| Rückblick

Der große Disziplin-Check 2015 – Langhürden Männer

Das Leichtathletik-Jahr 2015 neigt sich dem Ende entgegen. Hinter Athleten, Trainern und Fans liegen Monate voller Höhepunkte mit internationalen Meisterschaften der U18, U20 und U23 sowie mit Hallen-EM und WM der Männer und Frauen. Die abschließenden leichtathletik.de-Analysen zeigen, wie sich die einzelnen Disziplingruppen 2015 präsentiert haben. Heute: Langhürden Männer.
Harald Koken

2015 im Rückblick

Der Aufwärtstrend der Vorjahre konnte nicht fortgesetzt werden, mannigfache Stolpersteine brachten die Top-Akteure der einstigen Paradedisziplin gehörig aus dem Rhythmus. Für einen Silberstreif am Horizont sorgte zumindest Jonas Hanßen. Allerdings verzichtete der 20-Jährige vom niederrheinischen SC Myhl LA auf einen Start bei der U23-EM in Tallinn (Estland).

Nach einer gesundheitlichen Holperpartie im Frühjahr fühlte er sich für ein Turnier mit Vor-, Zwischen- und Endlauf nicht fit genug. Dennoch setzte der Youngster mit der Steigerung um 81 Hundertstel auf 49,87 Sekunden ein Achtungszeichen. Tadellos war auch der souveräne Sieg bei den Deutschen Meisterschaften in Nürnberg.

Ansonsten befand sich das Leistungsspektrum nicht auf dem hohen Niveau der Vorjahre. „Wir hatten uns vorgenommen mit drei Leuten zur WM zu fahren und mit zwei Leuten an der U23-EM teilzunehmen, doch keiner war dabei. Schlechter kann es wohl kaum laufen“, bringt der vorjährige EM-Fünfte Felix Franz (LG Neckar-Enz) Soll und Ist auf den Punkt. Aufgrund eines Virusinfektes musste er Ende Juni die Saison frühzeitig beenden.

Georg Fleischhauer (LG Eintracht Frankfurt) hat ein ähnliches Leistungsniveau angeboten wie im letzten Jahr, konnte aber nicht an die Spitzenzeiten von 2011 und 2012 anknüpfen. Varg Königsmark (SC Magdeburg), 2014 bei den Europameisterschaften Siebter, bereiteten die Achillessehnen Probleme. Frühzeitig beschloss er, in diesem Sommer auf Wettkämpfe zu verzichten. Ein Muskelfaserriss im linken Oberschenkel bremste Tobias Giehl (LG Stadtwerke München) aus.

Silvio Schirrmeister (LAC Erdgas Chemnitz), dessen Bestzeit bei 49,15 Sekunden steht, hat nach guter Vorbereitung die Saison sehr früh abgebrochen und seine leistungssportliche Laufbahn beendet, weil er Leistungssport und Beruf nicht miteinander verbinden konnte.

Christian Heimann (LAZ Puma Rhein/Sieg) setzte sich bereits Anfang Juni in Regensburg mit der Verbesserung auf 50,31 Sekunden in Szene, holte sich dann im benachbarten Belgien Wettkampfhärte, um schließlich bei der DM Bronze zu erkämpfen. „Darauf will ich jetzt aufbauen und unter 50 Sekunden kommen“, kündigte der 24-Jährige an.

In Lauerstellung befindet sich Joshua Abuaku (LAV Oberhausen), der bei der U20-EM überraschend zu Silber stürmte und dann bei der U20-DM in Jena mit dem neuen Hausrekord von 51,42 Sekunden den Titel einheimste.

Unsere Top Drei

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail jonas-hanssen _blank>Jonas Hanßen

SC Myhl LA, 20 Jahre
SB: 49,87 sec |  PB: 49,87 sec (2015)
DM: 1. Platz
WM: --
DLV-Jahresbestenliste 1.
Europäische Bestenliste: 19.
Welt-Jahresbestenliste: 81.

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail georg-fleischhauer _blank>Georg Fleischhauer

LG Eintracht Frankfurt, 27 Jahre
SB: 50,31 sec | PB: 48,72 sec (2011)
DM: 2. Platz
WM: --
DLV-Jahresbestenliste: 2.
Europäische Bestenliste: 36.
Welt-Jahresbestenliste: 129.

