| Leistungssteigerung

Carlo Paech springt in einer neuen Liga

Stabhochspringer Carlo Paech hat sein Leben innerhalb eines Jahres gleich zweimal auf den Kopf gestellt. 2014 sah die damalige Nachwuchshoffnung das Kapitel Sport wegen mentaler Probleme zu Ende gehen. 2015 dann die nächste 180-Grad-Wendung: Mittlerweile ist der Leverkusener beim Anhalt-Meeting vergangenen Freitag in Dessau bei 5,75 Metern angekommen und kann für die WM planen.
Pamela Ruprecht

Carlo Paech hat ein neues Level erreicht. In der Weltbestenliste rangiert er mit seiner Bestleistung derzeit auf Rang sechs, höhengleich mit Hallen-Weltmeister Konstadinos Filippidis (Griechenland) und dem U20-Weltmeister von 2012 Thiago Braz da Silva (Brasilien). Konstante Flüge über Weltklasse-Höhen. Damit stand der 22-Jährige – diese Saison der U23-Klasse entwachsen – bis zum Satz von Raphael Holzdeppe über 5,80 Meter in Eugene (USA) vorübergehend im Mittelpunkt der DLV-Stabis, was so überhaupt nicht zu erwarten war.

2014 war Carlo Paech ein halbes Jahr wegen mentaler Schwierigkeiten fast nicht mehr abgesprungen, im Training nur noch aus verkürztem Anlauf. „Ich habe mir das Loch immer tiefer gebuddelt“, blickt der Leverkusener heute zurück. In Absprache mit seinem damaligen Coach Jörn Elberding, dem DLV-Teamleiter, machte er eine sechsmonatige Pause und legte den Stab beiseite, hielt sich alternativ fit. Eine weise Entscheidung.

Sicherheit getankt

Nach der Auszeit kam schließlich im November 2014 der Trainerwechsel zu Michael Kühnke. „Seine ruhige Art hat mir den Druck genommen“, erzählt Carlo Paech. Druck, der sich womöglich aufbaut, wenn man U18-Vize-Weltmeister wird. Mit dem Wechsel ging es bergauf: In der zurückliegenden Hallensaison machte er einen Leistungssprung auf 5,65 Meter, wurde Deutscher Vizemeister und durfte bei der Hallen-EM in Prag (Tschechische Republik) starten, wo er das Finale knapp verpasste.

Seit Carlo Paech in der Konstellation mit Björn Otto (ASV Köln) und seinen Vereinskollegen Hendrik Gruber und Tom Konrad trainiert, hat er die mentale Stärke wieder, die Stabhochspringer benötigen. „Der Spaß kam zurück, der Kopf spielte dadurch mit.“ Der junge Athlet fliegt mit einer bisher nicht dagewesenen Sicherheit. Und die braucht man bei der komplexen Herausforderung Stabhochsprung. 

No Risk, no Fun

Kopfüber geht es in die Luft, Mut und Risikobereitschaft sind unabdingbar. „Es ist schon sehr extrem und nicht vergleichbar mit anderen Disziplinen der Leichtathletik und nur wenigen anderen Sportarten“, berichtet der Stabartist. Gemeint sind die sogenannten Risikosportarten. Etwa die waghalsigen Tricks beim Snowboarden. Oder noch krasser, aber in diese Richtung gehend, wie Carlo Paech befindet: Kletterer, die ungesichert Felswände erklimmen.

Der Kopf also das Wichtigste im Stabhochsprung? „Nur wenn der zu hundert Prozent da ist, funktioniert es am Ende.“ Sonst kann es eben schon mal sein, dass es gar nicht läuft. Passt irgendetwas nicht, laufen die Springer im Training durch oder brechen Sprünge ab. So eine Phase zu überwinden ist bemerkenswert. Anders als in der jüngsten Vergangenheit ist Carlo Paech mittlerweile voller Selbstvertrauen.

Anlauf-Verlängerung geplant

Auch Regen und Wind hielten ihn in Dessau nicht auf. „Natürlich wird das Springen dadurch nicht leichter.“ So musste Teamkollege Tobias Scherbarth mit einem Salto Nullo Vorlieb nehmen. Aber nach dem Regenschauer nutzte Carlo Paech den angenehmen Rückenwind und vierzehn Schritte Anlauf („das ist nicht die Welt“), um sich im dritten Versuch über 5,75 Meter zu schwingen.

Eigentlich wollte er im Paul-Greifzu-Stadion erstmals seinen Anlauf verlängern. Als er es im Einspringen aus sechzehn Schritten probierte, störte allerdings der Kasten der anderen Anlaufrichtung und auch der Seitenwind war nicht optimal.

In den nächsten Wochen will er um zwei bis vier Schritte erhöhen und dann auch andere Stäbe springen, um noch Reserven freizulegen. Denn er fühlt sich noch nicht am Limit. Als er nach seinem Siegessprung 5,81 Meter auflegen ließ, war der dritte Durchgang vielversprechend. Auch bei den drei Versuchen über 5,84 Meter in Recklinghausen „war schon ein guter dabei.“ Er tastet sich in höhere Sphären. „Wenn mal alles zusammenpasst, sollte so eine 80er-Höhe irgendwann schon mal liegen bleiben.“

Bestätigung der WM-Form

Trotz der ambitionierten Ziele für den Sommer dreht sich sein Leben nicht mehr nur um den Sport. Durch seine richtungsweisende berufliche Veränderung  im September 2014 – von der Sportfördergruppe der Bundeswehr ging es zur Bundespolizei - hat Carlo Paech neben dem Stabhochsprung einen zweiten Fokus. „Das hat mir enorm geholfen.“ Auch seither geht die Leistungskurve des Siebten der U20-EM von 2011 nach oben.

Mit der regelkonformen und damit Bestenlisten-fähigen Höhe in Dessau bestätigte Carlo Paech die WM-Norm und baute hinter Weltmeister Raphael Holzdeppe (LAZ Zweibrücken) Position zwei der deutschen Bestenliste um fünf Zentimeter aus. Da der Titelverteidiger gesetzt ist, bleiben noch drei weitere WM-Tickets für die DLV-Springer. Carlo Paech geht davon aus, dass die Stabis „mit vier Mann und einer starken Truppe“ nach China reisen.

Belebung des Stabhochsprung-Lagers

Und der Leverkusener will mit in den Flieger steigen, sich bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg (24. bis 26. Juli) endgültig qualifizieren. 2013 bei seiner ersten und bisher einzigen Aktiven-DM belegte er mit 5,60 Meter Platz fünf, ein paar Wochen vorher musste er einen Salto Nullo im Finale der U23-EM einstecken –  so die Bilanz seines letzten vollständigen Wettkampfjahres.

Mit seinem Niveau kann er sich gute Chancen auf eine Finalteilnahme bei der WM ausrechnen – und das mit Luft nach oben. Der überraschende Aufschwung von Carlo Paech belebt die deutsche Stabhochsprung-Szene.

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