Rasenläufe – ein vielseitiges Trainingsmittel
von Leo Monz-Dietz
Heutzutage absolvieren Sportler im Grundlagen- und Aufbautraining häufig zu wenige Trainingseinheiten. Damit sie aber trotzdem die notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten entwickeln können, müssen in einer Trainingseinheit viele Zielvorgaben gleichzeitig erfüllt werden. Anhand von Rasenläufen möchte ich Ihnen aufzeigen, dass häufig einfach durchzuführende Trainingsmittel hervorragend dazu geeignet sind. Aber auch für Athleten mit genügend Trainingseinheiten sind Rasenläufe ein unbedingtes Muss!
Wie viele Trainingseinheiten sind notwendig?
Schüler sollten nach den Vorstellungen des Rahmentrainingsplans Grundlagentraining ("Schülerleichathletik", 2004) mindestens drei Trainingseinheiten pro Woche absolvieren. Die Anzahl der Trainingseinheiten sollte dann kontinuierlich um eine pro Jahr gesteigert werden, sodass bei langfristig angelegter Zielsetzung am Ende des Aufbautrainings täglich trainiert wird.
Häufig wird aber darüber geklagt, dass Schüler und Jugendliche zu wenige Trainingseinheiten absolvieren. Wird die im RTP vorgegebene Anzahl aber nicht realisiert, gibt es ein Problem: Je geringer die Anzahl der Trainingseinheiten, umso schwieriger ist es, die notwendigen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu entwickeln. Hinzu kommt, dass zeitliche, organisatorische und motivationale Probleme von Athleten und Übungsleitern nicht selten die erforderliche kontinuierliche Erhöhung der Trainingsumfänge verhindern. Um Leistung dann weiter zu entwickeln, wird häufig einfach die Trainingsintensität erhöht. Verletzungen im A-Jugend- und Junioren-Alter haben häufig in der so entstehenden fehlenden Belastungsverträglichkeit ihre Ursache.
Außerdem werden bei geringen Trainingsumfängen häufig schon sehr spezielle Trainingsformen eingesetzt, um entsprechende Wettkampferfolge und Leistungssteigerungen zu ermöglichen. Damit werden die grundlegenden Fähigkeiten und Fertigkeiten ungenügend entwickelt und durch den zu frühen Einsatz spezieller Trainingsformen Gestaltungsmöglichkeiten zukünftigen Trainings vorweggenommen und ausgereizt.
Was tun, wenn die geforderte Anzahl an Trainingseinheiten nicht erreicht wird?
Natürlich sollte Ihr erstes und vorrangiges Ziel sein, die Athleten zu häufigerem Training zu motivieren. Ist das aber aus den unterschiedlichsten Gründen nicht möglich, so steigt die Notwendigkeit, in einer Trainingseinheit möglichst vielseitig auszubilden – ohne dabei Umfänge und Intensitäten zu stark auszuprägen. Die unterschiedlichen Trainingsinhalte tragen gleichzeitig dazu bei, die Trainingseinheit abwechslungsreich zu gestalten.
Nach einer "Grundschulung" wird vielseitig aber auch zunehmend zielgerichteter trainiert. Die konditionellen Ziele sind mit koordinativ abwechslungsreichen Trainingsformen zu erreichen.
Abwechslung im Training des Läufers
Im Lauf-Bereich spielen als Teilaspekte von Koordination u. a. folgende Begriffe eine Rolle:
- Bewegungsökonomie
- Abbau von Überflussmotorik
- rationeller Krafteinsatz
- Bewegungsharmonie
- Bewegungsoptimierung
- Rhythmus
Im Aufbautraining des Läufers sollten u. a. die Entwicklung von Belastungsverträglichkeit, die Ganzkörper-Ausbildung, eine harmonisch ausgebildete Muskulatur, ein stabiler Stütz- und Bewegungsapparat sowie eine gut ausgebildete Fußmuskulatur Trainingsziele sein.
Viele dieser umfassenden Ziele lassen sich durch einfache Rasenprogramme realisieren.
Rasenprogramme
Ausdauertraining im Stadion muss nicht notwendigerweise auf der Rundbahn stattfinden. In vielen Stadien findet sich eben auch ein gepflegter Rasen, der zum Laufen einlädt. Bei angenehmen Temperaturen ist barfüßiges laufen fast immer zu empfehlen. Leider nehmen hoch entwickelte Schuhe unseren Füßen sehr viel Arbeit ab. Wir sind es kaum noch gewohnt, barfuß zu laufen.
