| Neue Meister

Luke Campbell – Neustart in neuer, alter Heimat

Bei der DM in Erfurt haben sieben Athleten erstmals national ganz oben gestanden. Einige von ihnen gehören zu den "neuen Gesichtern" der Szene, andere belohnten sich dafür, dass sie trotz Rückschlägen weiter an sich glauben. Einer der neuen Meister ist gleich bis an die Spitze der Welt durchmarschiert. Aus dieser bunten Mischung stellen wir heute den 400-Meter-Hürden-Läufer Luke Campbell (LG Eintracht Frankfurt) vor.
Jan-Henner Reitze

Luke Campbell
LG Eintracht Frankfurt

* 22. November 1994
Größe: 1,88 Meter
Gewicht: 79 Kilo

400 Meter Hürden

Bestleistung: 49,40 sec (2017)

Erfolge:

Deutscher Meister 2017

Seine ersten Lebensjahre hat Luke Campbell, Sohn eines US-Amerikaners und einer Deutschen, in seinem Geburtsort Meschede im Sauerland verbracht. Dann zog es seine Eltern in die USA, wo sich ihr Sohn, der mit der deutschen wie auch mit der US-Staatsbürgerschaft ausgestattet ist, zu einem passablen 400-Meter-Hürden-Läufer entwickelte. Im Jahr 2014 standen 50,36 Sekunden zu Buche. Der damals 19-Jährige ordnete sich damit auf Position 115 in der Welt ein, in den USA waren in dem Jahr 20 Athleten schneller, in Deutschland gerade einmal vier. 2015 und 2016 war der junge Athlet in 50,57 Sekunden und 50,52 Sekunden nur unwesentlich langsamer unterwegs. Zur nationalen Spitze in den USA fehlte damit weiterhin ein Stück.

Auch im Hürdensprint (110 Meter: 13,82 sec; 60 Meter: 7,75 sec) mischte der damalige Student der Universität Salisbury im Bundesstaat Maryland unter anderem bei zahlreichen College-Wettkämpfen mit. Der Gedanke, nach seinem Studien-Abschluss in den Fächern Sportwissenschaften und Psychologie für Deutschland zu starten, war immer im Hinterkopf. „Der Bezug zu Deutschland ist immer geblieben. Ich bin dort geboren und die Familie meiner Mutter lebt dort“, erzählt Luke Campbell auf Englisch. Ein bisschen Deutsch spricht er aber auch schon. „Nach meinem Abschluss hat mich nichts mehr davon abgehalten, diesen Traum in die Tat umzusetzen.“

Probetraining bringt Entscheidung für Frankfurt

Sein Manager, der ihm in den USA auch seine Trainingspläne schrieb, nahm diese Aufgabe in die Hand. Unter anderem über den Teammanager der DLV-Nationalmannschaft Siggi Schonert wurden für den vergangenen März Probe-Trainingseinheiten in Leverkusen und Frankfurt organisiert.  Vor den Augen von Bundestrainer Volker Beck in Frankfurt lief Luke Campbell dabei unter anderem zweimal bis zur achten Hürde.

„Herrn Beck als Trainer habe ich sofort als perfekte Chance für mich erkannt“, erinnert sich der Athlet an seine ersten Eindrücke. „Auch der Verein hat mich mit offenen Armen empfangen. Da ist mir die Entscheidung leicht gefallen.“ Frankfurt sollte der Standort für seine Mission „Deutsches Nationaltrikot“ sein.

Vor allem die Konsequenz, die der „Bewerber“ an den Tag legte, überzeugte auch Volker Beck. Gleichzeitig ordnete der erfahrene Trainer und Olympiasieger von 1980 die Anpreisung des Mangers („Luke kann unter 48 Sekunden laufen.“) als zu hoch gegriffen ein. Das Probetraining versprach eher Zeiten in Richtung einer 51. In diesem Bereich lagen kurze Zeit später auch die ersten Wettkampf-Zeiten des Jahres.

Überrascht von herzlicher Aufnahme

Trainer und Athlet wagten den Sprung ins kalte Wasser und vereinbarten eine Zusammenarbeit. Luke Campbell reiste nach seinem Probetraining noch einmal kurz zurück in die USA. Volker Beck organisierte in Deutschland alles Nötige für die erste Saison in Deutschland, von einer Unterkunft im Haus der Athleten über einen Ausweis bis hin zur Vereinszugehörigkeit. Im gemeinsamen Training lernten sich die beiden dann immer besser kennen und schätzen.

