| Schatten der Vergangenheit

Vorwürfe gegen IAAF-Präsident Sebastian Coe

Der Traumjob IAAF-Präsident ist für Sebastian Coe schnell zum Alptraum geworden. Nach Amtsübernahme stand er sofort in Sumpf von Betrug, Doping und Korruption um Vorgänger Lamine Diack. Jetzt wird er selbst beschuldigt: Ist bei seiner Wahl alles rechtens gewesen?
dpa/alex

Das Präsidentenamt im Leichtathletik-Weltverband IAAF soll für Sebastian Coe die letzte hohe Position im Weltsport sein. „Ja. Ganz sicher. Das ist meine letzte Rolle. Absolut“, versicherte der 59 Jahre alte Brite, der lange als potenzieller Kandidat für den Chefsessel im Internationalen Olympischen Komitees galt. Möglicherweise könnte die IAAF-Amtszeit von Lord Coe viel schneller zu Ende gehen, als von ihm gedacht.

In der britischen Fernsehsendung „BBC Panorama“ wurden am Donnerstagabend schwere Vorwürfe gegen den Olympiasieger von 1980 und 1984 über 1.500 Meter erhoben. Der TV-Sender sowie die „Daily Mail“ berichteten, dass Coe mutmaßlich mit Hilfe des dubiosen früheren IAAF-Beraters Papa Massata Diack die Wahl zum IAAF-Chef im August 2015 in Peking (China) gewonnen habe.

Der Sohn von Coes Vorgänger Lamine Diack soll ihm 24 von 30 möglichen Stimmen afrikanischer Mitgliedsländer besorgt haben. Als Beleg wird eine E-Mail von Papa Massata Diack an den Coe-Vertrauten und einstigen IAAF-Pressesprecher Nick Davies zitiert. „Unterstützung von Afrika bestätigt (24/30)! Viel Glück“, schrieb der Diack-Sohn.

Interpol sucht Diack Junior

Coe wurde im August 2015 auf dem IAAF-Kongress in Peking mit 115:92-Stimmen zum Nachfolger von Lamine Diack gewählt. Gegenkandidat war die Stabhochsprung-Legende Sergej Bubka.

Diack Junior wird von Interpol gesucht, Diack Senior wurde von der französischen Justiz angeklagt und Davies ist für 180 Tage suspendiert worden. Alle stecken in dem Sumpf von Korruption um Doping-Vertuschung gegen Bares und Betrug.

IAAF weißt Vorwürfe zurück

In einer IAAF-Stellungnahme wurden die Vorwürfe an Coe zurückgewiesen. „Die Unterstellung, dass Seb Coe aktiv den Rat von Papa Massata Diack für seine Kampagne gesucht hat, ist falsch“, hieß es in der Erklärung.

Ebenfalls nicht richtig soll sein, dass sich Coe im Doping- und Betrugsfall der russischen Marathonläuferin Liliya Shobukhova falsch verhalten haben soll. Die BBC und die Daily Mail beschuldigen Coe der Untätigkeit und frühen Mitwisserschaft. Er hätte vier Monate vor dem Bekanntwerden eine entsprechende E-Mail mit Details zu dem betrügerischen Deal bekommen. Die Läuferin wollte sich gegen Zahlung von 450.000 Euro an Offizielle der IAAF und Russland trotz einer positiven Blutprobe den Weg zu den Spielen 2012 in London (Großbritannien) ebnen.

E-Mail an Ethikkommission weitergeleitet

Einen den Fall Shobukhova betreffenden E-Mail-Anhang habe Coe nicht geöffnet, sondern an die Ethikkommission weitergeleitet, teilte die IAAF mit: „Er hatte nicht das Gefühl, dass es notwendig war, den Anhang zu lesen.“

Schon im Zuge der Korruptionsaffäre um Lamine Diack war der smarte Brite ziemlich in Bedrängnis geraten. Schließlich sitzt er seit 2003 im IAAF-Council und war von 2007 bis 2015 unter Diack einer der Vizepräsidenten - ohne etwas von den kriminellen Machenschaften mitbekommen zu haben? Nach seinem Wahlsieg nannte Coe Amtsvorgänger Diack noch seinen „spirituellen Führer“.

IOC geht auf Distanz

Das IOC-Exekutivkomitee um Präsident Thomas Bach war bereits zuvor auf Distanz zu Coe gegangen. Auf die Liste der neuen IOC-Mitglieder, die im August auf der Session der Ringe-Organisation in Rio gewählt werden, fehlt sein Name. Der Brite galt schon nach den von ihm exzellent organisierten Spielen 2012 in London als IOC-Kandidat.

Überhaupt verlief der Karriereweg von Coe stets steil nach oben. Als Läufer feierte er große Erfolge, stellte über alle Mittelstrecken Weltrekorde auf. Nach Ende seiner Laufbahn war er Mitglied im britischen Unterhaus, Olympia-Cheforganisator und übernahm 2012 den Vorsitz im Olympischen Komitee Großbritanniens.

„Dunkle Zeiten“

Der große Traum von Coe aber war, Weltpräsident seines Sports, der Leichtathletik, zu werden. Kurz nach seiner Wahl wurde daraus ein Alptraum. „Ich fühle ein großes Gewicht auf meinen Schultern. Es sind dunkle Zeiten“, bekannte er.

Welchen Anteil hat der seit mehr als ein Jahrzehnt zur IAAF-Führung gehörende Coe daran, dass sein Vorgänger Diack und dessen Clique unkontrolliert betrügen und sich bereichern konnten? Die Kommission der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA, die das System der Korruption in der Ära Diack untersuchte, attestierte der IAAF in ihrem Bericht vom 14. Januar ein Komplettversagen.

„Dem IAAF-Council konnte das Niveau der Vetternwirtschaft nicht verborgen geblieben sein“, hieß es klipp und klar im WADA-Report. „Das kann nicht als Handlung eines merkwürdigen Abtrünnigen, der auf eigene Faust gehandelt hat, ignoriert und abgetan werden.“

Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa)

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