Das ABC der Leichtathleten (Teil 1)
Von Rico May
ABC-Übungen gehören zum Alltag eines jeden Leichtathleten. Sie sind bei vielen ein fester Bestandteil des Aufwärmprogramms für Training und Wettkampf, können aber auch zur konditionellen und koordinativen Schulung der Sportler beitragen.
ABC-Übungen sollten also nicht zum Selbstzweck, sondern zielgerichtet eingesetzt werden. Aufgrund der unterschiedlichen Bewegungsstrukturen im Sprint, Hürdensprint und Sprung und den damit verbundenen unterschiedlichen bedeutungstragenden Elementen der einzelnen Bewegungen ist es notwendig, die ABC-Übungen in Geh-, Sprint-, Hürden- und Sprung-ABC zu differenzieren. Hinzu kommen verschiedene Übungen des Wurf-ABCs.
Weil sich bei ABC-Übungen das Bewegungstempo gut steuern lässt und komplexe Bewegungen in Teilelemente gegliedert werden können, dienen sie zum einen der koordinativen und technischen Schulung der Sportler. Dies ist besonders im Nachwuchstraining (als Voraussetzungstraining) von Bedeutung. Durch das Erhöhen der Umfänge und Intensitäten können ABC-Übungen zum anderen auch zur konditionellen Ausbildung beitragen
Je nach Aufgabenstellung sind ABC-Übungen also ein Trainingselement, um verschiedene Voraussetzungen für sportliche Höchstleistungen zu schaffen:
- koordinativ – hoher Grad der Beherrschung der Bewegungsabläufe
- konditionell – Verbessern von Schnelligkeit, Kraft oder Ausdauer
- kognitiv – bewusstes Erfassen technischer Grundelemente, theoretisches Wissen zum ABC-Training und seiner Rolle beim Erwerb von Bewegungsfertigkeiten
- psychisch – Einstellung, Motivation, Lernerfolgshoffnung und Sozialerfahrungen
Technische Anforderungen im Sprint, Hürdensprint und Sprung
Die ABC-Übungen bauen auf den grundlegenden Bewegungsanforderungen der jeweiligen Disziplingruppe auf.
Grundlegende Bewegungselemente im Sprint
- aktiver, geradliniger Fußaufsatz auf dem Ballen
- beim Abdruck optimale Streckung in Fuß-, Knie- und Hüftgelenk
- zweckmäßiges Anfersen
- geradlinige Armbewegung aus der Schulter, Armwinkel etwa 90 Grad
- aufrechte, unverkrampfte Rumpf- und Kopfhaltung
- deutlich sichtbare Phasenstruktur (vordere bzw. hintere Schwung- bzw. Stützphase)
- Fußspitze in vorderer Schwungphase angezogen
Grundlegende Bewegungselemente im Hürdensprint
- energisches Anlaufen der Hürde mit kräftigem Kniehub, leichtes Auspendeln des Unterschenkels nach vorn, Knie leicht gebeugt
- deutliches Nacheinander von Schwung- und Nachziehbeinbewegung
- technisch sauberes Abspreizen des Nachziehbeins
- aktive Schwungbeinsenkung mit Landung auf dem Fußballen
- Vorschwung des Nachziehbeinknies vor den Körper in Laufrichtung
- gegenläufige Arm- und Beinbewegung
- Armführung nahe am Körper
Grundlegende Bewegungselemente im Sprung
- zweckmäßige Sprungauslage mit hohem Körperschwerpunkt
- Rhythmus der beiden letzten Schritte "lang - kurz"
- explosive, aktive Gestaltung des letzten Schrittes und des gesamten Absprungs
- optimale Koordination der Streck- und Schwungbewegungen
- stabile, aufrechte Rumpfhaltung im Absprung
- Armbewegung in Lauf- bzw. Sprungrichtung aus der Schulter
- Fußaufsatz auf der ganzen Sohle
- greifender Fußaufsatz, Fußspitze zuvor angezogen
- aktiver Einsatz des (zuerst spitzwinkligen) Schwungbeins
- kurzzeitiges Fixieren des Schwungbeins nach dem Abflug
Aufgrund der unterschiedlichen technischen Anforderungen im Sprint, Hürdensprint und Sprung ist es notwendig, die grundlegenden Elemente dieser Bewegungen funktionell im Rahmen eines Sprint-, Hürden- und Sprung-ABCs zu trainieren.
Als Einführung bietet sich ein Geh-ABC an. Es dient der spielerischen Annäherung an die weiteren ABC-Formen. Fortgeschrittene können die Übungen zur weiteren Schulung ihres Bewegungsgefühls oder, barfuß ausgeführt, zur Kräftigung der Fußmuskulatur nutzen.
Geh-ABC
Mit zusätzlichen Aufgabenstellungen wie z.B. Arme in Hoch- oder Seithalte bzw. Ausführung mit Richtungswechseln können die Übungen aus dem Geh-ABC variabler gestaltet werden. Werden die Übungen barfuß oder auf verschiedenen Untergründen (Rasen, Sand, Mattenreihe) ausgeführt, erfolgt eine zusätzliche Kräftigung der Fußmuskulatur.
Die Übungen sollten auf einer Streckenlänge von mindestens 20 Metern ausgeführt werden.
Die Übungen
Zehenspitzengang:
Der Sportler setzt die Füße nur auf den Zehenspitzen auf.
Gehen auf dem Fußballen:
Der Sportler setzt auf den Fußballen auf.
Fersengang:
Der Sportler zieht die Fußspitzen an und setzt nur auf den Fersen auf.
Gehen auf dem Innen- bzw. Außenrist:
Der Sportler setzt die Füße nur auf den Innen- bzw. Außenseiten auf.
Betontes Gehen:
Der Sportler setzt den Fuß auf der Ferse auf, rollt über die ganze Sohle ab und leitet mit dem Abdruck nach vorn-oben über die Fußspitze den nächsten Schritt ein.
Gehen mit wechselseitigem Kniehub:
Der Sportler führt wechselseitig die Oberschenkel bis in die Waagerechte. Die Fußspitzen sind angezogen.
Storchengang:
Der Sportler bewegt sich mit betontem Kniehub und weitem Ausgreifen des Unterschenkels vorwärts.
Seitliches Überkreuzgehen:
Der Sportler geht seitlich und setzt dabei die Füße überkreuz vor- bzw. hintereinander.
In Teil 2 von „Das ABC der Leichtathleten“ werden Übungen aus dem Sprint-ABC vorgestellt.