Deshalb stellen sich besonders bei Personen, die häufig höhere Absätze im Alltag tragen, beim Barfuß laufen, infolge verkürzter Achillessehnen, Probleme ein. Barfuß laufen muss also bei zivilisationsgeschädigten Mitteleuropäern (dazu zählen leider auch die 12- bis 15-Jährigen) häufig erst wieder entwickelt werden. Sie sollten zunächst nur 5 bis 10 Minuten ohne Schuhe laufen, z.B. beim Auslaufen. Die Belastungszeit sollte dann systematisch gesteigert werden.
Barfuß laufen stellt ein ganz einfaches, aber wirkungsvolles Mittel dar, um die Füße zu kräftigen und das vorfuß- oder mittelfußorientiertes Laufen zu fördern.
Die Variation der Untergründe (Kunststoffbahn, Rasen; aber auch Aschenbahn, Waldboden usw.) beim Laufen fördert die Stabilisierung des Bewegungsapparats. Das wirkt sich auch positiv auf die Belastungsverträglichkeit aus. Unterschiedliche Beläge sorgen – bei gleichem Krafteinsatz – für unterschiedliche Laufgeschwindigkeiten und bieten unterschiedlichen Widerstand.
Vielfältiges Laufen auf dem Rasen
Auf dem Rasen kann sowohl der vorbereitende Teil einer Trainingseinheit (Einlaufen, Sprint- und Sprung-ABC, Steigerungen) als auch der Hauptteil (Sprint, Ausdauerschulung in unterschiedlichster Ausprägung) oder der ausklingende Teil (Auslaufen) durchgeführt werden.
Auch hier ist Abwechslung "angesagt": Nicht alle Elemente sollen oder müssen auf dem Rasen absolviert werden. So können Sie im Nachwuchsbereich nach einem Rasenprogramm mit Diagonalen und/oder Rasenrunden unter Umständen einen Tempolauf auf einer Teilstrecke im angestrebten Wettkampftempo als disziplinspezifische Vorbereitung auf einen Wettkampf durchführen lassen.
Rasenläufe
Hinweise zu den folgenden Rasenprogrammen
Allgemeine Hinweise
- Rasenprogramme stellen eine schonende Form der Belastung dar.
- Der Athlet lernt seinen eigenen Körper kennen und erlebt dessen Reaktionen.
- Die Muskeln und Gelenke, insbesondere des unteren Stützapparates, werden gekräftigt.
- Der Läufer achtet mehr auf die "innere Uhr" als auf die "Stoppuhr".
- Die Lauftechnik wird positiv beeinflusst.
- Das Kraftniveau (Fußkräftigung) bleibt auch im Sommer erhalten.
- Der Athlet fördert das natürliche Laufen.
- Der Athlet läuft vermehrt vor- bzw. mittelfußorientiert.
Bedeutung im Grundlagentraining
- Die Sportler lernen die Unterschiede (unterschiedlicher Fußaufsatz) zwischen Laufen in Turnschuhen, in Spikes und barfuß kennen
- Das Tempogefühl (mit Zeitvorgaben für verschiedene Distanzen als Aufgabe) wird geschult.
- Die Sportler lernen unterschiedliche Belastungen (locker, flott, schnell) zu differenzieren.
- Die Ausrichtung der Programme ist überwiegend aerob.
- Anaerobe Belastungen werden vorsichtig vorbereitet.
Bedeutung im Aufbautraining
- Alle Punkte aus dem Grundlagentraining; außerdem:
- Die Athleten können mit konkreten Zeitvorgaben für unterschiedliche Tempi laufen.
- Zum Teil können Bahn-Standardprogramme auf dem Rasen ersetzt werden, z.B. 10- bis 20-mal 200 Meter, 10-mal 400 Meter oder 6- bis 8-mal 1.000 Meter durch zeitlich ähnliche Belastungen; statt 200er: Diagonale oder flotte Rasendrunden im Wechsel mit Diagonalen; statt 400er: Rasenrunden oder eine Rasenrunde plus 1 Gerade; statt 1.000er: 3 Rasenrunden
- Sprinter und Springer können NI-Läufe (niedrige Intensität) auf dem Rasen statt auf der Bahn durchführen.
Bedeutung im Anschlusstraining
- Alle Punkte aus dem Grundlagen- und Aufbautraining; außerdem:
- Bei Läufen auf dem Rasen haben die Athleten weniger Stress als bei Tempoläufen auf der Bahn (psychische Regeneration).
