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Landesrekord für Damian Warner, Platz vier bis sechs für DLV-Trio

Drei deutsche Zehnkämpfer brachten am Sonntag den Mehrkampf von Götzis zu Ende. Es war bis zuletzt ein Kampf um die Position des besten Deutschen, die sich schließlich als Vierter der WM-Dritte Kai Kazmirek sicherte. Dahinter gab's neue Bestleistungen sowie EM-Normen für Mathias Brugger und Niklas Kaul. Mit 8.795 Punktenk brillierte an der Spitze Damian Warner.
Silke Bernhart

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1.500 Meter

Brugger sichert sich den Disziplinsieg, Kazmirek die deutsche Krone

Nur sechs Zähler hatten ihm im Vorjahr zur 8.300 Punkte-Marke gefehlt. In diesem Jahr war die Marke fällig! Mathias Brugger nahm über 1.500 Meter selbst das Heft in die Hand und übernahm mit dem ersten Schritt die Führung, die er in neuer Bestzeit von 4:23,93 Minuten bis zur Ziellinie nicht mehr abgab. Der Lohn: 8.304 Punkte und Platz fünf im Weltklasse-Feld von Götzis.

Ein cleveres Rennen machte auch Kai Kazmirek, der sich bei seiner persönlichen "Zehnkampf-Achterbahn" unbedingt als bester Deutscher im Feld behaupten wollte. Er ließ Mathias Brugger nicht aus den Augen und zog dann an, als es nötig war. So sprang in 4:30,75 Minuten auch für ihn eine neue Bestzeit heraus, die ihm 8.329 Punkte und Rang vier der Gesamtwertung bescherte. Niklas Kaul biss mit muskulären Problemen im seitlichen Rücken die Zähne zusammen: 4:31,44 Minuten – eine Zeit, die ihn nicht großartig außer Atem brachte, aber es ging einfach nicht schneller. Mit 8.205 Punkten brachte er seinen ersten Männer-Zehnkampf auf Platz sechs zu Ende.

Den besten Zehnkampf seiner langen Karriere legte Damian Warner hin. Auch 4:26,59 Minuten waren zum Schluss noch einmal eine starke Leistung. Der wohl einzige Wermutstrophen: Zu den 8.800 Punkten fehlten fünf. Mit 8.795 Punkten verbesserte er seinen eigenen Landesrekord und setzte sich mit deutlichem Vorsprung an die Spitze der Weltjahres-Bestenliste. Dahinter machte auch der bis dato beste Zehnkämpfer des Jahres einen weiteren Schritt nach vorne: Maicel Uibo aus Estland wurde mit Bestleistung von 8.514 Punkten Zweiter. Mit 4:24,29 Minuten verdrängte Pieter Braun (Niederlande; 8.342 Pkt) Kai Kazmirek noch knapp vom Podestplatz.

STIMMEN ZUM WETTBEWERB:

Kai Kazmirek (LG Rhein-Wied):
Das war ein harter Kampf und ein Auf und Ab. Ich bin extrem unzufrieden, die Form war überhaupt nicht da. Nach dem Stabhochsprung hätte ich fast geweint. Dann habe ich mit meiner Freundin telefoniert und sie hat mir noch mal Mut zugesprochen. Ich wollte unbedingt bester Deutscher werden. Ein bisschen Glück war auch dabei, es war nicht gut, aber ich habe durchgezogen. Schon die 100 Meter sind ein guter Indikator für schnelle Beine – wenn die fehlen, fehlen auch die PS. Der Stabhochsprung alleine hat mich fast 200 Punkte gekostet. Wenn bis zur EM sonst noch überall ein paar Punkte dazu gekommen, bin ich zufrieden. Bei der EM will ich nicht nur dabei sein – da will ich eine Medaille gewinnen!

Mathias Brugger (SSV Ulm 1846):
Ich freue mich sehr – besonders darüber, dass alles gehalten hat! Mit neun von zehn Disziplinen bin ich zufrieden. Nach dem Stabhochsprung waren viele Emotionen weg. Ich musste nach dem Stabbruch mit meinem härtesten Stab springen, der eigentlich für 5,20 Meter gedacht war. Fast wollte ich auch den dritten Sprung über 5,00 Meter abbrechen, dann dachte ich: Ach komm, probier’s. Es ist verrückt, was einem da in so kurzer Zeit durch den Kopf schießt. Wie ich drüber gesprungen bin, weiß ich selbst nicht mehr. Der Speerwurf war dann schade, da hätte ich gerne sechs Meter weiter geworfen, das hat mich wohl den dritten Platz gekostet. Aber so ist es auch okay, der Rest war sensationell. Ich wusste, dass ich mich mental besser fühle als im Vorjahr. Was das jetzt für die EM-Qualifikation bedeutet? In drei Wochen wissen wir mehr!

