Als Andy Dittmar im Februar bei den Deutschen Hallenmeisterschaften in Leipzig in den Ring ging, verneigten sich Gegner und ehemalige Weggefährten des Kugelstoßers gleichermaßen.
Aus gutem Grund: Mit 18,48 Metern wurde er Fünfter und das im Alter von 41 Jahren, damit gehört der Gothaer der Altersklasse M40 an. „Es ist schön, wenn der Senior mit Respekt begrüßt wird. Von der Hälfte der Truppe könnte ich der Vater sein, da kucken die schon ehrfürchtig“, erinnert sich der Haudegen, der 2006 als EM-Fünfter seinen größten Erfolg feierte, gerne an den Auftritt zurück. Es war seine Rückkehr auf die Bühne einer Deutschen Aktiven-Meisterschaft nach fünf Jahren.
Der ganz große Respekt kam angesichts dessen auch von den Zuschauern, darunter frühere Gegner wie Ralf Bartels, Oliver-Sven Buder, Jonny Reinhardt und der zweimalige Weltmeister David Storl. Der Leipziger zieht den Hut vor Andy Dittmar: "Ich finde es unglaublich, wie man mit fast 42 Jahren noch 18,50 Meter stoßen kann.“
Gerade diese beiden verbindet ein enges Verhältnis. Bei Gelegenheit treffen sie sich bei Managerin Kerstin Pohlers zum Frühstück. Wenn dann die Meinung von Andy Dittmar gefragt ist, hilft er gerne: „David und ich haben ein sehr, sehr gutes Verhältnis. Ich bin fast ein väterlicher Freund, wenn es um Ratschläge geht.“ Dass der Olympia-Zweite David Storl jedes Jahr beim von Andy Dittmar organisierten Kugelstoß-Meeting in Gotha am Start ist, versteht sich von selbst und ist eine Ehrensache.
Titeljagd bei der Senioren-Hallen-EM
Eine weitere schöne Parallele könnte man zwischen den beiden ziehen: Was David Storl im Männer-Kugelstoßen ist, das ist Andy Dittmar ohne jeden Zweifel in seiner Seniorenklasse M40. Nicht nur national, sondern auch international. Denn auch dort mischt er bei den Meisterschaften fleißig mit.
Wie bei der anstehenden Senioren-Hallen-Europameisterschaft in Ancona (Italien; 29. März bis 3. April): Dort kann sich der Thüringer eigentlich nur selbst schlagen. „Der Reiz ist es dann, was ich im Training kann, auch dort abzurufen und das Ganze zu genießen.“ Natürlich geht es auch um die Titeljagd und darum, die Goldmedaille tatsächlich mit nach Hause zu nehmen.
Als Star der deutschen Senioren-Szene sieht sich Andy Dittmar trotz seines hohen Leistungsniveaus und seiner Meriten nicht. Er verweist vielmehr auf andere Athleten wie Stabhochspringer Wolfgang Ritte oder Langsprinter Guido Müller, vor denen er genauso den Hut zieht.
Fließender Übergang in die Seniorenklasse
Daran, dass er den Übergang vom Leistungssport auf Nationalmannschaftsniveau zu den Seniorenklassen so fließend vollziehen konnte, hatte sein M35-Start bei der Senioren-Hallen-WM 2010 in Kamloops (Kanada) seinen Anteil.
Damals war er dorthin gereist, um abseits des Wettkampfs in Vancouver zwischen Winterspielen und Paralympics olympisches Flair zu schnuppern. „Dort habe ich nette Jungs kennengelernt, mit denen wir Vancouver erkundet haben, das war eine richtig schöne Woche. Danach habe ich gesagt: Das kann man weitermachen.“
So kam es dann auch. Inzwischen sind die Leistungen von Andy Dittmar in der Seniorenklasse nicht hoch genug einzuschätzen. Das umso mehr, wenn man bedenkt, wie überschaubar sein Trainingsaufwand ist. „Fest eingeplant sind zwei Trainingseinheiten pro Woche. Wenn eine dritte noch dazu kommt, dann ist es schön“, sagt Andy Dittmar.
Kugelstoßen als intensives Hobby
Dafür muss er den Beruf mit einer „45 plus X“-Stundenwoche und den Sport in Einklang bringen. In seinem Job bei der AOK plus ist er viel unterwegs als Chef eines virtuellen Fachbereichs mit 70 Leuten in Vertrieb und Marketing. „Da ordnet sich alles unter“, sagt er. Das Kugelstoßen ist für ihn ein „intensives Hobby“.
Seit sechs Jahren feilt er an seiner Form und Technik ganz ohne Trainer, lediglich mit Unterstützung seiner Trainingskollegin Carmen Hildebrandt aus Ohrdruf. Keine Frage: Er profitiert von seinem großen Erfahrungsschatz und einer breiten Basis in vielerlei Hinsicht.
Das Grundtalent sei „immer schon dagewesen“. Seinen Körper kennt er so gut, dass er auch seine Meniskusprobleme kontrollieren kann. Entscheidend ist aber vor allem „ein gutes Gefühl“, auf das er hört.
Mit Leichtigkeit und Spaß im Ring
Das gute Gefühl ist auch da, wenn es in den Ring geht. Dann sind außerdem noch Leichtigkeit und Spaß mit dabei: „Ich habe jedes Mal Lust, wenn ich die Kugel in die Hand nehme und ich habe niemandem mehr etwas zu beweisen. Das ist das Rezept momentan.“
Dazu kommt, dass er Sportler aus Leidenschaft ist. „Ich brauche den Sport, das ist wie eine Sucht“, sagt er, „ich habe Lust Sport zu machen.“ Zusätzliche Motivation zieht er auch aus seinem sportlichen Umfeld. Seine Ehefrau und seine drei Kinder sind oft mit dabei, wenn es zum Sporteln und ins Training geht.
Zu einer Prognose, wie lange er noch im Kugelstoßring zu sehen sein wird, lässt sich Andy Dittmar nicht hinreißen. Ziele gibt es aber weiter genug. Die 18 Meter sind für ihn ein wichtiger Maßstab. Mit so einer Leistung kann er sich sehen lassen, das sei „kein Schmutz“.
Im Sommer den M40-Rekord im Visier
Nach der guten Hallensaison will Andy Dittmar im Sommer Jagd auf den deutschen M40-Rekord im Freien machen. Der steht bei 19,09 Metern und wird seit 1981 von dem Troisdorfer Ferdinand Schladen gehalten.
Und dann wären da noch die fünfzig Thüringer Landesmeistertitel in der Aktivenklasse der Männer, die er sich vorgenommen hat. „Bei 46 bin ich angekommen“, erzählt er, „zumindest zwei Jahre werde ich noch machen.“ Dann wären die 50 Thüringer Titel voll.
Aber war’s das dann wirklich? Schließlich lockt schon mit der M45 die nächste Altersklasse und damit locken auch die nächsten Seniorenrekorde. „Vielleicht reizt mich das noch, ich würde schon gerne meine Duftmarke hinterlassen.“ Gut möglich also, dass für Andy Dittmar noch lange nicht Schluss ist.