| Nachträgliche Bronzemedaille

Alina Reh: „Ich sehe das als zusätzlichen Ansporn“

Vergangene Woche verkündete European Athletics, dass Alina Reh (SSV Ulm 1846) nachträglich den dritten Platz der Heim-EM 2018 über 10.000 Meter erhält. Zuvor war die ursprünglich Drittplatzierte Meraf Bahta (Schweden) wegen Doping-Verstößen disqualifiziert worden. Im Interview spricht die 23-Jährige über den Wert dieser nachträglichen Podestplatzierung, ihren Fahrplan bis zu den Olympischen Spielen sowie über gruselige Erfahrungen im Urlaub.
Nicolas Walter

Alina Reh, Ihnen wurde vergangene Woche vom Europäischen Leichtathletik-Verband nun offiziell der dritte Platz bei der Heim-EM 2018 über 10.000 Meter zuerkannt. Herzlichen Glückwunsch! Was bedeutet Ihnen diese nachträgliche Podestplatzierung?

Alina Reh:

Dankeschön! Generell freue ich mich natürlich, dass ich jetzt eine Medaille bekommen werde. Aber wirklich bedeutsam ist das für mich nicht, weil ich vor zwei Jahren nun mal Vierte wurde und auch als Viertplatzierte aus dem Stadion gegangen bin. Deswegen nehme ich die Medaille natürlich gerne entgegen, fühle mich aber immer noch ein bisschen als die Viertplatzierte von Berlin.

Verspüren Sie auf die disqualifizierte Meraf Bahta so etwas wie Wut, weil sie Ihnen die unmittelbare Freude über den dritten Platz im Stadion genommen hat?

Alina Reh:

Nein, da bin ich mit mir im Reinen. Ich habe den Lauf neulich nochmals online angeschaut und mir dabei kurzzeitig gedacht, dass es cool gewesen wäre, vor so einer Kulisse eine Ehrenrunde drehen zu dürfen. Aber in diesem Moment war ich mit Platz vier sehr, sehr glücklich und deswegen vermisse ich auch nichts, weil ich einfach ein richtig schönes Erlebnis in Berlin hatte.

Welche Erinnerungen haben Sie, wenn Sie an das Rennen zurückdenken?

Alina Reh:

Vor allem denke ich an die letzten zwei Runden. Es war richtig laut und die Zuschauer standen hundertprozentig hinter mir. Das habe ich allerdings erst auf den letzten zwei Runden gemerkt. Zuvor dachte ich immer, dass der Applaus Robert Harting und Christina Schwanitz gilt, die gleichzeitig im Einsatz waren. Schließlich kam ich der Türkin Yasemin Can näher und habe sie auf den letzten 150 Metern dann sogar überholt. Die Unterstützung des Publikums hat mich dabei auf jeden Fall beflügelt, daran denke ich sehr gerne zurück.

Im kommenden Jahr sollen die Olympischen Spiele in Tokio stattfinden. Ist die Bronzemedaille auf dem Weg dorthin nun ein zusätzlicher Ansporn für Sie?

Alina Reh:

Ja, ich sehe das durchaus als zusätzlichen Ansporn. Ich bin gerade erst wieder ins Training eingestiegen und das motiviert, wenn man weiß, dass man jetzt eine Medaille hat. Man freut sich darüber und denkt sich: „Jetzt greife ich nochmal richtig an.“ Hoffentlich trägt es nächstes Jahr dann auch seine Früchte.

Wie sieht Ihr Fahrplan bis zu den Olympischen Spielen aus?  

Alina Reh:

Ich werde dieses Jahr noch zweimal in Kienbaum sein und dann müssen wir schauen, was Anfang nächsten Jahres bezüglich der Trainingslager möglich ist. Wir wollten eigentlich eine Höhenkette machen, aber da müssen wir schauen, wie sich die Zahlen entwickeln und welche Wettkämpfe stattfinden können. Gut ist, dass die Norm weiterhin gilt, ich für die Spiele also schon qualifiziert bin und mich daher recht entspannt auf Olympia mit dem Fokus 10.000 Meter vorbereiten kann.

Einen Start bei den Olympischen Spielen über 5.000 Meter wird es also nicht geben?

Alina Reh:

Genau. Da mir die Strecke über 10.000 Meter besser liegt und mir mehr Freude bereitet, glaube ich, dass ich dort die besseren Chancen haben werde. Deswegen versuche ich mich ausschließlich darauf zu fokussieren.

Durch Corona kann niemand zum aktuellen Zeitpunkt abschätzen, in welcher Form die Olympischen Spiele 2021 stattfinden werden. Wären denn Spiele ohne Zuschauer für Sie eine Option oder würden Sie dann gegebenenfalls lieber für eine Absage plädieren?

Alina Reh:

Tatsächlich würde ich dann lieber Olympia ohne Zuschauer in Kauf nehmen, da ich noch nie bei Olympischen Spielen war und schon sehr lange von einer Teilnahme träume. Auch wenn viele sagen, dass wahrscheinlich das Flair fehlen würde, würde ich das sehr gerne einmal miterleben.

Im September haben Sie nun einen neuen Schritt gewagt und Ihre Grundausbildung bei der Bundeswehr absolviert. Wie kam es zu diesem Schritt?

Alina Reh:

Ich habe mich in den vergangenen Jahren immer wieder mit der Bundeswehr auseinandergesetzt, aber den Schritt nie so richtig gewagt, da ich zuhause sehr verwurzelt war – unter anderem auch wegen des Lebensmittelgeschäfts meiner Mama. Letzte Saison hat sich dann viel geändert: Durch den Trainerwechsel, durch Corona und dadurch, dass ich generell viel unterwegs war, bin ich ein bisschen flügge geworden und dachte mir, wenn nicht 2020, wann dann. Der Befehlston war am Anfang natürlich etwas ungewohnt, aber auch daran gewöhnt man sich.

Blieb Ihnen im Sommer denn dann wenigstens noch etwas Zeit für ein paar entspannte Tage im Urlaub?

Alina Reh:

Meine Eltern haben sich im Sommer ein Wohnmobil gekauft. Das habe ich mir geliehen und war damit fünf Tage allein im Allgäu unterwegs, bin dort gewandert und Fahrrad gefahren. Das war cool, wenn manchmal auch etwas gruselig, so ganz allein auf dem Parkplatz zu stehen. Aber insgesamt war es sehr schön und erholsam.

Seit Anfang des Jahres haben Sie mit André Höhne einen neuen Trainer. Seitdem steht auch Krafttraining auf Ihrem Trainingsplan. War das eine starke Umstellung für Sie?

Alina Reh:

Ich muss sagen, gerade am Anfang war das nicht ganz einfach. Aber dadurch, dass wegen Corona die vergangene Saison nicht ganz so bedeutsam war, konnten wir viel ausprobieren und neue Erfahrungen gewinnen. Das war sehr wichtig. Das Krafttraining werden wir in dieser Saison nun auf jeden Fall weiterführen.  

Aber den großen Spaßfaktor verspüren Sie beim Krafttraining nicht?

Alina Reh:

Es macht mir schon Spaß und es macht mir vor allem Spaß, mich in neue Sachen hineinzufuchsen. Aber ich laufe viel lieber. Ich würde Krafttraining jederzeit gegen einen Dauerlauf ersetzen. So gute Freunde sind wir dann doch noch nicht. Wer weiß, vielleicht kommt das irgendwann noch (lacht).

Rückblick
Berlin 2018: Gänsehaut-Momente mit den #TrueAthletes

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024