| Hallen-EM

Katarina Johnson-Thompson – Mit Stil am Weltrekord vorbei

Das muss ihr erst einmal jemand nachmachen: Katarina Johnson-Thompson hat bei der Hallen-EM in Prag (Tschechien) glatte 5.000 Punkte im Fünfkampf gesammelt. Damit hat die Britin mit großem Vorsprung die Goldmedaille gewonnen. Als die 22-Jährige beim abschließenden 800-Meter-Lauf erschöpft ins Ziel kam, war ihre Freude dennoch verhalten. Der Grund: Sie war nur 13 Punkte am Weltrekord vorbeigeschrammt.
Pamela Ruprecht

Man hat schon viele Punktzahlen in Ergebnislisten gelesen, nur keine so runde wie die von Katarina Johnson-Thompson. Ein kleines Kunststück, die 5.000 genau zu treffen. Dabei war das Timing eigentlich nicht auf ihrer Seite, die Punktlandung nicht ihr Traum. Als die Glocke zur letzten Runde der 800 Meter schrillte, hatte sie eine andere Zahl im Kopf: 5.013 – die Weltrekord-Marke der Ukrainerin Nataliya Dobrynska aus dem Jahr 2012.

Dafür musste eine Zeit von 2:11,86 Minuten her, im Freien war die Siegerin von Götzis (Österreich) schon 2:07 Minuten gelaufen, also ein mögliches Unterfangen. Sie kämpfte von Anfang bis zum Ende. Allein von der Spitze weg lag Johnson-Thompson lange auf Rekordkurs, aber die Zeit lief gegen sie. Nachdem die Mehrkämpferin die Ziellinie überquert hatte, blickte sie auf die Uhr und schlug die Hände über dem Kopf zusammen: 2:12,78 Minuten. Eine Sekunde zu langsam.

Weit- und Hochsprung sensationell

Statt freudestrahlend die britische Flagge hochzuhalten, vergrub sie sich darunter und saß so auf der Tartanbahn. Sicherlich in erster Linie erschöpft, aber auch wissend um die verpasste Chance. „Ich war so nah dran", lautete ihre erste Reaktion. „Ich hätte noch schneller laufen können.” Johnson-Thompson ist zwar noch jung, am Anfang ihrer Mehrkampf-Karriere. Nur wer weiß, wann so ein perfekter Fünfkampf wiederkommt.

Bis auf das Kugelstoßen, das mit 12,32 Meter noch ausbaufähig ist, hatte sie vor allem im Sprung-Bereich absolute Topleistungen abgeliefert: 1,95 Meter im Hochsprung und 6,89 Meter im Weitsprung, Landesrekord. Beide Resultate hätten bei den Spezialistinnen für eine Medaille gereicht. Und auch 8,18 Sekunden über 60 Meter Hürden sind stark.

Augenringe kein Hindernis

Mit großen Augenringen war sie in den Tag gestartet. Während die Zehnkämpfer beim Hallen-Mehrkampf pro Tag weniger Disziplinen als im Freien haben, müssen ihre Disziplinkolleginnen mit fünf Disziplinen am Tag Zehnkampf-Feeling tanken. „Es war hart, eine Disziplin nach der anderen und dazu ein früher Start“, sagte Johnson-Thompson nach der Siegerehrung.

„Ich hatte vergessen wie anstrengend das in der Halle ist. Meinen letzten Fünfkampf in der Halle habe ich 2012 gemacht.“ Am härtesten waren die 800 Meter für sie, eine ihrer vielen Stärken, bei denen sie den Rekord dennoch knapp verfehlte. „Als ich die Linie überquerte und sah, dass es nicht gereicht hat, war das schon bitter.“

Auch Morgan Lake verpasst Rekord

Aber zwei andere Bestmarken knackte Katarina Johnson-Thompson mit ihrer Punktezahl, mit der sie die Zweitplatzierte Belgierin Nafissatou Thiam (4.696 Punkte) um mehr als 300 Punkte distanzierte.  Alle Disziplinen zusammengerechnet ergaben für Katarina Johnson-Thompson einen neuen Meisterschaftsrekord und einen neuen Landesrekord, den bis dato Siebenkampf-Olympiasiegerin Jessica Ennis-Hill hielt.  

Johnson-Thompson war an diesem Tag nicht die einzige, die an einem globalen Rekord knapp scheiterte. Ihre Teamkollegin Morgan Lake, erst 17 Jahre alt, verpasste auf Rang neun mit neuer Bestleistung von 4.527 Punkten die U18-Weltbestleistung der schwedischen Olympiasiegerin Carolina Klüft um nur acht Punkte. Das Mehrkampf-Lager der Britinnen ist gut aufgestellt.

Über Manchester nach Götzis und Peking

Schon 2014 war Johnson-Thompson sehr gut drauf. Beim Mehrkampf-Meeting in Götzis (Österreich) stellte sie mit 6.682 Punkten die bis zum Jahresende unerreichte Weltjahres-Bestleistung im Siebenkampf auf. Aufgrund einer Stressfraktur am rechten Fuss konnte die neue Hallen-Europameisterin bei der EM in Zürich (Schweiz) aber nicht an den Start gehen. 2015 soll das anders werden: “Mein großes Ziel sind die Weltmeisterschaften in Peking“, sagt Johnson-Thompson im Hinblick auf den Sommer.

Zum Warm-Up in die Freiluftsaison startet sie bei den Great City Games in Manchester (9. Mai) im Hürdensprint und Weitsprung. In Götzis (30./31. Mai) könnte es schon zum ersten Aufeinandertreffen mit Landsfrau Ennis-Hill kommen, die nach ihrer Baby-Pause dort die Rückkehr in den Siebenkampf-Zirkus plant. Wer sich dann die Mehrkampf-Krone aufsetzen darf, wird sich zeigen.

Nach dem Erlebnis in Prag will Katarina Johnson-Thompson nicht so sehr auf Rekorde schauen, sondern sich auf die Verbesserung in den einzelnen Disziplinen konzentrieren. Einen historischen Wert hatte der Sieg mit 5.000 Punkten noch: Sie ist die erste Britin, der es gelang, im Fünfkampf einen EM-Titel in der Halle zu gewinnen. Als die Athletin in der Mixed-Zone davon erfuhr, fragte sie ungläubig: „Bin ich tatsächlich?“ Spätestens da konnte sie lächeln, und auch mit der Goldmedaille um den Hals war sie happy.

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024