Niklas Kaul (USC Mainz):
Ich habe mich schon beim Einwerfen vom Speerwurf verletzt – vielleicht ist es eine Zerrung oder ein Muskelfaserriss in der Rückenmuskulatur. Daher wusste ich, ich kann nur einen Versuch machen. Der war nicht unbedingt förderlich. Bis fünf Minuten vor den 1.500 Metern wusste ich gar nicht, ob ich laufen kann. Aber ich wollte doch gerne meinen ersten Männer-Zehnkampf durchbringen. Daher dachte ich: Ich laufe mal los und schaue, was passiert. Es ging halbwegs, aber es ist unbefriedigend, wenn du nach dem Zehnkampf ins Ziel läufst und merkst: Das war jetzt gar nicht anstrengend. Am zweiten Tag ist die Leichtigkeit vom ersten Tag verloren gegangen. Es war alles ein Kampf. 8.200 Punkte sind ja nicht dramatisch für den ersten Männer-Zehnkampf. Aber wenn man nach den Hürden denkt, es könnte in Richtung 8.400 Punkte gehen, dann ist es ärgerlich.

Speerwurf

Dämpfer für Brugger, Rakete von Kaul, Kampfansage von Kazmirek

Niklas Kaul hat den Speer schon über 70 Meter befördert. Und auch in Götzis gab er gleich im ersten Versuch eine Kostprobe seines Könnens: Mit 68,76 Metern schickte er den zweitweitesten Wurf der Konkurrenz in den Himmel. Anschließend aber krümmte er sich und hielt sich die Seite – es war ein schmerzhaftes Unterfangen, das von einem ungültigen Versuch und einem Verzicht gefolgt war. Aber auch ein punktereiches, denn 870 Zähler beförderten ihn im Gesamtklassement mit 7.470 Punkten vor bis auf Rang acht.

Niklas Kaul hat damit nur noch 49 Punkte Rückstand auf Mathias Brugger, der im Speerwurf gar nicht zurecht kam und sich mit 51,72 Metern begnügen musste. Beide sind gute 1.500 Meter-Läufer, ob der junge Mainzer den Ulmer sowie die weitere Konkurrenz noch herausfordern kann, wird nun aber erst einmal die physiotherapeutische Behandlung zeigen. Wenn sie ein gutes Rennen erwischen, sind die 8.300 Punkte für beide noch in Reichweite, Brugger braucht dafür aber eine neue Bestmarke in Richtung 4:24,00 Minuten, Niklas Kaul ist im Vorjahr auf dem Weg zum U20-Weltrekord schon 4:15 Minuten gelaufen.

Der pure Wille und sein großer Ehrgeiz halten Kai Kazmirek weiter im Kampf um die Podiumsplätze. Im Speerwurf rappelte er sich nach dem verpatzten Stabhochsprung wieder auf und arbeitete sich mit 61,53 Metern und insgesamt 7.589 Punkten wieder zurück in die Top Drei. Einsame Spitze: Damian Warner (61,94 m), der schon nach neun Disziplinen 8.028  Punkte gesammelt hat. Sein erster 8.800-Punkte-Zehnkampf ist noch im Bereich des Möglichen. Und dahinter auch für Maicel Uibo (61,75 m; 7.753 Pkt) eine neue Bestleistung, die bisher noch bei 8.407 Punkten liegt.

Stabhochsprung

Verrückte Welt: Einer verzichtet, einer hadert, einer sorgt für Standing Ovations

Dieser Stabhochsprung-Wettbewerb hatte aus deutscher Sicht wohl die gesamte Palette an Emotionen parat. Bei Rico Freimuth führte seine persönliche Gefühlslage sogar schon vorher dazu, dass er nicht mehr zu dem Wettbewerb antrat. Es war nicht der Körper, der ihn ausbremste, sondern der Kopf, der ihm sagte: Ich will nicht mehr, ich kann nicht mehr, wofür das alles? Im Gespräch mit den Journalisten erklärte der Zehnkämpfer, der seit 2011 an jeder großen internationalen Meisterschaft teilgenommen hat, er habe Motivationsprobleme. Ob er in Ratingen noch einen Angriff auf die EM-Tickets unternehmen wird, ließ er offen.

Niklas Kaul ließ mit einem glänzenden Sprung über 4,60 Meter Hoffnungen auf eine neue Bestmarke aufkeimen, die bei 4,80 Metern liegt. Nach 4,70 Metern war dann aber Endstation – ein solides Ergebnis. Dieselbe Höhe ging für Kai Kazmirek in die Ergebnislisten ein. Für den 5,20 Meter-Springer eine herbe Enttäuschung, der er auf der Matte lautstark Ausdruck verlieh, bevor er den Kopf in den Händen vergrub. Mit 6.828 Punkten rutschte er in der Gesamtwertung auf Rang sechs zurück, Niklas Kaul (6.600 Pkt) ist Zwölfter – seine zwei besten Disziplinen folgen jetzt.

Für Mathias Brugger dagegen erhoben sich die Zuschauer auf der Haupttribüne, als er sich nach seinem Auftritt in die Katakomben verzog. Der Ulmer hatte erst für einen Schreckmoment gesorgt, als ihm im ersten Versuch über 5,00 Meter mit einem lauten Knall der Stab gebrochen war. Wenig später stand er mit einem härteren Stab wieder am Anlauf. Zweimal kam er nicht bis in die volle Streckung. Mit dem dritten Sprung flog er blitzsauber über die Latte und meldete sich dann ab. Als Dritter (6.905 Pkt) hinter Damian Warner (4,80 m; 7.261 Pkt) und Maicel Uibo (5,30 m; 6.989 Pkt) nimmt er die letzten beiden Disziplinen in Angriff.