Christian Heimann

LAZ Puma Rhein/Sieg, 24 Jahre
SB: 50,31 sec | PB 50,31 sec (2015)
DM: 3. Platz
WM: --
DLV-Jahresbestenliste 2.
Europäische Bestenliste: 36.
Welt-Jahresbestenliste: 129.

Unser Hoffnungsträger

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail jonas-hanssen _blank>Jonas Hanßen

SC Myhl LA, 20 Jahre
SB: 49,87 sec | PB: 49,87 sec (2015)

Vor zwei Jahren war er Siebter der U20-EM, 2014 Vierter der U20-WM und nun hat Jonas Hanßen den Wechsel in die Aktivenklasse reibungslos bewältigt. Einen Start bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro (Brasilien) hat der Sportsoldat nicht in Planung, wohl aber die EM-Teilnahme in Amsterdam (Niederlande). Außerdem im Fokus: die U23-EM 2017 sowie die Heim-EM 2018 in Berlin.

Unser Pechvogel

<link https: www.leichtathletik.de nationalmannschaft athletenportraet athlet detail felix-franz _blank>Felix Franz

LG Neckar/Enz, 22 Jahre
SB: 50,85 sec | PB: 48,96 sec (2014)

Er wollte seinen deutschen Meistertitel erfolgreich verteidigen, U23-Europameister werden und bei der WM in Peking (China) mehr sein als nur Tourist. Doch aus alldem wurde nichts: Eine Virusinfektion warf Felix Franz in diesem Sommer völlig aus der Bahn.

2016 im Ausblick

Bei der EM in Amsterdam soll da angeknüpft werden, wo 2014 Achtungszeichen gesetzt wurden. Für Felix Franz gilt also sein fünfter Platz von Zürich (Schweiz) als Maßstab. Weil er gleichzeitig auch auf Olympia hinarbeitet, hat der 22-Jährige ein Urlaubssemester eingelegt und die Zuständigkeiten im Trainer-Team neu geordnet.

Georg Fleischhauer hat ebenfalls die Planung umgestellt und voller Enthusiasmus die Vorbereitung auf das Olympiajahr in Angriff genommen. "Ich bin hoch motiviert und werde alles geben, um an alte Zeiten anzuknüpfen", so der 26-Jährige. „Trainer Volker Beck und ich haben nochmal ausführlich die letzte Saison analysiert, Gedanken dazu ausgetauscht und vermeintliche Fehler identifiziert“, sagt der Team-EM-Teilnehmer. Anschluss finden wollen auch Varg Königsmark und Tobias Giehl.

Für U20-Vize-Europameister Joshua Abuaku gilt es, den Wechsel in die Männerklasse gut hinzubekommen. Kandidat für die ersten U18-Europameisterschaften in Tiflis (Georgien; 14. bis 17. Juli 2016) ist Frieder Scheuschner (HSG Universität Greifswald), der nach dem Vorjahressieg in der U16 nun Deutscher Meister der U18 wurde. Bringt er Schnelligkeit, Technik und Rhythmus in Einklang, sind sicher weit mehr als 52,89 Sekunden möglich.

Das sagt der Bundestrainer

Herr Beck, wie fällt Ihre Bilanz für das WM-Jahr 2015 aus?

Volker Beck:

Wir hatten die Vorstellung, mit drei Athleten bei der WM dabei zu sein. Wir mussten dann aber zuschauen, das war eine sehr bittere Pille. Auch weil es zum ersten Mal seit 2009 der Fall war, dass wir nicht bei einer WM vertreten waren. Es ist leider sehr deprimierend gewesen. Und das nach vier guten Jahren und den beiden Finalplätzen von Felix Franz und Varg Königsmark bei der EM in Zürich.  In diesem Jahr waren wir unerwartet richtig gebeutelt. Wir hatten viele Verletzte und Einschränkungen durch Krankheit. Jonas Hanßen hat sich in diesem Jahr sowohl in den Zubringerleistungen als auch in der Spezialdisziplin gut entwickelt. Joshua Abuaku hat bei der U20-EM den Vize-Meistertitel erringen können. Das ist erfreulich. Aber insgesamt war es ein absoluter Einbruch in diesem Jahr.

Was oder wer war für Sie das ganz persönliche Highlight der vergangenen Monate?

