| Porträt

Blessing Enatoh – Neuer Stern am deutschen Hochsprung-Himmel

Es ist bislang ein Traumjahr für Blessing Enatoh: Die junge Hochspringerin hat sich in diesem Sommer um drei Zentimeter auf 1,87 Meter gesteigert und ihren ersten Start in der Nationalmannschaft der Aktiven gefeiert. In dieser Saison wartet nun noch ein letzter internationaler Höhepunkt auf die 20-jährige Berlinerin.
Zoe Hawner

Blessing Enatoh kann ihr Glück kaum fassen, als sie vor wenigen Wochen erfährt, dass sie bei der Team-EM in Chorzow (Polen) als Ersatz für die kurzfristig ausgefallene Imke Onnen (Hannover 96) an den Start gehen darf. „Als ich die Nachricht bekommen habe, war ich absolut aus dem Häuschen“, rekapituliert sie. Schließlich ist es auch das erste Mal, dass die Athletin der LG Nord Berlin das Trikot der Nationalmannschaft der Aktiven überstreifen darf. „Ich war so positiv aufgewühlt, dass ich mir im Krafttraining am selben Tag die Langhantel gegen die Stirn gehauen habe“, erzählt sie mit einem lauten Lachen. 

Nach der Teilnahme an der U23-EM in Espoo (Finnland), wo sie das Finale erreichte, stehen für die 20-Jährige nun noch die World University Games in Chengdu (China; 28. Juli bis 8. August) vor der Tür. „Ich will dort primär Spaß haben, die Zeit genießen, aber natürlich auch alles geben, um selbst zufrieden wieder zurück nach Deutschland kommen zu können“, so die Berlinerin.

Über ISTAF-Schülerstaffel zum Leistungssport

Bereits als Grundschülerin wurde Blessing Enatoh durch ein ganz besonderes Ereignis auf die Leichtathletik aufmerksam. Sie erinnert sich: „Meine Schule hat sich damals für die Schülerstaffel beim ISTAF in Berlin qualifiziert und dann waren wir da als kleine Kinder in diesem riesigen Berliner Olympiastadion. Das war was ganz Besonderes.“ Nach diesem Erlebnis stand eine Sache dann auch schon fest: „Von da an wusste ich, solch eine Atmosphäre will ich öfter erleben“, schwärmt die 20-jährige Hochspringerin.

Doch sie steuerte nicht etwa direkt einen der regionalen Leichtathletikvereine an. Erst in der siebten Klasse, dann durch „Jugend trainiert für Olympia“, wurde sie erneut auf den Sport, und erstmals auch auf ihre heutige Paradedisziplin, aufmerksam. „Da wurde ich dann einfach zum Hochsprung eingeteilt, obwohl ich das noch nie vorher in meinem Leben gemacht hatte. Meine Lehrerin meinte, du bist groß und schlank, du machst jetzt Hochsprung. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt absolut keine Ahnung, was das überhaupt ist“, erinnert sich Blessing Enatoh. Anschließend schloss sie sich ihrem ersten Verein, dem TSV Spandau 1860, an, wo sie unter Detlef Klaar trainierte.  

„Ein Rohdiamant, der nur geschliffen werden muss“

In der Hallensaison 2018 kam dann Jan-Gerrit Keil ins Spiel. Bei den Berlin-Brandenburgischen-Meisterschaften wurde sie vom Nachwuchs-Bundestrainer gesichtet, als sie mit 15 Jahren bereits die Norm für die Jugend-Hallen-DM übersprang. Ein Jahr später berief sie Jan-Gerrit Keil in den ersten Nachwuchskader. Es entstand vorerst eine Kooperation aus den beiden Trainern Klaar und Keil, die mehr als vier Jahre andauerte.

Zur Saison 2023 folgte dann ein Vereinswechsel zur LG Nord Berlin. Seit Anfang des Jahres trainiert die 20-Jährige in der Trainingsgruppe Hochsprung der LG Nord Berlin, in der ebenfalls Jonas Pomsel und Jossie Graumann gefördert werden. „Ich wollte gerne in eine reine Hochsprunggruppe wechseln, wo man sich gegenseitig pushen kann“, erklärt sie diesen Schritt.

Doch sie blickt weiterhin gerne auf die Jahre in ihrem Stammverein, unter Trainer Detlef Klaar, zurück: „Ich bin mega dankbar für meinen alten Verein, der ja den Grundstein für alles gelegt hat. Wäre mein Trainer damals nicht so hartnäckig gewesen, wäre ich vielleicht gar nicht da, wo ich jetzt bin“, berichtet sie. Im neuen Trainingsumfeld wird vor allem an der Technik gefeilt. „Jan-Gerrit Keil hat aus meiner Technik, die einfach eine Katastrophe war, so viel gemacht, dafür bin ich einfach dankbar“, so das junge Hochsprung-Talent. 

Nach Espoo ist vor Chengdu

Bislang hat sich die Umstellung bezahlt gemacht. In ihrem ersten Wettkampf der Freiluftsaison bei den Deutschen Hochschul-Meisterschaften floppte Blessing Enatoh über 1,87 Meter – neue Bestleistung. Bei der Team-EM in Polen, ihrem zweiten internationalen Start nach der U20-EM 2021, stellte sie diese Marke noch einmal ein. Es folgte die U23-EM in Espoo, die sie mit 1,84 Meter und dem zehnten Platz abschloss. 

„Man könnte die Team-EM in Chorzow und die U23-EM in Espoo eigentlich ganz gut vergleichen“, sagt sie. „Bei der Team-EM hat niemand mit mir gerechnet.“ In Espoo dagegen zählte sie jedoch zu den Anwärterinnen auf die vordersten Plätze, sogar eine Medaille schien im Rahmen des Möglichen. „Das ist gerade mental einfach etwas komplett anderes. Das war in dem Moment wohl einfach zu viel Druck für mich“, gesteht die 20-Jährige.

Der Wettkampf war schnell abgehakt, der Fokus ist nun auf die anstehenden World University Games in Chengdu gerichtet. „Ein schlechter Wettkampf darf dann auch nicht die ganze Saison definieren, das gehört einfach dazu, ein solcher Tiefschlag“, sagt die Deutsche Hochschulmeisterin.

Schritt für Schritt zu neuen Höhen 

Nach den World University Games, deren Abschlusstag auf ihren 21. Geburtstag fällt, möchte sich Blessing Enatoh eine Pause gönnen. Die lange Saison steckt ihr noch in den Knochen. „Ich schaue auch schon aufs nächste Jahr, zum Beispiel auf die EM in Rom“, verrät sie. Und auch mit Blick auf neue Höhen ist sich die Berlinerin einer Sache bewusst: „Ich weiß, dass in mir die 1,90 Meter stecken. Ob ich sie jetzt in dieser Saison noch springe oder erst nächstes Jahr, ich weiß, dass ich sie irgendwann schaffen werde. Aber mein Rat ist immer, sich nicht mit anderen Athletinnen in Bezug auf Höhen und Alter zu vergleichen. Ich mache das innerhalb meiner Zeit und das ist auch gut so“, reflektiert sie.

In diesem Jahr war die Zeit für mehrere internationale Einsätze gekommen. Dafür ist Blessing Enatoh dankbar: „Es ist ein Segen, dass ich innerhalb einer Saison bei drei internationalen Wettkämpfen mitmachen durfte und nun bei den World University Games auch noch einmal darf. Damit hätte ich niemals gerechnet.“

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