Die deutsche Mannschaft hat sich bei der Team-EM in Chorzow am ersten Tag eine sehr gute Ausgangsposition für den Gesamtsieg erarbeitet. Mit 93,5 Punkten liegt das DLV-Team als Dritter nur 1,5 Punkte hinter den führenden Briten. Bei den drei DLV-Einzelsiegen stach Speerwerfer Johannes Vetter mit 96,29 Metern und dem drittbesten Wurf der Geschichte heraus.
Dank einer äußerst geschlossenen Mannschaftsleistung und einigen Überraschungen übernachten die deutschen Leichtathleten bei der Team-EM in Chorzow (Polen) zur „Halbzeit“ auf Rang drei. Mit 93,5 Punkten lieg die deutsche Mannschaft nur 1,5 Punkte hinter den führenden Briten und nur einen Punkt hinter Gastgeber Polen. Insgesamt zwölf Top-Drei-Plätze bei 21 Entscheidungen, davon drei erste und fünf zweite Plätze, gingen am Samstagnachmittag aufs Konto des DLV-Teams. Am Sonntag werden die verbleibenden 19 von 40 Wettbewerben ausgetragen.
Für die herausragende Leistung des ersten Tages aus deutscher wie internationaler Sicht sorgte Johannes Vetter (LG Offenburg). Dem überragenden Speerwerfer der Gegenwart gelang im zweiten Versuch mit 96,29 Metern der drittweiteste Wurf der Speerwurf-Geschichte. Nur Weltrekordler Jan Zelezny (Tschechien; 98,48 m) vor 25 Jahren und 4 Tagen in Jena und er selbst am 6. September 2020 mit 97,76 Metern an selber Stelle warfen das 800-Gramm-Gerät jemals weiter. Seine eigene Weltjahresbestleistung steigerte der Offenburger um 2,09 Meter.
Johannes Vetter nach zwei Mega-Würfen leicht verletzt
Schon im ersten Durchgang hatte der 28-Jährige mit 94,24 Metern seine Ausnahmeform unter Beweis gestellt. Nur sechs Speere flogen seit Einführung des neuen Modells vor 35 Jahren weiter. Auf die Durchgänge drei und vier verzichtete Johannes Vetter aufgrund von Schmerzen im rechten Oberschenkel. „Ich bin ein bisschen traurig, weil ich den Wettkampf früher als geplant beendet musste. Über das Ergebnis bin ich aber ziemlich glücklich. Mein Großvater ist in Chorzow geboren, vielleicht habe ich wegen ihm über 90 Meter geworfen“, sagte Johannes Vetter.
Um eine schwerere Verletzung auzuschließen, unterzog sich Johannes Vetter noch am Samstagabend einer MRT-Untersuchung. „Man sieht da ein bisschen was. Aber es ist nichts, was mich von Olympia-Gold abhalten kann“, gab der 28 Jahre alte Offenburger Entwarnung. Am Ende setzte sich Johannes Vetter mit mehr als zehn Metern Vorsprung vor Marcin Krukowski (Polen; 85,12 m) und Odei Janaga durch, der den spanischen Rekord auf 84,80 Meter verbesserte.
Apropos Rekord: Den Meisterschaftsrekord von Ex-Weltmeister Tero Pitkämäki (Finnland) steigerte Johannes Vetter mit 96,29 Metern gleich um knapp acht Meter. Der Wurf habe sich „nicht perfekt angefühlt. Ich bin ziemlich sicher, dass es noch weiter gegangen wäre. Aber ich bin enorm glücklich über das Resultat“, sagte der Weltmeister von 2017. Er habe auch überhaupt keine Bedenken, seine herausragende Verfassung bis zu den Sommerspielen in Tokio (23. Juli bis zum 8. August) nicht halten zu können. „Ich verliere meine Form nicht, das wird einfach nicht der Fall sein“, sagte er und versprach: „Ihr werdet noch weite Würfe von mir in diesem Jahr sehen.“
Robert Farken spurtet zum Sieg
Den ersten Einzelsieg für die DLV-Mannschaft feierte 1.500-Meter-Läufer Robert Farken (SC DHfK Leipzig) mit dem ausgestreckten rechten Zeigefingen beim Zieleinlauf. Der 23-Jährige übernahm in einem taktischen Rennen nach 900 Metern die Führung und gab diese nach einem Steigerungslauf auf den letzten anderthalb Runden nicht mehr ab.
In 3:56,64 Minuten setzte sich Robert Farken souverän vor dem Spanier Jesus Gomez (3:56,79 min) und Lokalmatador Michal Rozmys (3:57,13 min) durch. Der Pole hatte deutlich zu spät auf den energischen Antritt von Robert Farken reagiert. „Ich habe mir einfach gesagt, dass ich laufen soll und bin meinem Instinkt gefolgt. Der Sieg fühlt sich großartig an, auch wenn ich aufgrund der guten Konkurrenz schon überrascht bin“, so der Leipziger. „Die Vorstellungen von Johannes und Robert waren natürlich unsere Glanzlichter am ersten Tag“, sagte DLV-Cheftrainerin Annett Stein.
