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Tanja Spill – Erster Lohn für das Festhalten an großen Zielen

Sieben DLV-Athletinnen und Athleten haben bei der Hallen-DM in Dortmund ihre ersten Titel auf nationaler Ebene gewonnen, einige von ihnen überraschten damit sich, favorisierte Konkurrenz und die Zuschauer, die coronabedingt wieder „nur“ per Livestream dabei sein konnten. Wir stellen sie vor, heute 800-Meter-Läuferin Tanja Spill (LAV Bayer Uerdingen/Dormagen).
Jan-Henner Reitze

Tanja Spill
LAV Bayer Uerdingen/Dormagen

Bestleistung:

800 Meter: 2:01,63 min (2016); 2:03,06 min (Halle; 2021)

Erfolge:

Deutsche Hallenmeisterin 2021

Schon als Tanja Spill 13 Jahre alt war, begann ihre Zusammenarbeit mit ihrem Trainer Willi Jungbluth. Über die Jahre ist das Duo eng zusammengewachsen. Verein, Trainingsgruppe und Ärzteteam gehören mittlerweile ebenfalls zum eingespielten Team. Der Durchbruch in die deutsche Spitze über 800 Meter deutete sich schon 2016 an, als die Mittelstrecklerin erstmals aufs Podest bei Deutschen Meisterschaften in der Frauenklasse stürmte, ihre Bestzeit um knapp fünf Sekunden auf 2:01,63 Minuten verbesserte und damit nur knapp die Norm für die Olympischen Spiele in Rio de Janeiro (Brasilien) verpasste.

Danach folgten verletzungsbedingt schwierige Jahre. Doch der Zuspruch ihres sportlichen und familiären Umfelds und die eigene Überzeugung, im Wettkampf noch nicht das Bestmögliche aus sich herausgeholt zu haben, führten dazu, dass die 25-Jährige am Leistungssport festhielt.

In diesem Winter klappte es endlich mit dem ersten nationalen Titel in der Frauenklasse und die Hallen-Bestzeit (2:03,06 min) beim Goldrennen bei der Hallen-DM in Dortmund wurde obendrauf mit dem ersten Start im Nationaltrikot belohnt. Der Halbfinaleinzug bei der Hallen-EM in Torun (Polen) war nicht nur eine wertvolle Erfahrung, sondern auch ein zusätzlicher Motivationsschub, im anstehenden Olympiasommer auch die Freiluft-Bestzeit in Angriff zu nehmen und Punkte im World Ranking zu jagen. Tokio (Japan) erscheint nicht außer Reichweite.

Erste Erfolge über die Hindernisse

Laufbegeistert war Tanja Spill seit ihren Kindheitstagen, angesteckt von ihren Eltern. „Sie sind hobbymäßig gelaufen. Ich wollte immer mit. Mit fünf Jahren habe ich dann mit der Kinderleichtathletik begonnen“, erzählt die heutige Deutsche Hallenmeisterin, die von Anfang an ihrem heutigen Verein, der LAV Bayer Uerdingen/Dormagen, angehört. Zusätzlich machte sie früh auch noch in einer Laufgruppe mit.

Systematischer wurde das Lauftraining mit dem Wechsel zu Willi Jungbluth im Alter von 13 Jahren. „Zu Beginn war ich eine der jüngsten Athletinnen in seiner Gruppe und nur ein bis zweimal pro Woche dabei.“ Stück für Stück wurde es mehr. Nach 2:21,44 Minuten in der Altersklasse W14 über 800 Meter, steigerte sich die junge Athletin ein Jahr später schon auf 2:16,98 Minuten und stand damit in den Top Ten der DLV-Jahresbestenliste der Altersklasse W15 des Jahres 2010. Das Vertrauensverhältnis zwischen ihr und ihrem Trainer wuchs immer mehr. „Er hat mich meinen Weg finden lassen, stand aber auch immer mit einem Rat zur Seite. Beispielsweise dabei, nach dem Realschulabschluss mein Abitur auf dem Norbert-Gymnasium Knechtsteden zu machen, zu dem auch ein Sportinternat gehört.“

Mit dem Übergang in die U18 übernahm Peter Kurowski das Athletik-, Kraft- und Sprinttraining, für das er bis heute zuständig ist. Schon damals verfügte Tanja Spill über eine große Spurtstärke, die sie in den Jahren 2011 und 2012 jeweils bei den Deutschen Jugendmeisterschaften in Jena und Mönchengladbach über 1.500 Meter Hindernis ausspielte und  früh erste Titel abräumte. Allerdings verhinderten Fußbeschwerden, diese Disziplin weiter zu verfolgen. Aber auch über 800 Meter gelang der Vorstoß in die nationale Nachwuchsspitze. In den Jahren 2013 und 2014 lief die damalige U20-Athletin jeweils zu Silber bei der Jugend-DM.