Volker Beck:

Es war sehr überraschend, wie Jonas Hanßen zunächst 49,87 Sekunden vorgelegt und sich dann als junger Bursche in Nürnberg den Meistertitel geholt hat. Joshua Abuaku hat sich ebenfalls gut entwickelt. Vize-Europameister bei den Junioren zu werden, das ist für ihn eine Riesensache und er wird sicherlich auch eine entsprechende Motivation daraus ziehen. Aber er hat auch ein bisschen vom gesamten Niveau profitiert. Denn der U20er-Jahrgang war in diesem Jahr auf europäischem Niveau relativ gemäßigt.

Mit welchen Aufgaben und Zielen gehen Sie in die EM- und Olympia-Saison 2016?

Volker Beck:

Felix Franz ist mittlerweile wieder im planmäßigen Training. Durch die lange Regenerationsphase hat er sich gut erholt. Er hat sein Training umgestellt, macht jetzt mehr bei Marlon Odom. Es gibt also eine etwas andere Orientierung. Aber sein alter Trainer Thomas Riegraf ist nach wie vor im Boot. Ich denke, das ist eine sehr gute Konstellation. Varg Königsmark hat nach überstandenen Problemen mit der Achillessehne das planmäßige Training wieder begonnen. Er ist momentan schmerzfrei. Dann hoffen wir, dass Tobias Giehl und Georg Fleischhauer im nächsten Jahr wieder an frühere Leistungen anknüpfen können. Zielstellung ist, mit drei Athleten an der Europameisterschaft teilzunehmen. Wir wollen in Amsterdam an die Leistungen von 2014 ankoppeln.

Respektive gilt das auch für die Olympischen Spiele. Mit zwei Athleten wollen wir mindestens Richtung Rio gehen. Drei der Kaderathleten haben schon einmal die Olympianorm unterboten: Felix Franz mit 48,96, Varg Königsmark mit 49,12 und Georg Fleischhauer ist 2011 48,74 Sekunden gelaufen. Sie haben also durchaus das Leistungsniveau, um die Olympianorm zu realisieren. Für Jonas Hanßen kommt Olympia wohl noch zu früh. Tobias Giehl ist in den letzten Jahren aufgrund von Einschränkungen weit hinter seinem Leistungsniveau geblieben. Wenn es ihm gelänge sich planmäßig vorzubereiten, würde ich ihm die Olympianorm auf jeden Fall auch zutrauen. Er hat 49,75 Sekunden als Bestleistung.

Zahlen und Fakten

Die Jahresbesten

49,87 sec - Jonas Hanßen (SC Myhl LA)
50,06 sec - Silvio Schirrmeister (LAC Erdgas Chemnitz)
50,31 sec - Christian Heimann (LAZ Puma Rhein/Sieg)
50,31 sec - Georg Fleischhauer (LG Eintracht Frankfurt)
50,85 sec - Felix Franz (LG Neckar/Enz)
51,21 sec - Quentin Seigel (LG Offenburg)
51,29 sec - Florian Handt (Dresdner SC 1898)
51,42 sec - Joshua Abuaku (LAV Oberhausen)
51,59 sec - Marcin Jablonski (LG Hannover)
51,77 sec - Michael Adolf (DJK Ingolstadt) 

Internationale Endkampf-Platzierungen 2015

WM: keine
U23-EM: keine
U20-EM: Joshua Abuaku (2. Platz; 51,46 sec)
U18-WM: keine

Entwicklung des Spitzenniveaus

JahrAthleten > 50,00 sec Schnitt Top Ten
2005 Christian Duma (49,17) 50,79
2006 Christian Duma (49,69) 51,11
2007 keiner 51,25
2008 keiner 51,43
2009 Thomas Goller (49,20), Christian Duma (49,95) 50,58
2010 Georg Fleischhauer (49,85), Silvio Schirrmeister (49,86) 50,85
2011 Georg Fleischhauer (48,72), David Gollnow (49,56), Varg Königsmark (49,70), Tobias Giehl (49,81) 50,4
2012 Silvio Schirrmeister (49,21), Georg Fleischhauer (49,37), Varg Königsmark (49,54), David Gollnow (49,69), Tobias Giehl (49,75) 50,14
2013 Silvio Schirrmeister (49,15), Varg Königsmark (49,62), Georg Fleischhauer (49,73) 50,30
2014 Felix Franz (48,96 sec), Varg Königsmark (49,12 sec), Silvio Schirrmeister (49,66 sec) 50,26
2015 Jonas Hanßen (49,87 sec) 50,87

