Mit einem starken Saisoneinstieg knüpfte 400-Meter-Hürden-Spezialist Emil Agyekum beim Goldenen Oval in Dresden genau dort an, wo er die Olympiasaison 2024 erfolgreich beendet hat. Als Wettkampftyp will er nicht nur Spaß auf der Bahn haben, sondern sich auch kontinuierlich verbessern. Der nächste Schritt könnte der Einzug ins WM-Finale im September sein.
Er ist kein Mann der großen Worte. Dafür ein Athlet der großen Taten – genau: der schnellen Rennen. Zum Ende der Vorsaison überzeugte Emil Agyekum (SCC Berlin), amtierender Deutscher Meister über 400 Meter Hürden beim ISTAF Berlin zum Saisonabschluss mit 48,21 Sekunden. Eine Zeit, mit der er sich auf Platz drei der ewigen deutschen Bestenliste einsortiert hat.
Mit insgesamt sechs Rennen unter 49 Sekunden unterstrich Emil Agyekum 2024 sein konstant hohes Niveau und stellte als Halbfinalist bei den Olympischen Spielen in Paris (Frankreich) unter Beweis, dass der Sprung in die Weltspitze greifbar ist. In Europa läuft der 26-Jährige, EM-Sechster und EM-Dritter mit der 4x400-Meter-Staffel in Rom (Italien), bereits vorne mit.
Gelungener Saisoneinstieg in Dresden
Bundestrainer Volker Beck sagte einmal über Agyekum: „Emil ist kein Trainingsweltmeister. Er ist ein Wettkampftyp und ein Gefühlsmensch.“ Und Agyekum? Bestätigte dies, indem er Taten für sich sprechen ließ. Und am Sonntag im ersten Einzelrennen der Sommersaison genau da weitermachte, wo er im Vorjahr aufgehört hatte. Bei seinem Saisoneinstieg im Rahmen des Goldenen Ovals in Dresden zog er fokussiert sein Rennen durch und zeigte sich auch unbeeindruckt von dem britischen Olympiateilnehmer Alastair Chalmers nebenan, der eingangs der Zielgeraden noch vorn gelegen hatte und über mehrere Hürden gestrauchelt ist.
In 48,36 Sekunden stürmte er nicht nur zum Sieg, sondern auch bis auf 15 Hundertstel ran an seinen Hausrekord. Ein vielversprechender Auftakt. Im Anschluss sagte er: „Nach einem halben Jahr wieder einen Wettkampf zu laufen, das ist ein sehr besonderes Gefühl. Es macht einfach nur Spaß und ist ein super Saisoneinstieg, der Selbstvertrauen gibt.“
Dieses ist auch gefragt, wenn der 26-Jährige sein Ziel erreichen und bei den Weltmeisterschaften in Tokio (Japan; 13. bis 21. September) ins Finale einziehen will. „Das große Ziel ist es, dort zu performen und mein Bestes zu geben“, sagt er. Der Weg bis dahin ist noch ein langer, weswegen auch die Vorbereitung entsprechend lang war.
Saisonvorbereitung mit Abstecher zu den World Relays
Nach einer verdienten Saisonpause nach dem ISTAF Berlin im September hatte Agyekum das Training wieder aufgenommen und im Januar folgte bereits das erste Trainingslager in Südafrika. Das zweite fand im Rahmen des Staffel-Ausscheids des DLV für die World Relays auf La Palma (Spanien) statt, in dem sich der Wahl-Frankfurter für einen Einsatz im Nationaltrikot mit der 4x400-Meter-Staffel qualifizierte.
Um dort bestmöglich vorbereitet zu sein, ging es zudem nach Malaysia ins Pre-Camp mit den Staffelkollegen. „Das war vor allem wichtig für die Akklimatisierung, denn das Klima in China unterscheidet sich schon sehr von unserem hier in Deutschland“, sagt er. Gelohnt hat sich die spezielle Vorbereitung: Gemeinsam mit Manuel Sanders (TV Wattenscheid 01), Johanna Martin (1. LAV Rostock) und Jana Lakner (LG Telis Finanz Regensburg) löste Agyekum in der Mixed-Staffel eins der begehrten Tickets für die WM in Tokio.
