer möglichen Hitze entgehen zu können.
Der Countdown läuft also. Die vergangenen Wochen hat sich Tom Gröschel in St. Moritz vorbereitet. 31 Tage weilte er in dem mondänen Ferienort im Schweizer Kanton Graubünden. In dieser Woche ging es schließlich weiter in das Pre-Camp des Deutschen Leichtathletik-Verbandes nach Santa Barbara (USA). „Die Zeit dort bis zum WM-Marathon brauche ich. Denn nach dem Höhentraining bin ich oft total erschlagen und habe Beine wie Wackelpudding“, weiß er aus Erfahrung. „Amanal Petros oder Hendrik Pfeifer kommen stets direkt aus der Höhe und machen ihren Wettkampf. Für mich ist das nichts!“
Durch seinen Beruf als Polizeiobermeister kann sich der Athlet aus Rostock seine Arbeitszeit flexibel einteilen. Erst diese Flexibilität machen längere Trainingsaufenthalte wie die in St. Moritz oder in Kenia möglich, wo er ein Wochen-Pensum von 170 bis 180 Kilometern bewältigt. In Iten, dem berühmten Städtchen im kenianischen Hochland, das sich „Home of Running“ nennt, war er bereits insgesamt neunmal. Dort habe er laut eigener Aussage „ein halbes Jahr meines Lebens“ verbracht.
Stammgast in St. Moritz
„Noch häufiger war ich in St. Moritz. Mindestens 20 Mal, 2008 erstmals als Jugendlicher.“ Simon Boch (LG Telis Finanz Regensburg) und Johannes Motschmann (SCC Berlin), die beide bei der EM in München starten werden, Frank Schauer (Tangermünder Elbdeichmarathon), Marco Schöfisch (lauftraining.com Lauffreunde e.V.) und Erik Hille (LG Telis Finanz Regensburg) sind dort oft seine Laufpartner. „Sechs deutsche Marathonis“, so Gröschel, „das macht mega Spaß.“ Stammgäste in St. Moritz sind auch die Ingebrigtsen-Brüder, die regelmäßig in 1.800 Meter Höhe ihr Basis-Camp aufschlagen und von hier zu den Meetings der Diamond League-Serie fliegen.
Die WM-Norm (2:11:30 h) hat Tom Gröschel im vergangenen Dezember in Valencia (Spanien) unterboten. Dort lief er 2:11:08 Stunden. Persönliche Bestleistung. Mit „der Hauptstadt des Laufens“, wie die stolzen Spanier stets betonen, hatte Tom Gröschel noch eine Rechnung offen. „2020 musste ich aufgegeben“, erinnert er sich, „damals habe ich mir geschworen: Du kehrst nochmal zurück.“ Auf eindrucksvolle Weise hat er seine Ankündigung in die Tat umgesetzt. „Zum Schluss war ich wie aufgeladen. Augen zu und durch.“
Als Tom Gröschel über das Geschehen in Valencia spricht, erlebt man einen tiefenentspannten Läufer, der in Deutschland seinen Status als einer der Schnellsten seines Fachs gefestigt hat, bei seinem Erfolg aber auch immer wieder auf andere verweist. Ein ums andere Mal erklärt Tom Gröschel, er sei „dankbar“.
Marathon hat es ihm angetan
Dankbar seinen Eltern, die mit ihm durch dick und dünn gegangen sind, seiner Freundin Isa, die ihn stets unterstützt habe, seinen Polizeikollegen in der Hundertschaft in Mecklenburg-Vorpommern, die so manche Schicht für ihn übernommen hatten, und vor allem dem Marathon-Bundestrainer Tono Kirschbaum, der mit einem Fahrrad in Valencia von Punkt zu Punkt gehetzt war, weil er noch zwei seiner Läufer betreuen musste: Amanal Petros, der seinen eigenen deutschen Rekord auf 2:06:27 Stunden steigerte, und Hendrik Pfeiffer (beide TV Wattenscheid 01), der mit heftigen Magenbeschwerden aussteigen musste. „Tono“, verkündet Gröschel, „ist mehr als nur ein klasse Trainer, er ist auch ein toller Mensch, der für seine Athleten tagein, tagaus ein offenes Ohr hat.“
Marathon, die längste olympische Distanz in der Leichtathletik, hat es ihm angetan: „Da fühle ich mich pudelwohl.“ Nach seinen Lehr- und Wanderjahren auf der Bahn über 5.000 Meter (14:15,13 min) und 10.000 Meter (29:34,39 min) hat er seine Strecke nun endgültig gefunden. Die ist lang genug, um der Gegnerschaft durch ein hohes, gleichmäßiges Tempo den Nerv zu ziehen, ohne einen fulminanten Endspurt zu haben. „Tom ist mental total ausgeglichen“, preist Tono Kirschbaum seinen ehrgeizigen Schützling, „Er verfügt über ein sehr gutes Tempogefühl, sodass es auch noch nie einen Einbruch gab aufgrund von Selbstüberschätzung oder falscher Einschätzung des Rennverlaufs.“
Valencia war sein sechster Start auf der klassischen Distanz, was nicht viel ist für einen Marathon-Recken. 2018 hatte er in Düsseldorf debütiert und auf Anhieb den nationalen Titel in 2:15:20 Stunden gewonnen. Dank dieser Zeit war ihm das Ticket für die Europameisterschaften im Herbst in Berlin sicher. „Die EM war bis jetzt mein persönliches Highlight“, schwärmt Tom Gröschel von seinem „Heimspiel“ vor einzigartiger Kulisse. „Meine Familie war da, Freunde, Bekannte, mit ihnen hätte man einen ganzen Reisebus füllen können. Wahnsinn!“
Wechsel von Rostock nach Bochum 2016
Lauthals angetrieben von seinen Fans, wurde er Gesamtelfter in 2:15:48 Stunden und bester Deutscher. „Na klar machte dieses Ergebnis Lust auf mehr.“ 2019 wiederholte Gröschel seinen Sieg bei den Marathonmeisterschaften in Düsseldorf in 2:13:49 Stunden. 2020 folgte das Aus in Valencia und 2021 der „Hausrekord“ in Enschede (Niederlande) mit 2:12:45 Stunden.
Dank der idealen Trainingsbedingungen hat es ihn im Herbst 2016 aus dem Osten in den Westen Deutschlands verschlagen: von Rostock nach Bochum, wo er sich mit dem 1.500-Meter-Spezialisten Marius Probst (TV Wattenscheid 01) eine Wohnung teilt. Allerdings trägt er nach wie vor das Trikot des TC Fiko Rostock.
Mit den Jungs aus Wattenscheid, Amanal Petros, Hendrik Pfeiffer und Nils Voigt, hat er in den vergangenen Monaten regelmäßig seine Runden gedreht. Tono Kirschbaum war per Rennrad meistens dabei. Für die Weltmeisterschaften ist er also gerüstet. „Noch dazu in Eugene, einem prestigeträchtigen Ort. Für mich geht ein Traum in Erfüllung“, freut er sich auf den USA-Trip.