Diskuswurf

Zittern, Nerven bewahren – und dann vor auf Zwei, Drei, Vier

Die deutschen Zehnkämpfer machten es im Diskuswurf mit jeweils verunglückten ersten Versuchen spannend. Dann aber bewiesen sie fast durch die Bank Nervenstärke. Allen voran Rico Freimuth, der sich nach dem ersten guten Wurf nicht im Ring halten konnte, im zweiten dann aber 48,58 Meter nachlegte. Damit war er hinter Lindon Victor (Grenada; 48,82 m) der zweitbeste Werfer im Feld. Mit 6.005 Punkten auf dem Konto arbeitete er sich bis auf Rang drei der Zwischenwertung nach vorne.

Abgezockt präsentierte sich Mathias Brugger. Sein erster Versuch war verunglückt, fast entschied er sich dazu, ihn ungültig zu machen – ging dann aber doch hinten aus dem Ring heraus. Die Kampfrichter hatten den Wurf jedoch schon abgeschenkt und die Weite nicht gesteckt. Die Folge: Der Ulmer durfte nach einem Protest gleich noch einmal in den Ring steigen. Da flog der Diskus bis auf 46,04 Meter. Es war der zweitbeste Wurf seiner Karriere, mit dem er als Vierter (5.995 Pkt) seinen Platz in der Spitze behauptete.

Kai Kazmirek arbeitete sich nach einem 36-Meter-Wurf auf ordentliche 43,76 Meter nach vorne, in Götzis hat er nie weiter geworfen. Mit 6.009 Zählern wahrte er auf Rang zwei hinter dem weiter beeindruckend starken Damian Warner (47,32 m; 6.412 Pkt) noch drei Punkte Vorsprung auf Rico Freimuth. Niklas Kaul musste in der siebten Disziplin einen kleinen Dämpfer einstecken: Nur 42,01 Meter wurden für ihn in seinem besten Versuch gemessen, in Test-Wettkämpfen hatte er mit dem Männer-Diskus zuvor schon in Richtung 45 Meter geworfen. Er geht als Elfter (5.781 Pkt) in Richtung Stabhochsprung.

110 Meter Hürden

Geschlossen in die Top Ten: Glänzender Auftakt des DLV-Quartetts

Die deutschen Zehnkämpfer starteten hellwach in Tag zwei. Den Auftakt machte Niklas Kaul (USC Mainz), der im zweiten von fünf Rennen als Sieger die Ziellinie überquerte und nach einem Blick auf die Uhr die Faust ballte. 14,77 Sekunden – eine starke Zeit für den 20-Jährigen, dem wenig zu seiner Bestzeit von 14,50 Sekunden über die Jugend-Hürden fehlte. Auch Kai Kazmirek (LG Rhein-Wied) konnte mit seinen 14,42 Sekunden zufrieden sein, er war damit deutlich schneller unterwegs als im Vorjahr in Ratingen und London.

Das schnellste Rennen folgte zum Schluss. Nicht verwunderlich: Damian Warner (Kanada) hatte wieder einmal die Nase vorn, dieses Mal in 13,56 Sekunden. Dahinter blieb Rico Freimuth (SV Halle) als einziger weiterer Athlet ebenfalls unter der 14-Sekunden-Marke und konnte sich über 13,96 Sekunden freuen – eine gute Zeit in Anbetracht der Tatsache, dass der Vize-Weltmeister so einige Wehwehchen mit sich herumschleppt. Freudestrahlend quittierte Mathias Brugger (SSV Ulm 1846) seine Zeit von 14,24 Sekunden, erst einmal war er schneller.

In der Gesamtwertung orientieren sich die vier DLV-Mehrkämpfer hinter dem überragenden Damian Warner (5.597 Pkt) zunehmend geschlossen in Richtung Spitze. Kai Kazmirek (5.268 Pkt) verteidigte Platz zwei, Mathias Brugger (5.207 Pkt) schob sich auf den dritten Rang nach vorn, Rico Freimuth (5.164 Pkt) ist als Sechster zurück in den Top Ten, Niklas Kaul (5.075 Pkt.) lauert auf Rang neun. Ebenfalls einen starken Wettkampf macht der Dritte der Hallen-WM und Führende der Weltjahresbestenliste Maicel Uibo. Der Este startete in 14,66 Sekunden in den Tag und ist zurzeit mit 5.186 Punkten Vierter.

Mehr:

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Götzis 2018 in der ARD Sportschau
Die ARD zeigt im Rahmen der Sportschau ab 18:00 Uhr am Samstag und am Sonntag Zusammenfassungen vom Mehrkampf-Meeting 2018 in Götzis.

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<link>Tickets für die finale EM-Qualifikation in Ratingen (16./17. Juni)
<link>Mehrkampf-Tickets für die EM 2018 in Berlin

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