Starke Trainingsgruppe in Frankfurt
Und auch die Chancen für einen Einzelstart sehen nach erfüllter WM-Norm gut für ihn aus. Abzuwarten bleibt jedoch, was die anderen DLV-Athleten über die Stadionrunde mit Hürden draufhaben. Allein zwei von ihnen, der WM-Achte Joshua Abuaku (Eintracht Frankfurt) und der Olympia-Halbfinalist von 2021 Luke Campbell (Sprintteam Wetzlar), stehen täglich mit dem gebürtigen Berliner auf dem Trainingsplatz. Und genau diese Konstellation war es auch, die ihn vor zweieinhalb Jahren dazu bewegte, nach Frankfurt zu wechseln.
„In Frankfurt hatte ich nicht nur die Möglichkeit, unter Volker Beck zu trainieren, der als Olympiasieger in meiner Disziplin viel Erfahrung hat, sondern auch in einer der stärksten Trainingsgruppen, die es zu dem Zeitpunkt in Deutschland gab. Es ist etwas ganz Besonderes, dass wir uns gefunden haben“, sagt Agyekum. Inzwischen sind noch die beiden Talente Owe Fischer-Breiholz und Lasse Schmitt (beide Königsteiner LV) hinzugekommen.
„Davon profitieren auch wir älteren Athleten, da sie neuen Schwung in die Gruppe bringen. Vor zwei Jahren war ich noch der Jüngste. Es ist schön zu erleben, wie sich alle weiterentwickeln – die Älteren wie die Jüngeren“, schwärmt der Sportsoldat. Und weiter: „Das Training macht sehr viel Spaß. Weil jeder seinen Bereich hat, in dem er besser ist und in dem er nicht so gut ist. Dadurch pushen wir uns gegenseitig. Wichtig dabei ist, trotzdem bei sich selbst zu bleiben. Am Ende kommt es drauf an, dass man auf der Bahn performt und die Gesamtleistung stimmt. Und nicht, wer am meisten Gewichte stemmt.“
Neuer Coach, gewohntes Umfeld
Um bei sich zu bleiben, ist für Emil Agyekum auch wichtig, das Training am Ende der Woche noch einmal in Ruhe mit seinem Trainer analysieren und auswerten zu können. Allerdings ist dies nicht mehr Volker Beck, der ihm dabei zur Seite steht, sondern Christian Kupper. „Christian war vorher schon unser Co-Trainer. Da sich Volker Beck inzwischen auf seine Aufgaben im DLV konzentriert, hat er unsere Gruppe übernommen. Christian ist sehr fürsorglich und geht auf einen ein. Auch ist er immer offen dafür, sich bei Bedarf extra Zeit für uns zu nehmen – selbst in seiner Freizeit ist er immer für uns da“, erzählt Agyekum.
Eine solch vertrauensvolle Betreuung kommt vor allem einem Athleten wie Agyekum zugute, der an sich selbst den Anspruch hat „der schnellste Hürdenläufer aller Zeiten zu werden“ und bereit ist, hart dafür zu arbeiten und dem Sport alles andere unterzuordnen. Was jedoch nicht bedeutet, dass er verbissen einer bestimmten Zeit hinterherjagt oder Züge der Arroganz annimmt. Vielmehr sagt er über sein Ziel für die Saison: „In erster Linie will ich Spaß haben und mich stetig weiterentwickeln. Ich will sehen, was ich drauf habe und wie weit ich kommen kann.“ Was nicht zuletzt auch für das WM-Finale gilt, in dem Emil Agyekum, sofern er sein großes Ziel erreicht, einmal mehr Taten für sich sprechen lassen will.