Vor Veränderungen fürchtet sich Linda Stahl (TSV Bayer Leverkusen) nicht. Sowohl sportlich als auch beruflich hat sich die Speerwerferin schon immer gerne neuen Herausforderungen gestellt - bisher stets mit positivem Ausgang. Die Norm für die EM in Zürich (Schweiz; 12. bis 17. August) hat die Olympia-Dritte früh abgehakt und am Wochenende in Halle noch einmal bestätigt. Und für einen Job ist nach Abschluss ihres Medizinstudiums ebenfalls schon gesorgt.
Mal was Neues wollte Linda Stahl im Training ausprobieren. Die 28-Jährige tat es einfach und stellte ihren Anlauf um. Statt mit elf läuft sie nun mit 13 Schritten an. „Ich habe die Änderung meinem Trainer vorgeschlagen, weil ich mit Abstand immer den kürzesten Anlauf hatte. Obwohl ich vorn nicht die Langsamste war.“
Für Linda Stahl ist die Veränderung „nichts Großes“, aber sie zeigt schon jetzt ihre Wirkung. Zwar noch nicht Anfang Mai beim Auftakt in Doha, aber zuletzt mit zwei guten Würfen über die 63-Meter-Marke in Halle. „Die ersten beiden Wettkämpfe waren zum Reinkommen. Ich bin deutlich schneller vorn und muss das beim Abwurf erst mal umsetzen“, erklärt sie den „kleinen“ Vorteil ihres verlängerten Anlaufs.
Technische Fehler abstellen
Noch läuft die Erprobungsphase: „Das wird sich im Lauf der Saison noch einspielen und dann geht es auch noch weiter.“ Wie weit? Am liebsten natürlich zu einer neuen persönlichen Bestweite, die alte steht seit ihrem Goldtriumph vor vier Jahren bei den Europameisterschaften in Barcelona (Spanien) bei 66,81 Metern. „Wenn der Speer in diesem Jahr mal geradeaus fliegt, dann ist eine neue Bestleistung möglich.“
Die Flugbahn ihrer Würfe in Halle war noch nicht ideal. „Da waren auch noch zwei, drei technische Sachen dabei, die nicht so gut gelaufen sind“, betont Linda Stahl, die sich nach ihrem Wettkampf dennoch zuversichtlich zeigte, „die kleinen Fehler im weiteren Verlauf in den Griff zu bekommen“.
Bei der EM vorne mitspielen
Schließlich warten gleich zwei Saisonhöhepunkte – die Team-Europameisterschaft in Braunschweig (21./22. Juni) und die EM in Zürich - auf die derzeitige Nummer eins im deutschen Speerwurfteam. Aufgrund der Schwangerschaft von Weltmeisterin Christina Obergföll (LG Offenburg), sie erwartet Anfang Juli ihr erstes Kind, rückte Linda Stahl an ihre Position.
Erwartungsdruck spürt sie noch keinen, schließlich hat sie die erste Hürde EM-Norm bereits erfolgreich genommen. „Dass ich die Norm von 60,50 Meter auf jeden Fall werfen kann, das wusste ich. Das war nicht mein Ziel. Mein Ziel ist es, bei der EM vorn dabei zu sein.“
Wie es sich vorne anfühlt, erlebte sie 2010 in Barcelona und zwei Jahre später in Helsinki (Finnland), als sie mit der Bronzemedaille wieder heimfuhr. Dass es ausgerechnet bei Europameisterschaften so gut lief, kann sie sich nicht so recht erklären. „Für mich ist jeder Saisonhöhepunkt ein Höhepunkt und dementsprechend bereite ich mich immer gleich darauf vor, egal ob es nun Olympia, die WM oder die EM ist.“ Bei Olympia 2012 sei es mit Bronze auch nicht so schlecht gelaufen. Nur bei Weltmeisterschaften hakte es noch ein wenig.
Studien-Abschluss rückt näher
Richtig rund läuft es im Medizin-Studium. Anfang April legte Lind Stahl ihr schriftliches Examen ab. Abschließen wird sie ihr Studium in sechs Wochen mit der mündlichen Prüfung.
Der Arztberuf entwickelte sich bei ihr langsam zum Traumberuf. „Ich wusste bis zur 11. Klasse nicht, was ich werden wollte. Meine Eltern und mein Bruder sind Lehrer. Ich wusste, dass ich das nicht werden möchte.“ Bei einem Berufsorientierungstag kam ein Medizinstudent, berichtete von seinen Erfahrungen und steckte sie damit an. „Ich habe mich dann einfach mal dafür beworben. Für mich war es immer wichtig, neben dem Sport noch etwas Anderes zu machen.“
Job schon in der Tasche
Das Studium steht nun also kurz vor dem Abschluss. Und was kommt danach? Freudestrahlend kann Linda Stahl verkünden, dass sie ab Oktober in der Urologie im Klinikum Leverkusen arbeiten wird. „Ich werde versuchen, den Beruf irgendwie mit dem Sport zu vereinbaren.“ Bis zu den Olympischen Spielen 2016 in Rio wird es im Job noch etwas ruhiger zugehen, weil sie sich intensiv dem Training widmen will. „Aber ein kleiner Ausgleich tut schon ganz gut“, betont sie.
Ihr zukünftiger Arbeitgeber kommt ihr ebenfalls entgegen. „Ich habe mein Praktisches Jahr in der Urologie absolviert, fand es dort super und mein Chef meinte, dass er die Arbeitszeiten auf mich ausrichten würde“, sagt Linda Stahl, die darüber sehr froh ist. „Was Besseres kann mir eigentlich nicht passieren. Ich konnte das Angebot dort anzufangen einfach nicht ablehnen.“