| Continental Tour Chorzow

97,76 Meter! Johannes Vetter kratzt am Weltrekord

Johannes Vetter ist nicht zu stoppen. Beim Meeting am Sonntag in Chorzow gelang dem Offenburger der zweitbeste Wurf der Speerwurf-Geschichte. Mit 97,76 Metern pulverisierte der 27-Jährige seinen eigenen deutschen Rekord. Für ihn war der Wurf „nahe dran am perfekten Moment“.
Martin Neumann

Johannes Vetter ist mit dem zweitbesten Wurf der Speerwurf-Geschichte in eine neue Weiten-Dimension vorgestoßen. Beim Kamila Skolimowska Memorial am Sonntag in Chorzow (Polen) beförderte der Offenburger den Speer im dritten Durchgang auf 97,76 Meter. Nur Weltrekordler Jan Zelezny hat jemals weiter geworfen. Am 25. Mai 1996 erreichte der dreimalige Olympiasieger aus Tschechien in Jena 98,48 Meter. Dieser Rekordmarke näherte sich Johannes Vetter nun bis auf 72 Zentimeter. (Der Wurf bei Twitter im Video.)

Seinen eigenen, drei Jahre alten deutschen Rekord von 94,44 Metern übertraf der Weltmeister von 2017 damit gleich um 3,32 Meter. Der bis dato zweitbeste Wurf der Speerwurf-Geschichte ging mit 95,66 Metern (erzielt 1993) ebenfalls aufs Konto von Jan Zelezny. Im vierten Versuch übertraf Johannes Vetter mit 94,84 Metern (sechstweitester Wurf aller Zeiten) noch einmal die alte deutsche Rekordmarke. Den Meetingrekord von Andreas Hofmann (MTG Mannheim) verbesserte Johannes Vetter gleich um fast 14 Meter.

Wurf bis zum Kugelstoßsektor auf der anderen Seite des Stadions

Der Offenburger wusste sofort, als der Speer seine Hand verlassen hatte, dass ihm ein fantastischer Wurf gelungen war. Er rappelte sich nach seiner typischen „Bauchlandung“ durch den extrem dynamischen Abwurf auf und reckte seine rechte Hand in die Höhe. Da war der Speer noch in der Luft, bevor er wenige Augenblicke später knapp links neben dem Kugelstoßsektor auf der anderen Seite des Stadions landete. Als die Weite auf der Anzeigetafel auftauchte, konnte es der Modellathlet wie die Fans im Stadion nicht fassen und musste selbst den Kopf schütteln.

„Man spürt es im Körper, wenn man einen guten Wurf erwischt. Dieser Wurf war wirklich nahe an einem perfekten Moment“, sagte Johannes Vetter nach seinem deutschen Rekord gegenüber World Athletics und ergänzte: „Man spürt die ganze Energie dahinter, vom ganzen Körper - vom rechten Zeh über die Brust bis zu den Händen. Beim Speerwurf braucht man den ganzen Körper und merkt, dass es ein riesiger Wurf war.“

„Noch viel Raum für Verbesserungen“

Johannes Vetter glaubt trotz seiner enormen Steigerung nicht, dass ihm in Chorzow schon der perfekte Wurf gelungen ist: „Viele Leute haben daran gezweifelt, dass es möglich ist, in einem geschlossenen Stadion einen Speer über 95 Meter weit zu werfen. Ich habe es geschafft, und ich glaube, es gibt noch viel Raum für Verbesserungen. Winzige Unterschiede können viele Meter ausmachen.“ Denn die Verhältnisse waren am Sonntag in Chorzow nicht einmal optimal. Wenn er ähnliche Bedingungen gehabt hätte wie Jan Zelezny 1996 in Jena, „wäre der Speer sicherlich dreistellig geflogen“, sagte Johannes Vetter gegenüber dem Sport-Informationsdienst (SID).