Deutsche Sprint-Staffeln mit Licht und Schatten
Der dritte Einzelsieg ging zum Ende des ersten Tages aufs Konto der deutschen 4x100-Meter-Staffel der Männer. Lucas Ansah-Peprah, Owen Ansah (beide HSV), Niels Torben Giese (VfL Wolfsburg) und Marvin Schulte (SC DHfK Leipzig) setzten sich in 38,73 Sekunden deutlich vor Spanien (39,07 sec) und Frankreich (39,12 sec) durch. Weniger glatt lief es für die deutschen Sprinterinnen. Da der letzte Wechsel von Rebekka Haase (Sprintteam Wetzlar) auf Lisa Nippgen (MTG Mannheim) in Führung liegend nicht klappte, wurden dem DLV-Konto keine weiteren Punkte gutgeschrieben.
Von den sechs zweiten Plätzen stachen die Leistungen von 100-Meter-Läuferin Lisa Mayer (Sprintteam Wetzlar; 11,27 sec) und Hindernisläuferin Elena Burkard (LG farbtex Norschwarzwald; 9;36,04 min) hervor. Beide mussten sich jeweils nur ganz knapp den Lokalmatadorinnen aus Polen geschlagen geben.
Lisa Mayer sprintet auf Rang zwei
„Es war definitiv nicht das beste Rennen. Aber ich bin froh, der Mannschaft einige Punkte gebracht zu haben,“ sagte Lisa Mayer, die sich speziell auf der zweiten Streckenhälfte enorm stark präsentierte. Ähnlich bewertete Elena Burkard ihren Auftritt. „Das Rennen war nicht so schnell, trotzdem hat es Spaß gemacht“, so die EM-Finalistin von Berlin. Sie deutete in Chorzow an, dass bei einem schnelleren Rennen mit stärkerer Konkurrenz die Olympia-Norm von 9:30,00 Minuten in Reichweite sein sollte.
Weitere zweite Plätze und damit sechs Team-Punkte sicherten sich jeweils mit Saisonbestleistung 400-Meter-Hürdenläuferin Carolina Krafzik (VfL Sindelfingen; 55,71 sec) und Weitspringerin Fabian Heinle (VfB Stuttgart; 7,82 m). Ebenfalls Rang zwei ging an Diskuswerferin Marike Steinacker (TSV Bayer 04 Leverkusen; 59,29 m). Zwar nicht unter die Top drei kam Samatha Borutta. Doch die Leverkusener Hammerwerferin durfte gleich im ersten Wettbewerb der Team-EM über 69,35 Meter und eine neue Bestleistung jubeln. Das reichte zu Platz fünf.
Christina Hering nach starkem Rennen disqualifiziert
Pech hatte Christina Hering. Die 800-Meter-Läuferin der LG Stadtwerke München zeigte als Zweite in 2:01,09 Minuten ein starkes Rennen und überspurtete auf der Zielgeraden noch mehrere Konkurrentinnen. Nur die Britin Ellie Baker (2:00,95 min) konnte sie nicht mehr ganz einholen. Da sie aber nach etwa 550 Metern auf die innere Bahnbegrenzung getreten war, wurde sie disqualifiziert und konnte keine Punkte fürs deutsche Team sammeln. „Es war ein sehr schwieriges Rennen, es gab viele Positionswechsel. Ich war auf der Innenbahn und es war schwierig, zu überholen. Wenn ich in einer besseren Position gewesen wäre, hätte ich das Rennen gewinnen können“, so Christina Hering. „Aus unserer Sicht war das eine Aktion im normalen Rennverlauf, der nicht zu einer Disqualifikation führen muss. Durch die Disqualifikation und den Wechselfehler der Frauen-Staffel haben wir leider 13 Punkte liegen gelassen“, so Annett Stein.
Die Team-EM wurde wie bereits in den vergangenen Jahren mit besonderen Regeln ausgetragen. So hatten die Athletinnen und Athleten bei den Würfen und der Horizontalsprüngen nur drei Versuche, die vier Besten einen weiteren. Der Hoch- und Stabhochsprung war nach vier Fehlversuchen automatisch beendet. Bei der Team-EM sind diesmal nur sieben statt acht Nationen am Start. Die Ukraine hatte nach zwei Corona-Fällen in der Mannschaft auf einen Start in Chorzow verzichtet. Damit steigt das Land automatisch aus der Super League in die First League ab.
Die Ergebnisse lesen Sie unserer Ergebnisrubrik...