Sie ist eine feste Konstante unter den deutschen Leichtathleten. Silke Spiegelburg war seit 2001 in jedem Jahr bei mindestens einem internationalen Großereignis mit dabei. Bis zu diesem Sommer: Ein Haarriss im Kahnbein zwang die Stabhochspringerin zum Saisonabbruch. Wie die 28-Jährige diese Pause genutzt hat, warum sie sich ohne Stab wie ein Hund an der Leine fühlt und warum sie in der vergangenen Woche zu einer Zeitungs-Ente wurde, erzählt die Leverkusenerin im Interview mit leichtathletik.de.
Silke Spiegelburg, in der vergangenen Woche meldete eine große Tageszeitung im Raum Stuttgart Ihren vermeintlichen Vereinswechsel zum VfB Stuttgart – eine Ente, wie sich nur einen Tag später herausstellte. Können Sie aufklären, wie es zu dieser Falschmeldung kam?
Silke Spiegelburg:
Als ich das gelesen habe, musste ich sehr lachen. Irgendein Redakteur hat da Eins und Eins falsch zusammengezählt. Über Stille Post hatte sich herum gesprochen, dass ich nach Stuttgart gezogen bin. Als dann der VfB zu einer Pressekonferenz geladen hatte und in der Vorankündigung mitteilte, auf der PK einen neuen Top-Athleten im Verein vorstellen zu wollen, wurde fälschlicherweise ich als Neuzugang gehandelt. Der neue Top-Athlet in Stuttgart ist aber der Dreispringer Martin Jasper. Ich wohne und trainiere lediglich hier.
Sie sind aus privaten Gründen mit Ihrem Mann nach Stuttgart gezogen und haben Leverkusen damit nach neun Jahren den Rücken gekehrt. Eine leichte Entscheidung?
Silke Spiegelburg:
Nein, aber eine wohlüberlegte. Mein Mann hat hier einen guten Job gefunden und für mich war klar, dass ich mit dem Leistungssport weiter machen will. Also habe ich mir hier alles in Ruhe angeschaut, mir Tipps von Freunden und Bekannten geholt und muss sagen: Ich habe es hier gut getroffen. Die neue Halle ist super, so dass ich hier genauso gute Trainingsbedingungen wie in Leverkusen vorfinde und mich in den zwei Wochen, die ich bislang hier bin, schon gut eingelebt habe. Ich kann hier auch gut mein isokinetisches Training fortsetzen, das ich nach meiner Verletzung derzeit brauche. Außerdem ist mein Trainer Andrei Tivontchik nun mehr in meiner Nähe und kommt zweimal in der Woche zum Training vorbei – das ist ein Vorteil.
Der Trainerwechsel von Ihrem langjährigen Trainer Leszek Klima zu Andrei Tivontchik verlief schleichend. Welche Vorteile bringt dieser Wechsel für Sie neben der neuen, örtlichen Nähe mit sich?
Silke Spiegelburg:
Nach Olympia 2012 brauchte ich neue Impulse. Wenn man so lange wie Leszek und ich zusammen gearbeitet hat, dann wird man irgendwann betriebsblind, das ist ganz normal. Am Anfang ist Andrei daher einmal in der Woche nach Leverkusen gekommen und hat plötzlich ganz neue Dinge gesehen, die uns schon gar nicht mehr aufgefallen sind. So ein frisches Paar Augen bringt manchmal wirklich frischen Wind. Das war auch der ausschlaggebende Grund für meinen Trainerwechsel. Leszek und ich haben uns ja nicht zerstritten, im Gegenteil, beide Seiten haben Verständnis für diese Entscheidung. Ich erlebe unter Andrei eine für mich ganz neue Art des Coachings und fühle mich da manchmal tatsächlich wieder wie ein Schulkind, aber mir tut das unglaublich gut, da es mir auch viel neue Motivation beschert hat. An Motivation hat es mir zwar nie gemangelt, aber man darf nicht vergessen, ich bin seit meinem 18. Lebensjahr immer voll dabei und habe mir auch selten Pausen gegönnt. Jetzt ist der Spaßfaktor aber wieder deutlich angestiegen.
Vielleicht auch, weil Sie eine unfreiwillige Pause einlegen konnten. Anfang Juni mussten Sie die Saison mit einem Haarriss im Kahnbein abbrechen. Zum ersten Mal in Ihrer Laufbahn. Wie sind Sie mit dieser neuen Situation klargekommen?