Dauerthema Fußprobleme

National mischte Tanja Spill weiter vorne mit. Dazu zählten Podestplätze bei Deutschen Meisterschaften der Frauenklasse oder der U23-Titel 2017. Das Training mit ihren überwiegend männlichen Mitstreitern, zu denen auch ihr Freund Fabian Spinrath (LAV Bayer Uerdingen/Dormagen) zählt, brachte 2016 die Steigerung der Bestzeit von 2:06,41 Minuten auf 2:01,63 Minuten. Wie schon in der Jugend reichte es aber mehrfach knapp nicht für die Qualifikation zu einer internationalen Meisterschaft.

Bei einer Trainingseinheit im Jahr 2018 führte eine unglückliche Situation zu einem Rückschlag, der schon bekannte Fußprobleme langwierig verschärfte. „Mir sind Kinder durch die Bahn gelaufen. Ich habe mir einen Bänderriss zugezogen“, erzählt die Studentin, die schon einen Bachelor im Fach Sportmanagement absolviert hat und im Moment per Fernstudium einen Master in Marketingmanagement folgen lässt. Die Heilung lief nicht reibungslos, auch der Knochen geriet in Mitleidenschaft. Nach einer ersten OP scheiterte der Versuch, die Belastungen im Training wieder hoch zu fahren. Ein zweiter Eingriff wurde nötig. Der Fuß ist bis heute ein Faktor. „Wir suchen immer den besten Weg, was geht und was nicht. Im Moment klappt das gut.“

Die Rückkehr auf die Bahn, die wieder Annäherung an die Freiluftbestzeit im vergangenen Sommer mit Silber bei der DM in Braunschweig (2:02,07 min), sowie die zurückliegende Hallensaison mit konstanten Zeiten, Hallen-Bestzeit, DM Gold und dem ersten großen internationalen Start sind eine Gemeinschaftsleistung. Wenn bei der willensstarken Athletin mal ein Zweifel aufkam, wurde sie von ihrem Umfeld aufgefangen. „Ich habe einfach ein super Team um mich herum, das immer gesagt hat: Wir sind noch nicht am Maximum angekommen, du musst nur Geduld haben. Das hat mich immer motiviert.“

Planung für Punktejagd im World Ranking läuft

Die erfolgreiche Hallensaison haben die Zuversicht gestärkt, die persönlichen Grenzen noch ein Stück weiter verschieben zu können. Der Trainingsplan in Richtung Sommer steht. Eingeplant sind auch zwei intensive Wochen im April. Wegen Corona muss das gewohnte Trainingslager auf Texel (Niederlande) leider ausfallen. Gespräche mit Meetingdirektoren für Wettkämpfe in der Freiluftsaison laufen auch schon. „Noch machen wir das selbst, sind aber auf der Suche nach einem Management“, erzählt Tanja Spill. Um eine Chance auf die Olympia-Qualifikation zu haben, müssen weitere Punkte im Word Ranking her. Dort steht die 25-Jährige im Moment auf Rang 101.

„Bei mir werden noch drei schwächere Zeiten aus 2019 mitgerechnet, dem Jahr zwischen meinen beiden Fuß-OPs. Aus der Halle zählen leider nur zwei Ergebnisse. Dennoch habe ich mich schon um fast 100 Plätze verbessert“, berichtet die Mittelstrecklerin. „Wenn ich im Sommer die Möglichkeit habe, bei guten Events zu starten und dort gute Leistungen abrufe, kann es noch deutlich weiter nach vorne gehen.“

Video: Tanja Spill stürmt zu Titel und Bestzeit
Video-Interview: Tanja Spill: "Der Plan ist super aufgegangen."

Das sagt Bundestrainer Andreas Knauer:

Tanja zeichnet sich durch ihre ausgesprochen große Spurtstärke aus. Sie ist schnell, hat einen großen Willen und Durchsetzungskraft. Das sind wichtige Eigenschaften einer 800-Meter-Läuferin. Ihren herausragenden Endspurt hat sie bei der Hallen-DM gezeigt. Auch bei der Hallen-EM hat diese Stärke ins Halbfinale geführt. Die Nominierung für Torun hat sich Tanja absolut verdient. Die Rennen gegen internationale Konkurrenz dort waren eine wertvolle Erfahrung.

Leider wurde Tanja schon häufig von Verletzungen ausgebremst. Die konstanten Leistungen in der zurückliegenden Hallensaison stehen dafür, dass sie die Probleme mit ihrem eingeschworenen Team um Willi Jungbluth in den Griff bekommen hat. Wenn weiterhin ein kontinuierlicher Trainingsprozess erfolgt, ist im Sommer eine neue Bestzeit möglich. Das bedeutet auch, dass Tanja um ein Ticket für die Olympischen Spiele mitkämpfen wird.

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