Mit Georg Fleischhauer (LG Eintracht Frankfurt; Bestzeit: 48,72 sec) hatte Luke Campbell darüber hinaus nicht nur einen Trainingspartner, mit dem er sich auf der Bahn auf Augenhöhe in Form brachte, sondern der ihm auch half, in der neuen, alten Heimat anzukommen. Insgesamt war der 22-Jährige positiv davon überrascht, wie herzlich er aufgenommen wurde und Anschluss fand. „Die Leute hier sind offener. Das ist toll. Es wird viel zusammen unternommen und sich ausgetauscht. Davon bin ich begeistert.“

Erster Sommer im neuen Leben endet mit DM-Titel

Und auch sportlich ging es einen großen Schritt nach vorne. Luke Campbell entpuppte sich als ausgesprochener Wettkampftyp. Vor allem die Aussicht auf einen Start im deutschen Nationaltrikot ist für ihn ein riesiger Antrieb. Als es in Regensburg Anfang Juni um den Startplatz für die Team-EM ging, blieb er in 49,96 Sekunden erstmals unter 50 Sekunden. Felix Franz (LG Neckar-Enz) war in 49,88 Sekunden in diesem Rennen nur minimal schneller und sicherte sich damit den internationalen Startplatz.

In Erfurt gelang bei der DM-Premiere gleich das erste nationale Meisterstück. Mit einer Steigerung auf 49,40 Sekunden gewann der Frankfurter den Deutschen Meistertitel, vor seinem Trainings- und Vereinskamerad Georg Fleischhauer. Zu einem internationalen Start fehlte wieder nur ein Wimpernschlag: Die Norm für die WM in London (Großbritannien) lag bei 49,35 Sekunden.

"Es hat wehgetan, dass es mit der WM um nur fünf Hundertstel nicht geklappt hat. London wäre der perfekte Abschluss meines ersten Jahres in Deutschland gewesen. Dennoch bin ich mit meiner Saison zufrieden", resümiert Luke Campbell. "Mein erster Sommer hier gehört zu den schönsten in meinem Leben. Ich habe so viel gelernt, habe die Stadt kennen und lieben gelernt. Das Beste aber war, dass ich meine Familie in Deutschland so oft sehen konnte."

Erste Wintervorbereitung in Deutschland

Im kommenden Jahr soll es dann klappen mit dem Start im Nationaldress. Dass es 2017 zweimal so knapp noch nicht gereicht hat, ist zusätzlicher Ansporn. Die EM in Berlin ist das große Ziel. „Da ist auf jeden Fall machbar“, schätzt Luke Campbell seine Situation ein und formuliert weitere Ziele. „Ich möchte auch in der Diamond League dabei sein und langfristig den Weg Richtung Olympia 2020 einschlagen.“ Potential sieht er zum Beispiel noch in der Grundschnelligkeit.

Um diese Ziele zu verfolgen, hat der Deutsche Meister seinen Lebensmittelpunkt endgültig nach Deutschland verlegt und wird die Wintervorbereitung komplett in seiner neuen Heimat absolvieren. Nachdem er seine Saisonpause in den USA verbracht hat, ist er zurück in Frankfurt. Dort wurde er nicht nur von Georg Fleischhauer, sondern auch vom Deutschen U23-Meister Joshua Abuaku (LAV Oberhausen) empfangen, der sich der Trainingsgruppe von Volker Beck anschließt. Das Trio bildet nicht nur eine starke Trainingsgemeinschaft. Sie werden auch Nachbarn. Ihr Trainer hat für Joshua Abuaku und Luke Campbell jeweils eine Wohnung organisiert, die im gleichen Aufgang liegen. Auf der anderen Straßenseite lebt Georg Fleischhauer.

Diese Konstellation sollte dem Übersiedler Luke Campbell sportlich wie persönlich helfen, seinen Traum vom Start im Nationaltrikot wahr werden zu lassen. Finanziert wird das neue Leben unter anderem durch Unterstützung der LG Eintracht Frankfurt, sowie die hessische und Frankfurter Sportstiftung. Außerdem möchte der gebürtige Sauerländer mit einer Ausbildungsstelle in Teilzeit auch beruflich in Deutschland ankommen.

Video: <link video:17068>Luke Campbell stürmt zum Sieg

Video-Interview: Luke Campbell: <link video:17134>"I've been trying to chase on the 50 sec"

Das sagt der Bundestrainer Volker Beck:

Luke war nicht der erste Athlet aus den USA mit deutscher Staatsangehörigkeit, der sich bei uns vorgesellt hat. Oft haben sich solche Athleten umgeschaut und waren dann wieder weg. Dass ein Athlet den Wechsel so konsequent durchzieht, habe ich noch nicht erlebt. Er hat eine Freundin in den USA und sein Umfeld, das er für seine Ziele Berlin und Tokio zurücklässt. Dem zolle ich großen Respekt. Auch im Training hat sich Luke schnell eingefügt. Sein Rennmodell haben wir etwas umgestellt. Er läuft nur noch bis zur fünften statt bis zur sechsten Hürde mit 13 Schritten, um mehr Kraft für die zweite Streckenhälfte zu haben. Er ist ein absoluter Wettkampftyp, der durch seinen Willen und seine mentale Stärke gegenüber den Trainingsleistungen einiges drauflegt. Er tut der Szene gut und ich bin optimistisch, dass er sich weiter entwickelt. Da ich seine Trainingspläne der Vergangenheit nicht kenne, werden wir die Vorbereitung langfristig auf den Sommer ausrichten.

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