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Gregory Minoué – In der Männerklasse angekommen

© Gladys Chai von der Laage
Bei den Deutschen Meisterschaften in Dresden haben elf Athletinnen und Athleten erstmals einen nationalen Einzeltitel in der Aktivenklasse gewonnen. Einige gehören schon länger zur nationalen Spitze, andere feierten in diesem Sommer ihren Durchbruch. Wir stellen die neuen Deutschen Meisterinnen und Meister vor, heute Hürdensprinter Gregory Minoué.
Jan-Henner Reitze

Gregory Minoué
TV Kalkum-Wittlaer

Bestleistung:

110 Meter Hürden: 13,46 sec (2025)

Erfolge:

Fünfter U20-EM 2021
Deutscher Meister 2025

Mit Manuel Mordi (Hamburger SV) und Tim Eikermann (TSV Bayer 04 Leverkusen) hat in den vergangenen Jahren auf nationaler Ebene eine neue Generation von Hürdensprintern das Kommando übernommen und sich an die internationale Spitze herangearbeitet. Ausgebremst durch eine Schambeinentzündung konnte Gregory Minoué diesen Schritt in den Jahren 2023 und 2024 noch nicht machen. Das holte der 23-Jährige in der zurückliegenden Saison nach. 

Schon in der Halle steigerte der Athlet des TV Kalkum-Wittlaer seine Bestzeit über 60 Meter Hürden von 7,79 bis auf 7,60 Sekunden und belegte mit dieser Zeit bei der Hallen-DM den zweiten Platz knapp hinter Manuel Mordi. Im Freien war die Reihenfolge umgekehrt: In Dresden setzte sich Gregory Minoué im Fotofinish durch, seine PB steigerte er in diesem Jahr von 13,70 bis auf 13,46 Sekunden. Diese Zeit wurde mit dem ersten WM-Start und wertvollen Erfahrungen für die Zukunft belohnt.

Hinter dieser Entwicklung steckt die Ausrichtung des Alltags auf den Leistungssport. Aus seiner Heimat Düsseldorf wechselte der Hürdensprinter nach Leipzig in die Trainingsgruppe von Alexander John. Als Sportsoldat hat er die Möglichkeit, das Training in den Mittelpunkt zu stellen. Und aus der langwierigen Verletzung hat der Aufsteiger gelernt, wie wichtig es ist, auf den Körper zu hören und nicht nur im Training alles für den Sport zu geben.

Talent führt zur U20-EM

In seiner Kindheit in Düsseldorf spielte Gregory Minoué zuerst im Verein Fußball. Es bereitete ihm aber Probleme, die Spielzeit durchzuhalten. „Ich hatte Probleme beim Atmen. Vermutlich war das eher Panik, aber meiner Mutter wurde dann geraten, dass ich es mal mit Leichtathletik probieren könnte. Ich war schnell.“ So kam der damalige Grundschüler zum TV Angermund und Trainerin Antje Kirberg. „Wir haben im Training auch Spiele gespielt, der Spaß stand im Vordergrund. Im Wettkampf habe ich alle Disziplinen gemacht.“

In der U16 war der Nachwuchsathlet bis auf Landesebene vorne dabei. Als M15-Athlet lief er die 100 Meter in 11,70 Sekunden, die 80 Meter Hürden in 11,69 Sekunden und sammelte 2.778 Punkte im Blockmehrkampf Sprint/Sprung. In den Hürden-Landeskader kam der damalige Mehrkämpfer nachdem er die 110 Meter Hürden im ersten U18-Jahr in 14,92 Sekunden absolviert hatte. Ein Jahr später rückten die Hürden noch mehr in den Mittelpunkt, weil eine Verletzung einen Start im Mehrkampf verhinderte. Dabei heraus kamen die Steigerung bis auf 14,22 Sekunden und der Sechste Platz bei der U18-DM 2019.