Entwicklung Jahresbestleistungen

JahrDeutschlandEuropaDiffWeltDiff
2005 49,17 (C. Duma) 48,24 (Iakovakis/GRE) 0,93 47,24 (Clement/USA) 1,93
2006 49,69 (C. Duma) 47,82 (Iakovakis/GRE) 1,87 47,39 (Clement/USA) 2,30
2007 50,37 (T. Goller) 48,12 (Plawgo/POL) 2,25 47,61 (Clement/USA) 2,76
2008 50,81 (L. Hense) 48,52 (Plawgo/POL) 2,29 47,25 (Taylor/USA) 3,65
2009 49,20 (T. Goller) 48,27 (Greene/GBR) 0,93 47,91 (Clement/USA) 1,29
2010 49,85 (G. Fleischhauer) 47,88 (Greene/GBR) 1,97 47,32 (Jackson/USA) 2,53
2011 48,72 (G. Fleischhauer) 48,20 (Greene/GBR) 0,52 47,66 (van Zyl/RSA) 1,06
2012 49,21 (S. Schirrmeister 47,84 (Greene/GBR) 1,37 47,63 (Sanchez/DOM) 1,58
2013 49,15 (S. Schirrmeister) 48,05 (Bekric/SRB) 1,10 47,69 (Gordon/TRI) 1,46
2014 48,93 (F. Franz) 48,47 (Hussein/SUI) 0,46 48,03 (Culson/PUR) 0,90
2015 49,87 (J. Hanßen) 48,05 (Kudryavtsev/RUS) 1,82 47,79 (Bett/KEN) 2,08

Was auffällt

  • Der Kenianer Nicholas Bett gewann bei der WM in Peking überraschend Gold. Der Kenianer katapultierte sich in 47,79 Sekunden an die Spitze der Saison-Rangliste, von der er nicht mehr verdrängt wurde.
  • Der DLV musste den Ausfall einiger etablierter Athleten verkraften. Gleich vier von sechs B-Kader-Athleten beendeten die Saison frühzeitig, sodass jeder Leistungsvergleich zum Vorjahr hinkt. Die Messlatte für das nächste Jahr muss also beim Niveau von 2014 angelegt werden.
  • Nur ein einziger Läufer unterbot die 50-Sekunden-Schallmauer. 52,98 Sekunden reichten, um ins DM-Finale zu gelangen.
  • Trotz des vermeintlichen Rückschritts gibt es mit dem wieder genesenen Felix Franz einen Kandidaten für Rio 2016. Auch Georg Fleischhauer (48,72 sec) und Varg Könismark (49,12 sec) haben mit ihren Bestzeiten die Olympia-Norm von 49,20 Sekunden bereits unterboten.
  • In der U18 ist der jüngere Jahrgang stärker, jedenfalls belegen zwei 1999 Geborene die beiden ersten Plätze. Bei der Jugend-DM lagen gleich vier Läufer des jüngeren Jahrgangs vorn.

Video-Clips

Männer: <link video:12184>Abdelmalik Lahoulou bleibt unter 50 Sekunden
U23: <link video:12494>Jonas Hanßen durchbricht 50-Sekunden-Marke
U23: <link video:12307>Felix Franz verteidigt Titel
U20: <link video:13032>Joshua Abuaku mit Bestzeit zum Titel
U20: <link video:12491>Adolf mit EM-Norm, Coroller mit Meetingrekord
U18: <link video:12951>Frieder Scheusner nun auch U18-Meister
U16: <link video:13154>Anis Mokkadem zieht voll durch

Die weiteren Disziplin-Checks im Überblick

<link news:44070>Hürdensprint Frauen<link news:44067>
Hürdensprint - Männer
<link news:44046>Langstrecke - Frauen<link news detail der-grosse-disziplin-check-2015-langstrecke-maenner>
Langstrecke - Männer 
<link news detail der-grosse-disziplin-check-2015-mittelstrecke-frauen>Mittelstrecke - Frauen
<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-2015-mittelstrecke-maenner _blank>Mittelstrecke - Männer
<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-2015-400-meter-frauen _blank>400 Meter - Frauen
<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-2015-400-meter-maenner _blank>400 Meter - Männer
<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-2015-sprint-frauen _blank>Sprint - Frauen
<link http: www.leichtathletik.de news detail der-grosse-disziplin-check-2015-sprint-maenner _blank>Sprint - Männer

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024