- Die Form des Athleten kann durch einzelne kleine, intensivere Trainingsreize zwischen harten Wettkämpfen erhalten werden.
- Extensive Rasenprogramme sind eine gute Alternative zu Dauerläufen - ein "nachlässiger Dauerlaufschritt" wird vermieden.
- Nach Verletzungen sind Rasenläufe ein guter Einstieg in die Belastung.
Mögliche Formen von Laufprogrammen auf dem Rasen
1. Einlaufen auf dem Rasen (natürlich auch für Sprinter, Springer und Werfer; z.T. barfuß)
2. Übungen des Lauf- und Sprung-ABCs auf dem Rasen, z.B.:
- Hopserlauf
- Fußgelenkarbeit
- Skippings
- Kniehebelauf
- Kombinationen unterschiedlicher Übungen
- Einbeinsprünge
- Wechselsprünge
- Sprunglauf usw.
- z.T. auch barfuß
3. Steigerungen auf dem Rasen, z.B.:
- 2 x 5 bis 10 x 100 m
- Steigerungsläufe innerhalb von locker gelaufenen Rasenrunden (auf einer oder beiden langen Geraden pro Runde)
- Im Vordergrund stehen bei den Steigerungsläufen immer koordinative Aspekte: locker und kontrolliert, "schön" laufen.
4. Rhythmische Antrittsläufe innerhalb von locker gelaufenen Rasenrunden, z.B. 3 bis 5 kurze Antritte (15 bis 20 m) pro Lauf
5. Diagonalläufe (Länge einer Diagonalen ca. 120 m)
- Durch die unterschiedliche Länge der Trabpausen bei den verschiedenen Diagonalläufen wird eine unterschiedliche Gesamtbelastung erzielt. Von der Intensität der Läufe sowie Länge und Intensität der Trabpausen ist abhängig, ob eher im Grundlagenausdauerbereich (GA2/TL) trainiert, oder die Schnelligkeitsausdauer bzw. wettkampfspezifische Ausdauer gefördert wird.
- Durch diese differenzierte Pausengestaltung kann auch dem unterschiedlichen Entwicklungsstand der Athleten (Grundlagen-/Aufbautraining; Trainingsjahre, Regenerationsfähigkeit usw.) Rechnung getragen werden.
- Trainingsbeispiele: 2 Diagonalen, dann eine Rasenrunde locker; Diagonale mit Serienpause (z. B. 2 x 6 bis 10 Diagonalen); 10 bis 15 Diagonalen ohne Serienpause; Achterläufe auf der Rasenfläche
6. Rasenrunden:
- Rasenrunden sind, je nach dem, wie eng die Kurve gelaufen wird, 320 bis 330 m lang
- Trainingsbeispiele: 5 x 2 schnelle Rasenrunden mit 1 Rasenrunde Trabpause; 5 x 2 gesteigerte Rasenrunden; 3 x 3 gesteigerte Rasenrunden (langsam, mittel, schnell); 1-2-3-2-1 Rasenrunden im mittlerem bis hohen Tempo mit 1 bis 2 Rasenrunden Trabpause; Fahrtspielpyramide: 1-2-3-4-3-2-1 Rasengeraden (schnell) mit gleichlangen Trabpausen, oder 1-2-3 Rasengeraden mit 3-2-1 Rasengeraden Trabpause (Belastung + Pausen = 1 Rasenrunde)
- Achten Sie darauf, dass die Kurven nicht zu eng gelaufen werden, um die orthopädische Belastung gering zu halten. Je höher das Lauftempo ist, desto größer sollte der Kurvenradius sein.
- Bei Rasenrunden können auch heterogene Läufergruppen zusammen extensive Intervallprogramme absolvieren. Die leistungsstärkeren Athleten laufen weiter außerhalb (z.B. 320 m pro Runde), die schwächeren einfach weiter innerhalb des Fußballfeldes (z.B. 280 m). Ihre Aufgabe (und die selbstständiger Athleten) ist es, die Intensität entsprechend dem Trainingsziel zu steuern.
7. U-Läufe:
- Der Athlet läuft eine lange Rasengerade mit schnellem Tempo und anschließend drei Rasengeraden locker.
8. Auslaufen auf dem Rasen (natürlich auch für Sprinter, Springer und Werfer; z.T. barfuß)