Welch großes Talent in dem damals 18-Jährigen steckte, zeigte sich zum Start ins erste U20-Jahr. Obwohl die Hürden wieder etwas höher geworden waren, blieb die Uhr über 60 Meter Hürden schon beim ersten Rennen stehen, bevor acht Sekunden verstrichen waren. Bei der Jugend-Hallen-DM in Neubrandenburg überraschte Gregory Minoué dann auch sich selbst mit der schnellsten Vorlaufzeit (7,84 sec). Im Finale konnte er sogar noch eine Hundertstel schneller laufen und sicherte sich den Titel (7,83 sec). „Da war ich erstaunt, was abging und zum ersten Mal habe ich mir gedacht: Wenn ich das ernster nehme und disziplinierter trainiere, kann das richtig was werden mit dem Sport.“

Das unterstrich die weitere U20-Zeit, die neben zwei weiteren Titeln bei der Jugend-DM über 110 Meter Hürden auch den ersten Start im Nationaltrikot bei einer internationalen Meisterschaft mit sich brachte. Bei der U20-EM 2021 in Tallinn (Estland) stellte der junge Athlet als Fünfter seine Bestzeit über die 99,1 Zentimeter hohen Hürden auf (13,52 sec). Aus seinem ersten U20-Jahr steht übrigens auch schon die erste Finalteilnahme bei der Hallen-DM über die Männerhürde zu Buche. Ein Indiz dafür, dass die immer höher werdenden Hürden für ihn kein großes Problem darstellten.

Lehrreiche Jahre

Auch der offizielle Start in die Männerklasse verlief 2022 mit Bronze bei der Hallen-DM und ersten Zeiten unter 14 Sekunden über 110 Meter Hürden vielversprechend. Sowohl bei der Freiluft-DM der Männer wie auch der U23-DM musste dann aber auch Gregory Mionué die Tücken erfahren, die seine Disziplin mit sich bringt. Vielleicht auch, weil er zu viel gewollt hatte, erreichte der damals 20-Jährige nicht das Ziel.

Der Knoten platzte auch 2023 nicht. Der U23-Athlet, der nach seinem Abitur mit einem Minijob in seinem Verein etwas Geld dazu verdiente, qualifizierte sich zwar für die U23-EM in Espoo (Finnland), wo aber schon im Halbfinale Endstation war (14,00 sec). Auf nationaler Ebene gingen mit Gold bei der U23-DM (13,88 sec) und drinnen und draußen jeweils Bronze bei der Männer-DM zwar Erfolge in die Statistik ein und auch eine neue Bestzeit von 13,75 Sekunden. In der Freiluft-Saison behinderten aber schon Schmerzen das Training und machten es unmöglich, befreit im Wettkampf an den Start zu gehen. „Da habe ich zu lange versucht, die Zähne zusammen zu beißen und weiter zu trainieren.“ Diese Probleme stellten sich als Schambeinentzündung heraus - eine Zwangspause war unumgänglich. 

Untätig blieb der Hürdensprinter in dieser Zeit aber nicht, sondern zog nach Leipzig um. Dort schloss er sich der Trainingsgruppe von Alexander John an, der schon vorher als Bundestrainer für ihn zuständig gewesen war und auch dabei half, in die Sportförderung bei der Bundeswehr aufgenommen zu werden. „Mit diesem Schritt bin ich erst richtig zum Leistungssportler geworden. Mir wurde bewusst, dass Sport nicht nur auf dem Trainingsplatz stattfindet, sondern den ganzen Tag über, vom Schlafen über die Ernährung bis zur Regeneration.“

Eine Verbindung in die Heimat blieb über die Vereinszugehörigkeit bestehen. In den Jahren 2024 und 2025 startete Gregory Minoué für den TV Kalkum-Wittlaer, dem Verein, dem sich seine frühere Trainerin Antje Kirberg angeschlossen hatte. Treu blieb er auch seinem Management, den Tracksrunners Bonn. Hinter denen steckt ebenfalls ein Verein, für den der Hürdensprinter im kommenden Jahr an den Start gehen wird.

