2013 wurde Robert Polkowski über 100 Meter Dritter der U20-EM und holte Silber mit der Staffel. Seitdem musste der 22-Jährige immer wieder Rückschläge verkraften. So im Juni letzten Jahres, als im Training das Syndesmose-Band riss und EM- sowie Olympia-Hoffnungen zerstörte. Im Interview spricht der Sprinter unter anderem über die Motivation weiterzumachen, den Stellenwert von Nationalmannschafts-Berufungen und den Wechsel vom LT DSHS Köln zum TSV Bayer 04 Leverkusen.
Robert Polkowski, wie läuft's?
Robert Polkowski:
Schleppend. Ich bin immer noch nicht topfit. Ich kann zwar schnell rennen, bin aber noch lange nicht am Maximum. Aber es ist ja auch erst März. Da muss man noch nicht bei 100 Prozent sein.
Sie haben nur eine Mini-Hallensaison absolviert mit drei Starts über 60 Meter. Empfinden Sie die 6,74 Sekunden in Luxemburg und 6,72 Sekunden acht Tage später bei der Hallen-DM in Leipzig als nicht gut genug?
Robert Polkowski:
Ganz im Gegenteil. Ich war sehr froh, bereits im Winter schon auf der Bahn stehen und mich der Konkurrenz stellen zu können. Bei den Deutschen Hallenmeisterschaften in Leipzig bin ich aber auch mit Problemen in der Kniekehle gelaufen und hatte schon im Vorfeld Fußprobleme. Und beide Probleme habe ich immer noch, was mich ein wenig ärgert. Ich arbeite daran, es wird auch zunehmend besser, aber ich bin halt nicht komplett beschwerdefrei.
Blicken wir zurück auf letzten Sommer: In Regensburg sind Sie nur um zwei Hundertstel an der persönlichen Bestzeit von 10,33 Sekunden vorbeigeprescht. Dann kam die Verletzung, sicher ein schwerer Nackenschlag.
Robert Polkowski:
Das in der Relation beste Rennen der Saison hatte ich im Vorlauf der Deutschen Meisterschaften in Kassel, wo ich bei Regen und 2,6 Metern Gegenwind noch eine 10,50 gerannt bin. Die Form kam also. Ich bin immer besser in Tritt gekommen. Dann habe ich die EM-Nominierung erhalten. Da war erst einmal alles cool. Aber eine Stunde, nachdem ich die Mail mit der Nominierung gekriegt hatte, lag ich schon beim Arzt und wusste, dass ich eine Woche später operiert werde. Das war ein schwerer Schlag. Und die Olympiasaison war verpatzt. Aber man muss auch mit solchen Rückschlägen klarkommen. Insofern hat es auch einen Lerneffekt mit sich gebracht.
Wie sieht dieser Lerneffekt konkret aus?
Robert Polkowski:
Ich wusste, ich bin raus. Aber schon zwei Tage nach der OP habe ich bereits wieder mit Übungen angefangen, Gewichte mit den Armen gestemmt. Ich habe mich da selber kennengelernt, mir viele Gedanken machen können. Das hat mir gezeigt, wie sehr ich am Sport hänge. Das war eine wichtige Erkenntnis und zeigt, dass ich selbst in schlechten Zeiten noch Motivation habe weiterzumachen. Diese Erkenntnis hat mich glücklich gemacht.
Wie geht's jetzt weiter?
Robert Polkowski:
Zunächst geht es darum, dass ich mich stabilisiere. Ich bin seit 2013 nicht mehr gesund gewesen. 2014 hatte ich Beugerprobleme, 2015 habe ich krankheitsbedingt ausgesetzt. 2016 kam dann der Riss des Syndesmose-Bandes. Ich hatte seit 2013 keine Saison mehr, in der ich durchtrainieren konnte, in der ich anständiges Training über einen längeren Zeitraum hatte. Ich habe mir in Leipzig bewiesen, dass ich wieder schnell rennen kann, ohne viel dafür zu tun. Dass ich so nahe an meine Bestzeit heran renne, ist für mich ein Zeichen, dass ich mich in den Jahren davor nicht ausgereizt und das Maximum herausgeholt habe. Es geht noch mehr. Es ist schade, dass ich bisher so wenig daraus gemacht habe.
Wie sehen die nächsten Wochen aus?
Robert Polkowski:
Am Donnerstag fliege ich mit dem DLV-Kader nach Florida und hoffentlich auch mit zur Staffel-WM auf die Bahamas. Wenn ich da auf der Bahn stünde, wäre das eine absolute Genugtuung. 2015 habe ich die U23-EM in Tallinn schon krankheitsbedingt verpasst und im letzten Jahr die EM in Amsterdam. Das deutsche Trikot tragen zu dürfen, empfinde ich als absolute Ehre. Zweimal war ich nominiert, zweimal bin ich nicht in den Genuss gekommen. Das war enttäuschend. Ich will alles dafür tun, wieder das Nationaltrikot zu tragen.
Gibt es Gedanken an die Weltmeisterschaften Anfang August in London (Großbritannien)?
Robert Polkowski:
London ist noch lange hin. Meine oberste Priorität ist es, eine Basis zu schaffen, dass ich beschwerdefrei rennen kann. Das ist das absolute A und O. Es gibt für mich nichts Wichtigeres. Man kann den Spaß verlieren, wenn man immer nur verletzt ist. So weit ist es bei mir zum Glück noch nicht gekommen. Aber ich fühle mich natürlich wohler, wenn ich gesund bin. Es liegt also noch viel harte Arbeit vor mir, die ich aber gewillt bin zu verrichten. Die Deutschen Meisterschaften in Erfurt stehen natürlich ganz dick im Kalender. Da werde ich alles versuchen, um mich für London zu empfehlen.
Der Wechsel von Köln nach Leverkusen hat viele überrascht.
Robert Polkowski:
Mich auch. Ich bin immer Kölner gewesen, bin in Köln geboren, bin für die TFG Nippes, den ASV Köln und das LT DSHS Köln gestartet. Mein Herz schlägt für Köln. Aber es war einfach Zeit, neue Wege zu gehen. Ich muss an der Stelle einmal meine absolute Dankbarkeit gegenüber dem TSV Bayer 04 Leverkusen zum Ausdruck bringen. Ich habe Hans-Jörg Thomaskamp kontaktiert und hatte dann bald ein Gespräch mit Paul Heinz Wellmann. Es ist überhaupt nicht selbstverständlich, dass man einen Athleten unter Vertrag nimmt, der gerade eine Operation hinter sich hat und von dem man nicht weiß: Wird der überhaupt noch einmal schnell rennen können? Das war ein Vertrauensbeweis und schön zu erfahren, dass jemand an einen glaubt.
Was hat sich im Training geändert?
Robert Polkowski:
Ich trainiere weiterhin bei Thomas Prange, aber wir haben die Trainingspläne angepasst, so dass ich auch vom Wissen von Hans-Jörg Thomaskamp profitiere. Er ist ein sehr guter Trainer, hat ein sehr gutes Auge. Mein Plan ähnelt im Rhythmus dem von Aleixo-Platini Menga sehr. Wenn er sprintet, sprinte ich auch. Wenn er Kraft macht, mache ich auch Kraft. Somit bin ich fast täglich in Leverkusen und habe eine wunderbare Infrastruktur vorgefunden. Ich bin sehr glücklich hier zu sein.