Am 20. Oktober 1964 schrieb Willi Holdorf Sportgeschichte. Als erster deutscher Zehnkämpfer gewann er Gold bei den Olympischen Spielen. Dies schaffte danach nur noch einer: Christian Schenk. Zum 50. Jahrestag des historischen Sieges ist auch ein Buch erschienen.
Restlos ausgepumpt stürzte Willi Holdorf nach dem 1.500-Meter-Lauf hinter der Ziellinie auf den Boden. Höchstens 18 Sekunden durfte er auf den Esten Rein Aun verlieren - am Ende entschieden sechs Sekunden über Triumph und Tragik. "Ich wusste nicht, ob ich gewonnen oder verloren hatte, doch ich sah meinen Trainer lachen", sagte Holdorf in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa über seinen historischen Sieg am 20. Oktober 1964 in Tokio (Japan). "Und wenn er lacht, dachte ich, kann ich nicht verloren haben." Der heute 74-Jährige wurde vor 50 Jahren als erster deutscher Zehnkämpfer Olympiasieger.
Dabei war für ihn Edelmetall kein Thema gewesen und der Olympia-Start eigentlich nur eine Zugabe. Wichtiger war die Ost-West-Ausscheidung für die gesamtdeutsche Mannschaft in Jena. "Das ist eine viel größere Belastung als die Olympischen Spiele und mein schönster Wettkampf gewesen", erzählte Holdorf.
Im Zehnkampf der Tokio-Spiele lag er nach neun Disziplinen knapp vor Rein Aun und musste seine 1.500-Meter-Bestzeit unterbieten, um auch am Ende auf Platz eins zu sein. "Das war eine reine Nervensache. Denn Aun lief wie ein Teufel los", berichtete der in Glücksstadt an der Elbe aufgewachsene Norddeutsche. "Da musste ich die Ruhe bewahren, um nicht auch so loszurennen" - und ins Verderben zu laufen.
Frühes Ende der Karriere
Nach ihm wurde nur noch ein deutscher Zehnkämpfer bei Olympischen Spielen als "König der Leichtathleten" gekrönt: Der frühere DDR- Sportler Christian Schenk gewann 1988 in Seoul (Südkorea). Danach kam noch Frank Busemann als Zweiter von 1996 dicht an Olympia-Gold heran.
"Der Olympiasieg hat mein Leben verändert, meistens zum Positiven", resümierte Holdorf, der schon im Alter von 24 Jahren seine Karriere beendete. Als Ehemann und Vater eines Sohnes galt es die Familie zu ernähren. "Wir hatten damals weniger Geld, aber mehr Spaß und weniger Druck als heute", sagte Holdorf. Dennoch bedauerte er es, bei den Sommerspielen in Mexiko nicht doch noch mal angetreten zu sein: "1968 habe ich es bereut."
Umstieg in den Bob und Versuch als Fußballtrainer
Statt als Athlet war Holdorf, inzwischen diplomierter Sportlehrer, als Trainer des Stabhochspringers Claus Schiprowski dabei und führte ihn zu Olympia-Silber. Es war nur eine seiner vielfältigen Karriere-Stationen. So fuhr er von 1971 bis 1973 im Bob als Bremser im Zweier und als Anschieber im Vierer. Bei der EM 1973 gewann er im Zweier von Horst Floth sogar Silber.
Danach nahm er ein Engagement als Fußball-Trainer bei Fortuna Köln an, konnte den Abstieg aus der Bundesliga aber nicht verhindern. "Der Verein stand auf dem letzten Tabellenplatz und als ich wieder aufgehört habe, war er an zweitletzter Stelle", sagte Holdorf und fügte mit Selbstironie an: "Das war keine große Leistung."
Sein regelmäßiges Einkommen hatte er da schon als Repräsentant eines Sportartikelherstellers. Neben dem Beruf übernahm er viele ehrenamtliche Verpflichtungen bei der Stiftung Deutsche Sporthilfe oder beim Handball-Bundesligisten THW Kiel.
Bald wieder ein DLV-Zehnkämpfer ganz oben?
Dass bei den Sommerspielen 2016 in Rio de Janeiro (Brasilien) der dritte deutsche Zehnkampf-Olympiasieger gekürt werden könnte, hält er nicht für ausgeschlossen. "Wir haben vier, fünf deutsche Zehnkämpfer, die absolute Weltklasse sind", sagte Holdorf, "die können in Rio mitmischen." Allerdings muss man auch etwas Glück haben.
"Der frühere Zehnkämpfer Jürgen Hingsen hatte zum Beispiel Pech", meinte Holdorf. Sein Nachfolger hatte bei Olympia und WM immer das Nachsehen gegen seinen britischen Rivalen Daley Thompson, der 1980 Olympiasieger wurde.
Quelle: Deutsche Presse-Argentur (dpa)
Zum Jubiläum ist im Arete-Verlag ein Buch zu Willi Holdorf erschienen:
<link news:37382>Buch zu historischem Triumph von Willi Holdorf