| Interview

Niklas Kaul: „Im Herzen bin ich Zehnkämpfer“

Ein junger Zehnkämpfer stahl im Speerwurf allen die Show: Niklas Kaul hat am Sonntag bei den Halleschen Werfertagen eine neue deutsche U18-Bestleistung aufgestellt. Der Mainzer schleuderte sein 700 Gramm schweres Arbeitsgerät auf sensationelle 83,94 Meter. Im Interview sprach der 17-Jährige über seine neue Bestweite, den perfekten Wurf und seine Liebe zum Mehrkampf.
Sandra Arm

Niklas Kaul, herzlichen Glückwunsch zu dieser fantastischen Leistung. Im sechsten Versuch wollte der Speer gar nicht mehr landen. Wo haben Sie die Weite hergenommen?

Niklas Kaul:

Ich habe selbst keine Ahnung. Ich war schon mit meinen 78,67 Metern aus dem ersten Durchgang zufrieden. Die bedeuteten nämlich ebenfalls schon deutschen Jugendrekord. Das war auch mein Ziel für diese Saison, den Rekord von Tom Meier anzugreifen. Ich hätte aber nie gedacht, dass ich 83,94 Meter werfen kann.

Das heißt, die Weite hat sich noch nicht einmal im Training angedeutet?

Niklas Kaul:

Nein, das hat sie dort überhaupt nicht. Ich hatte mal einen Wurf im Wettkampf auf 79 Meter, der mir aber ungültig gegeben wurde. Die 83,94 Meter haben mich selbst überrascht.


War das für Sie der perfekte Wurf?

Niklas Kaul:

Den perfekten Wurf, sagt mein Trainer, gibt es nicht. Aber er war für meine Verhältnisse schon nah dran an der Perfektion.

Was hat für Sie zum perfekten Wurf noch gefehlt?

Niklas Kaul:

Ein paar Kleinigkeiten, welche ich aber jetzt selbst noch nicht benennen kann. Dazu muss ich mir den Wurf noch einige Male ansehen.

Was lief bei dem Versuch anders als bei den vorherigen Würfen?

Niklas Kaul:

Am Ende des Wettkampfs war ich einfach locker. Ich wusste, ich habe gewonnen und habe dann einfach gedacht, jetzt werfe ich noch mal einen locker raus.

Haben Sie bereits beim Abwurf gemerkt, dass der Speer richtig weit fliegt?

Niklas Kaul:

Ja, in dem Moment, wo der Speer meine Hand verlassen hatte, habe ich gemerkt, dass es ein ganz starker Wurf ist und noch mal an die 78 Meter gehen kann. Als ich dann gesehen habe, wie er hinten immer weiter gesegelt ist - das Gefühl kann man einfach nicht beschreiben.

Und wie war das Gefühl, als Sie die Weite erfahren haben?

Niklas Kaul:

Erstmal ist man für zehn Sekunden sprachlos. Im nächsten Moment denkt man, ob sich die Kampfrichter vielleicht vermessen haben. So richtig realisiert habe ich die Weite immer noch nicht. Das wird jetzt wohl ein, zwei Tage dauern, um die Leistung richtig einzuordnen.

Die starke Leistung wird sicherlich nur schwer zu toppen zu sein, oder?

Niklas Kaul:

Für mich ist es eine Bestleistung, die ich in diesem Jahr wohl nicht mehr erreichen kann. Für mich gilt es in den kommenden Wettkämpfen, an die Leistung heranzuwerfen.

Sie kommen eigentlich aus dem Mehrkampf, waren 2013 schon Deutscher U16-Meister im Neunkampf. Haben Sie nach dieser Leistung nicht Ambitionen, sich nur noch auf den Speerwurf zu konzentrieren?

Niklas Kaul:

Nein, ich werde trotz dieser Leistung jetzt kein Speerwerfer werden (lacht) - und möchte beim Zehnkampf bleiben. Es hat so alles gut funktioniert, warum sollte man am Training irgendetwas umstellen. Vom Herz her bin ich Zehnkämpfer.