„Das war eine unglaubliche Leistung von Johannes. Die ersten beiden Versuche hat er noch etwas lockerer angehen lassen und im dritten voll draufgehalten. Dass er nach so einem Wurf dann noch einmal fast 95 Meter nachlegt, ist besonders bemerkenswert. Da sieht man, dass er momentan in seiner eigenen Sphäre wirft“, sagte Bundes- und Heimtrainer Boris Obergföll zum Auftritt seines Schützlings. Johannes Vetter kam dabei der harte Mondo-Belag im Silesia-Stadion entgegen. „Auf Mondo rutschen die Speerwerfer weniger“, so Boris Obergföll. Dadurch kann beim Abwurf die volle Kraft auf den Speer übertragen werden. Boris Obergföll war vor 24 Jahren übrigens Augenzeuge beim Weltrekord-Wurf von Jan Zelezny im Ernst-Abbe-Sportfeld in Jena. Mit 86,94 Metern hatte er damals Platz drei hinter dem Weltrekordler und dem ehemaligen deutschen Rekordhalter Raymond Hecht (90,06 m) belegt.

Schon vor zwei Wochen an selber Stelle über 90 Meter

Für Johannes Vetter war der eindrucksvolle Triumph in Chorzow mit 13 Metern Vorsprung auf Marcin Krukowski (Polen; 84,62 m) der siebte Meeting-Sieg in diesem Sommer in Folge. „Die 90-Meter-Form ist da und ich möchte diese Weiten abrufen“, hatte der Deutsche Meister zuletzt nach dem Meeting vor drei Wochen in Leverkusen betont.

Dass ihm die Anlage in Chorzow liegt, wusste Johannes Vetter. Denn vor zwei Wochen hatte er an selber Stelle schon zwei 90-Meter-Würfe hingelegt: 90,86 und 90,00 Meter. Insgesamt kommt der 27-Jährige damit auf fünf 90-Meter-Würfe in diesem Jahr und zehn 90-Meter-Wettkämpfe in seiner Karriere.

David Storl bei Ryan-Crouser-Show Fünfter

Ryan Crouser setzte im Kugelstoßring seine 22-Meter-Show fort. Nach bereits 18 (!) Versuchen über die 22-Meter-Marke in diesem Jahr ließ der Olympiasieger in Chorzow fünf weitere Stöße zwischen 22,42 und 22,70 Meter folgen. Der Siegesstoß des Zwei-Meter-Hünen landete damit nur 42 Zentimeter vor der Weltrekordmarke von Randy Barnes (USA).

Ex-Weltmeister David Storl (SC DHfK Leipzig) verpasste seine Saisonbestmarke nur um einen Zentimeter. 20,83 Meter bedeuteten für den dreimaligen Europameister Platz fünf hinter Dominator Ryan Crouser, Europameister Michal Haratyk (Polen; 21,78 m), Leonardo Fabbri (Italien; 20,96 m) und Polens Rekordhalter Konrad Bukowiecki (20,88 m).

Raphael Holzdeppe bleibt ohne Höhe

Im Stabhochsprung musste Raphael Holzdeppe (LAZ Zweibrücken) einen „Salto Nullo“ hinnehmen. Der Weltmeister von 2013 riss seine Einstiegshöhe von 5,52 Metern dreimal. Besser lief es für Piotr Lisek. Der Lokalmatador überquerte im ersten Versuch 5,82 Meter und setzte sich vor Weltmeister Sam Kendricks (USA; 5,72 m) durch. Ex-Weltrekordler Renaud Lavillenie (Frankreich; 5,62 m) belegte Platz drei.

Die 1.500 Meter der Frauen waren die längste Laufstrecke in Chorzow. Sofia Ennaoui (Polen) nutzte die gute Tempoarbeit von Laura Muir (Großbritannien) und blieb als Zweite in 3:59,70 Minuten erstmals unter der Vier-Minuten-Marke. Laura Muir entschied das Rennen mit neuem Meetingrekord von 3:58,24 Minuten von der Spitze für sich.

Das Meeting erinnert an die 2009 im Alter von nur 26 Jahren verstorbene polnische Hammerwurf-Olympiasiegerin von Sydney Kamila Skolimowska. Bis zu 20.000 Zuschauer waren nach den geltenden Corona-Abstands- und -Hygieneregeln in Chorzow zugelassen.

Die kompletten Ergebnisse lesen Sie in unserer Ergebnis-Rubrik.

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024