Silke Spiegelburg:
Am Anfang hat mir das gar nicht geschmeckt. Ich war wütend, sauer und es sind auch einige Tränen geflossen. Aber im Rückblick weiß ich, dass ich diese Pause gebraucht habe. Vor allem für meinen Kopf. Alle in meinem Umfeld haben mir gesagt, dass ich diese Zwangspause positiv annehmen soll, eben weil ich nie eine Pause gemacht habe. Offenbar war ihnen schon länger klar, dass auch ich nicht immer hochtourig unterwegs sein kann. Und das hat geholfen. Danach konnte ich die Verletzung akzeptieren, habe innerlich einen Reset-Knopf gedrückt. Positiv war in dem Zusammenhang auch der Umzug nach Stuttgart, der ja schon im Sommer feststand. In der Summe starte ich in Stuttgart nun neu.
Seit knapp zwei Wochen dürfen Sie nach Fuß-OP und Reha-Training wieder leicht joggen und erste Sprünge machen. Wie groß ist Ihre Ungeduld, noch mehr machen zu dürfen?
Silke Spiegelburg:
Der Drang ist riesig. Ich fühle mich wie ein Hund, dem immer nur ein kleines Stückchen mehr Leine gegeben wird, obwohl er am liebsten sofort ganz frei herumlaufen würde. Aber ich weiß, dass ich mich noch etwas schonen muss. Das habe ich zuletzt auch beim Umzug gemerkt, wo ich doch mehr mit angepackt habe, als ich sollte. Danach hat sich Wasser auf einer Sehne im Fuß gebildet, was jetzt aber zum Glück auch schon wieder verschwunden ist. Das Gute ist, dass ich weiß, dass die Verletzung nicht daher rührt, dass mein Körper müde war, sondern der Haarriss war die Nachwirkung einer Fersenprellung. Mein Körper ist nicht schwach, das weiß ich und das gibt mir Selbstbewusstsein, denn ich will noch bis zur EM 2019 weiter Stabhochspringen – die EM im eigenen Land ist ein großes Ziel für mich. Da bin ich 32 Jahre alt und wenn man sich Björn Otto ansieht, weiß man, dass man dann noch nicht zu alt für Leistungssport ist.
Genau wie Björn Otto kämpfen Sie aber auch gerade nach einer Verletzungspause wieder um den Anschluss. Wie weit lässt sich der Weg zurück vorhersehen?
Silke Spiegelburg:
Ich schaue von Woche zu Woche, auch wenn mir das angesichts meiner Ungeduld schwer fällt. Ich hoffe, dass ich bald wieder regelmäßig mit dem Stab in der Hand trainieren kann. Momentan ist aber noch nicht mehr als einmal Training pro Tag möglich, die Belastung ist für den Fuß sonst zu hoch und ich habe auch erst zwei Wochen Wintertraining hinter mir. Ich hoffe, dass ich das im Trainingslager in Südafrika steigern kann.
Das klingt, als käme die Wintersaison noch deutlich zu früh für Ihren Fuß.
Silke Spiegelburg:
Ich möchte natürlich so schnell wie möglich wieder an Wettkämpfen teilnehmen, aber die Hoffnung auf Starts in der Halle ist wirklich gering. Meinen letzten Wettkampf hatte ich dieses Jahr am 5. Juni in Rom und so wie es derzeit aussieht, wird das auch die Zeit sein, wann ich 2015 wieder in die Wettkampfsaison einsteige. Aber ich werde die Zeit nutzen, um in meinem Studium weiter voran zu kommen und möglichst meine Bachelor-Arbeit in Gesundheitsökonomie Ende des Wintersemesters abzuschließen. Dann hätte ich danach den Kopf frei für den Sport und hätte wirklich mal wieder so etwas wie eine Pause zwischen Wettkampfsaison und Auftakt ins Training für die kommende Saison.
Sagen Sie jetzt nicht, Sie hatten in den letzten Jahren nie eine Pause oder gar Urlaub?
Silke Spiegelburg:
Zum Urlaub hat mich ab und an mein Mann verdonnert, aber Zeit hatte ich dafür eigentlich nicht, nein. Die Duale Karriere ist wichtig und auch richtig, aber man darf die Belastung nicht unterschätzen und das habe ich manchmal gemacht. Ich kenne eigentlich nur die Doppel-Belastung: Nach der Saison ging es direkt vier Wochen an den Schreibtisch, lernen, lernen, lernen. Dann kamen die Klausuren und dann ging auch schon wieder das Training los. Da war keine Zeit für eine richtige Auszeit. Ohne meine Freunde und Familie, die mich ab und an gebremst haben, wäre das eine schwierige Gratwanderung geworden. Ich kann daher allen Leichtathleten nur raten, sich wirklich aktiv Pausen zu nehmen, um den Akku wieder aufzuladen. Daher freue ich mich auf den neuen Lebensabschnitt, in dem ich mich mit voller Kraft nur auf den Sport konzentrieren kann.