Im Mehrkampf würde es für solch eine Weite sicher reichlich Punkte geben...

Niklas Kaul:

Na klar, aber die Weite muss man erstmal nach den anderen acht Disziplinen abrufen. Im Mehrkampf ist es immer schwer, weil man bereits eineinhalb Tage in den Knochen hat, bis man zum Speerwerfen kommt. Man fühlt sich in dem Moment schon eher platt. Ich glaube nicht daran, dass es noch mal in die Richtung gehen kann. Über 70 Meter wären für mich schon eine gute Weite.

Gehört der Speerwurf zu Ihren Lieblingsdisziplinen im Mehrkampf?

Niklas Kaul:

Ja, absolut. Stabhochsprung zählt aber ebenso dazu.

Mit der Leistung aus Halle haben Sie sich nun für die U18-Weltmeisterschaften in Cali (Kolumbien; 15. bis 19. Juli) empfohlen. Können Sie sich vorstellen, auch in der Einzeldisziplin anzutreten?

Niklas Kaul:

Natürlich kann ich mir das vorstellen. Wir haben nur einen Zehnkampf – und dort kann man auch sehr schnell mal wegen Stabhochsprung oder Diskus aus dem Wettkampf fliegen. In welcher Disziplin ich in Kolumbien starten will, hängt jetzt sehr stark davon ab, wie der Zehnkampf verläuft und in welcher Disziplin ich mir mehr Chancen auf ein gute Platzierung ausrechne.

Die Speer-Norm haben Sie nun mit einer spektakulären Leistung abgehakt, die Norm im Mehrkampf steht noch aus...

Niklas Kaul:

Ja, die Norm im Zehnkampf. Sie steht bei 7.200 Punkten. Die wird jetzt in Bernhausen in Angriff genommen. Ich denke, wenn ich sauber durch den Wettkampf komme, dann sollte die Norm möglich sein. Aber der Zehnkampf ist immer ungewiss. Von der Form sieht es aber ganz gut aus.

Wie verlief Ihre Vorbereitung auf den Sommer?

Niklas Kaul:

Ganz gut, weil ich verletzungsfrei durch den Winter gekommen bin. Das sah im vorherigen Winter noch ganz anders aus, als ich Probleme mit dem Hüftbeuger hatte und deswegen eine Zeit lang nicht laufen konnte. Der anschließende Sommer lief von den Leistungen, die ich in den Wettkämpfen gebracht habe, sehr gut. Es hat aber immer so ein kleiner Tick zu den Deutschen Meisterschaften gefehlt, um ganz vorn mitzumischen.  

Wie soll der Sommer 2015 werden?

Niklas Kaul:

Natürlich wäre es schön, wenn die Sachen, die im vergangenen Jahr ein kleines bisschen gefehlt haben, in diesem Sommer funktionieren. Dieser kleine Tick an Leistung, um dann vielleicht die Deutschen Meisterschaften zu entscheiden oder für meine Verhältnisse in Kolumbien eine gute Leistung abzurufen.

In welchen Disziplinen sehen Sie noch Reserven?

Niklas Kaul:

Vor allem in den Sprints. Ich bin kein begnadeter Sprinter. In den Sprüngen fehlt noch das letzte Timing, aber das sollte ich bis Bernhausen noch abstellen können.

Wie schätzen Sie die direkte Konkurrenz aus dem deutschen Lager ein?

Niklas Kaul:

Die war in den vergangenen Jahr schon sehr gut aufgestellt. Es sind natürlich drei, vier starke Athleten in meinem Altersbereich dabei, aber wer davon der Stärkste ist, das wird sich erst in Bernhausen abzeichnen. Man muss schauen, wer ist fit und wie sind die anderen deutschen Jungs über den Winter gekommen. Vieles hängt im Wettkampf auch von der Tagesform ab.

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