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Steven Müller – Quereinsteiger mit weiterem Potenzial

Spätstarter, erfolgreiche Nachwuchsathleten auf dem Weg in die Spitze bei den „Großen“ und eine Rückkehrerin nach schwerer Verletzung. Bei der Hallen-DM in Dortmund haben DLV-Athleten mit unterschiedlichen Geschichten ihren ersten nationalen Titel ihrer Karriere gewonnen. leichtathletik.de erzählt ihre Geschichten. Heute die von Sprinter Steven Müller (LG Ovag Friedberg/Fauerbach).
Jan-Henner Reitze

Steven Müller
LG Ovag Friedberg Fauerbach

*15. September 1990
Größe: 1,78 m
Gewicht: 70 Kilo

200 Meter

Bestleistung: 20,80 sec (2017) Halle: 21,05 sec (2018)

Erfolge:

Deutscher Hallenmeister 2018

Es war seine Schnelligkeit, von der er schon in seiner „ersten“ Karriere gelebt hat. In seiner Heimatstadt Kassel war Steven Müller in seiner Jugend im American Football so erfolgreich, dass er mit dem Aufstieg in die Männerklasse nach Paderborn in die dritte Liga wechselte. Auch dort lief es so gut, dass ein Jahr später sogar Angebote aus der German Football League kamen, also der 1. Bundesliga. Angesichts dieser Möglichkeiten wollte der damals 22-Jährige seine Stärke weiter ausbauen. „Ich dachte, in den höheren Ligen sind alle Spieler kräftiger und stärker, da muss ich noch schneller werden“, erinnert sich der Student. „Ein Kumpel hat mir dann den Leichtathletik-Trainer Otmar Velte empfohlen.“

So kam es, dass sich der schnelle Footballer 2013 auch mal auf der Sprintbahn ausprobierte und in 21,18 Sekunden gleich in die Top 20 der deutschen Bestenliste über 200 Meter eintrug. Sein eigentlich als Ergänzungs-Trainer engagierter Coach überzeugte Steven Müller, im dafür eher fortgeschrittenen Alter ganz auf die Leichtathletik als Leistungssport umzusatteln.

Der Aufbau wurde langfristig ausgerichtet. „Ich musste meine neue Sportart erst kennenlernen“, erzählt der Sprinter. Auch der Körper sollte langsam an die neuen Belastungen herangeführt werden. „Mit echtem Krafttraining für die Beine habe ich zum Beispiel nicht sofort angefangen. Das mache ich jetzt erst seit drei Jahren.“

Training, Studium, Arbeit

Um sich an die nationale Spitze heranzuarbeiten, nimmt der Athlet bis heute einen vollgepackten Alltag in Kauf. Neben dem Training studiert Steven Müller Berufspädagogik in den Fächern Sport und Metall. Seinen Bachelor möchte er spätestens 2020 in der Tasche haben. Bei einem Praktikum hat er den Schulalltag gerade schon einmal kennengelernt. Um Geld zu verdienen, arbeitet er außerdem an der Kasse in einer Uni-Cafeteria.

Sportlich gelang der Anschluss an die besten DLV-Sprinter: Aus dem Jahr 2014 ist mit Platz vier der erste Finaleinzug bei einer Hallen-DM notiert. Unter freiem Himmel gelang diese Platzierung erstmals 2016 im heimischen Kassler Auestadion mit Bestzeit (21,01 sec). Im vergangenen Sommer blieb die Uhr dann erstmals unter der Marke von 21 Sekunden stehen. Der Bestzeit im Vorlauf der DM in Erfurt (20,80 sec) folgte im Finale Rang fünf in 20,81 Sekunden.

Die kontinuierliche Entwicklung setzte sich im vergangenen Winter fort. Gleich vier 60-Meter-Rennen mit Zeiten von 6,81 Sekunden und 6,82 Sekunden stehen für Verbesserungen in der Beschleunigung. „Daran arbeite ich immer noch. Der Start ist schon gut, zwischen 20 und 40 Metern kann es noch besser werden“, sagt Steven Müller, der auf den 200 Metern vor allem hinten raus stark ist. Bei der Hallen-DM in Dortmund dann der bisher größte Erfolg der Karriere: Durch die engen Kurven der 200-Meter-Bahn in der Helmut-Körnig-Halle lief der 27-Jährige in 21,05 Sekunden zu seinem ersten nationalen Titel, gleichzeitig Hallenbestzeit.

Weitere Steigerung das Ziel, EM-Norm aber nicht im Kopf

Dieser Sieg ist ein erster Lohn für die Arbeit der vergangenen Jahre, soll aber gleichzeitig nur eine Zwischenstation auf dem Weg in die Sommersaison sein. Steven Müller ist überzeugt, dass er nicht nur an seine Leistungen aus dem Vorjahr anknüpfen kann, sondern dass noch mehr geht.

Der Glaube an noch schnellere Zeiten hat ihn trotz des vollen Terminkalenders beim Sport gehalten. „Zuerst hatte ich immer noch großen Respekt, wenn ich mit bekannten Namen beispielsweise in einem DM-Finale stand. Mittlerweile habe ich so viel Selbstvertrauen, dass ich nur noch auf mich schaue“, so der Deutsche Hallenmeister. „Außerdem ist das Vertrauensverhältnis zu meinem Trainer immer weiter gewachsen. Er hat mir alles beigebracht.“ Eine seiner Stärken sieht er darin, seine beste Leistung bei wichtigen Rennen abrufen zu können.

Das soll auch bei der Freiluft-DM in Nürnberg (21./22. Juli) wieder so sein. Dass auch die Norm für die Heim-EM in Berlin mit 20,65 Sekunden nur 15 Hundertstel von seiner Bestzeit entfernt ist, interessiert ihn allerdings wenig. „Ich habe mich davon gelöst, Zeiten hinterherzujagen. Damit setzt man sich selbst Grenzen“, sagt Steven Müller. „Ich habe gelernt, zuerst meinen Lauf zu laufen und mich darauf zu konzentrieren. Dann kommen die Zeiten von ganz allein.“ Wenn so am Ende doch ein Platz im Nationalkader herauskommt, könnte das helfen, weiteres Potenzial auszuschöpfen. „Mit etwas Förderung könnte ich vielleicht aufhören zu arbeiten und mich dadurch besser aufs Training konzentrieren.“

Video-Interview: <link video:18027>Steven Müller: "Ich wollte den Sieg"
Video: <link video:18031>Steven Müller überrascht als 200-Meter-Sieger

Das sagt Bundestrainer Jörg Möckel:

Die Leistungsentwicklung von Steven in diesem Winter hat mich begeistert. Ich beobachte ihn seit 2016 sehr bewusst, hatte aber noch keinen richtigen Kontakt mit ihm. Seinen Lauf in Dortmund hat er vor allem in der zweiten Kurve gewonnen, die unglaublich stark war und ihn die letzten 50 Meter schneller gemacht hat. Steven ist ein toller Athlet, bei dem man immer ein wenig drauf gewartet hat, dass so etwas endlich passiert. Schön, dass er seine Chance in Dortmund genutzt hat.

Auffällig ist bei Steven, dass er meist seine besten Leistungen bringt, wenn es drauf ankommt. Positiv ist, wie er seinen Sport lebt und ihn in sein Leben integriert hat. Ich hoffe der Erfolg gibt ihm das Selbstvertrauen, dies noch ein stückweit mehr zu betreiben und auszubauen. Für den Sommer wünsche ich ihm einfach nur den Mut, sich weiterhin keine Grenzen zu setzen. Was dabei heraus kommt, beobachten wir und freuen uns auf schnelle Rennen.

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