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Martin Vogel – Neuer Weg und neue Stärke

Hürdensprinter Martin Vogel ist aus deutscher Sicht einer der Überraschungs-Teilnehmer der Hallen-Weltmeisterschaften in Portland (USA; 17. bis 20. März). Und das beste Beispiel dafür, dass ein neuer Weg manchmal direkter zum Ziel führt.
Silke Morrissey

Nicht einmal er selbst hätte gedacht, dass er so schnell laufen kann. Aber nach dem Zieleinlauf der Deutschen Hallenmeisterschaften in Leipzig hatte er es schwarz auf weiß: Martin Vogel, LAC Erdgas Chemnitz, Bronze über 60 Meter Hürden in 7,67 Sekunden. Seine vier Jahre alte Hallen-Bestzeit schraubte der 23-Jährige in dieser Hallensaison um stolze 16 Hundertstel nach unten – schon im Vorlauf der Hallen-DM war er in 7,74 Sekunden schnell wie nie gewesen.

Die große Belohnung folgte drei Tage später: Martin Vogel wurde in das deutsche Aufgebot für die Hallen-Weltmeisterschaften in Portland berufen. Ein Start im Nationaltrikot – fünf Jahre nach seinen letzten internationalen Meisterschaften, der U20-EM 2011 in Tallinn (Estland), wo der Chemnitzer Sechster wurde. Was war dazwischen passiert?

Ausbildung und 20-Stunden-Job

„Ich habe schon manchmal gehört, dass ich Talent habe, aber nichts daraus mache“, sagt Martin Vogel – wie so oft wohl nur ein Teil der Wahrheit. Sein Talent bescherte ihm 2012 noch eine neue Freiluft-Bestleistung von 13,93 Sekunden und den deutschen Titel bei den U23-Junioren. Danach ging nicht mehr viel. Schaut man genauer hin, gibt es dafür mehrere Gründe.

Martin Vogel musste sich früh mit der beruflichen Laufbahn neben dem Sport beschäftigen. Nach dem Realschul-Abschluss absolvierte er eine Ausbildung zum Elektroniker bei einem Sponsoren seines Vereins. Anschließend arbeitete er in einer 20-Stunden-Woche bei einem weiteren Partner des LAC Erdgas Chemnitz. „Die Doppelbelastung war groß“, blickt Martin Vogel zurück, auch wenn er beiden ehemaligen Arbeitgebern dankbar dafür ist, dass sie ihm als Leistungssportler viele Freiräume ließen.

Zwischen Schmerz und Hoffnung

Bessere Bedingungen sollten Ende 2013 ein Wechsel zur Landespolizei Sachsen und eine Ausbildung in der Sportfördergruppe schaffen. Aber sportlich folgte nicht der erhoffte Aufschwung, immer wieder bremsten Martin Vogel Verletzungen aus. Aufgrund einer Leistenzerrung musste er alternativ trainieren, schuftete viel im Kraftraum, eine Dysbalance verursachte Druck auf einen Nerv. „Ich hatte ständig Schmerzen beim Rennen“, erinnert sich Martin Vogel.  

Zwei Jahre lang finden sich von dem Chemnitzer keine Resultate in den Bestenlisten. Winzige Hoffnungsschimmer gaben die Motivation zum Weitermachen. „Ich habe ganz ohne Training nach der Saison super Tests gemacht, zum Beispiel über 30 Meter fliegend“, erklärt Martin Vogel. „Da habe ich mir gedacht: Ich kann doch laufen, ich bin doch schnell!“

2015 meldete er sich mit 7,86 Sekunden in der Halle und 14,00 Sekunden im Freien wieder zurück. Als Durchbruch kann man diese Zeiten wohl nicht bezeichnen. So wurde Ende des Jahres auch die Zusammenarbeit mit seinem langjährigen Trainer Jörg Bretschneider auf den Prüfstand gestellt, der unter anderem mit der Vierten der U23-EM Franziska Hofmann und U20-EM-Finalist Patrick Elger (beide LAC Erdgas Chemnitz) zwei weitere große Talente betreut.

Umzug nach Leipzig

Es war klar: Wenn Martin Vogel weiter als Spitzensportler in der Sportfördergruppe der sächsischen Polizei bleiben will, muss sich etwas ändern. Den entscheidenden Impuls gab Bundestrainer Jan May. Dieser gab ihm schließlich in seiner Leipziger Trainingsgruppe, der auch der Fünfte der Hallen-DM Maximilian Bayer angehört, eine neue Chance. „Als Trainer hat man ein Auge dafür, ob jemand talentiert ist“, sagt Jan May. „Martin ist talentiert – aber er ist keiner, dem alles sofort zufliegt.“

Will heißen: Weitere Erfolge müssen zielstrebig und konsequent erarbeitet werden – womit auch Verzicht verbunden ist. Der Hürdensprinter brach Ende 2015 seine Zelte in Chemnitz ab und wohnt seitdem in Leipzig in einer Unterkunft der Polizei. „Ein Zimmer mit Gemeinschaftsbad und -küche“, erklärt er.

Dass sich dieser Verzicht auszahlt, zeigt der überraschende dritte Platz bei der Hallen-DM. „Das war ein ganz großer Erfolg für mich“, bestätigt Martin Vogel. Er selbst habe ihn nicht kommen gesehen („Ich habe deutlich weniger trainiert als in Chemnitz und hatte wegen einer Zerrung auch drei Wochen Trainingsausfall“), wohl aber sein neuer Trainer. „Ich habe ihn ja im Training gesehen und wusste: Wenn er gesund bleibt, kann er schnell sein“, sagt Jan May.

24. Geburtstag in Portland

Seit Freitag weilt das Duo nun gemeinsam in Portland. Bei den Welt-Titelkämpfen darf sich der Chemnitzer erstmals auf der Weltbühne mit starker Konkurrenz messen. Ob das in den vergangenen Tagen noch mal Kräfte freigesetzt hat? „Nach Leipzig war ich ehrlich gesagt ziemlich platt, auch mental“, gesteht er, „da konnte ich mich zunächst im Training schwer motivieren.“

Vielleicht weckt ein besonderer Tag kurz vor der WM-Premiere noch einmal Reserven: Am Mittwoch (16. März) feiert Martin Vogel in Portland seinen 24. Geburtstag. Das schönste Geschenk wäre für ihn der Einzug ins Finale vier Tage später. Trainer Jan May ist zurückhaltender: „Ich wünsche mir, dass er in Portland voller Motivation antritt. Wenn er seine Technik abruft, kann er es ins Halbfinale schaffen und dort seine Bestleistung angreifen.“ Sein Tipp für seinen Schützling kann gleichermaßen für viele andere Athleten des jungen DLV-Teams gelten: „Keine Angst vor großen Namen!“

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