Neustart in den Leistungssport 

Als die Schambeinentzündung ausgeheilt war, konnte der sportliche Neuanfang im April 2024 so richtig beginnen. Wegen der verkürzten Vorbereitungszeit war die anschließende Sommersaison mit nur drei Wettkämpfen kurz. Auf der Habenseite standen dennoch der nächste Titel bei der U23-DM und eine neue Bestzeit von 13,70 Sekunden. Nach dem ersten kompletten Aufbautraining in Leipzig zeigten sich 2025 deutliche Fortschritte.

„Es ist etwas anderes, mit einer Gruppe auf meinem Leistungsniveau zu trainieren. Als ehemalige Hürdensprinter kann mir Alexander John außerdem sehr viel mit auf den Weg geben“, erzählt Gregory Minoué, der in der Hallensaison mehrfach Bestzeit lief und sich neben dem Vizetitel bei der Hallen-DM auch für seine erste Hallen-EM qualifizierte. Dort lief er ins Halbfinale. „Am Anfang meiner Karriere habe ich viel durch Talent erreicht, jetzt steckt professionelle Arbeit dahinter.“

Erste WM soll nur eine Zwischenstation gewesen sein

Wie schon im Winter stammen auch die bisher besten neun Freiluft-Zeiten der Karriere aus dem Jahr 2025. Dass er den Männerhürden mittlerweile auch mental gewachsen ist, zeigt vor allem der knappe Sieg bei den Deutschen Meisterschaften in Dresden. Dort erfüllte der Aufsteiger im Vorlauf mit der Bestzeit von 13,46 Sekunden auch erstmals die Bestätigungsnorm für die WM und sicherte sich damit das Ticket nach Tokio (Japan).

Dort bestätigte der Deutsche Meister im Vorlauf sein neues Leistungsniveau mit einer Zeit von 13,50 Sekunden und zog ins Halbfinale ein, in dem er noch einmal 13,56 Sekunden auf die Bahn brachte. „Das war eine sehr wertvolle Erfahrung. Bei einer WM sind die Wartezeiten mit Anfahrten, Warm-Up-Platz, erstem und zweiten Callroom und so weiter viel länger. Da bleibt viel Zeit zum Nachdenken. Nervosität baut sich auf. Daraus lerne ich.“ 

Die eingeschlagene Entwicklung soll weiter gehen. „Aus meiner Verletzung habe ich gelernt, dass es das wichtigste ist, gesund und fit zu bleiben“, sagt Gregory Minoué. „Ansonsten kommt es vor allem darauf an, technisch saubere Läufe zu haben. So erhöht sich das Grundniveau, der Körper gewöhnt sich daran und dann kommt die nächste Steigerung der Bestzeit.“ Die soll in den kommenden Jahren war nach unten gedrückt werden. Das würde auch Teilnahmen bei weiteren internationalen Meisterschaften ermöglichen, bei denen dann nicht im Halbfinale Schluss sein muss.

Video: Gregory Minoué im Tausendstel-Krimi vor Mordi

Das sagt Bundestrainer Alexander John:

Gregory ist in der U18 ein Quereinsteiger über die Hürden gewesen und dann schnell in die nationale Spitze nach vorne gekommen. Mit seinen Jugendmeistertiteln und Teilnahmen an der U20-EM und -WM hat er erstmals so richtig auf sich aufmerksam gemacht. Das hat er mit seinem Talent und einem breiten Grundlagentraining bei Antje Kirberg geschafft, das noch gar nicht so stark auf den Hürdensprint ausgerichtet war. 

Auch der Übergang zur Männerhürde ist ihm gut gelungen. Dann ging es aber nicht mehr ganz so weiter wie erhofft und Gregory hat sich entschieden nach Leipzig zu gehen, um sich noch professioneller aufzustellen. Er ist hoch talentiert und in jedem Training hoch motiviert. Am liebsten möchte er noch mehr trainieren und muss eher gebremst werden. Sein Bewegungsgefühl ist sehr gut, in der Physis steckt noch Potenzial. Er ist ein Rohdiamant, der noch ein bisschen geschliffen werden muss. Wenn er auch an den kleinen Baustellen weiter so akribisch arbeitet, ist noch mehr möglich in Richtung 13,20 bis 13,25 Sekunden. Dabei gilt es für ihn, seine Lockerheit zu bewahren.

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