| Interview der Woche

Christoph Kessler: „Das war eine große Befreiung“

2015 fehlten ihm elf Hundertstel für die U23-EM. 2014 war er erst um 32 Hundertstel am Richtwert für die U20-WM vorbei geschrammt – und reichte die Zeit dann zu spät nach. Am Samstag war für 800-Meter-Läufer Christoph Kessler nun endlich die erste internationale Norm fällig. Der 21-Jährige empfahl sich beim Indoor Meeting in Karlsruhe mit Hallen-Bestzeit von 1:47,81 Minuten für die Hallen-EM in Belgrad. Wie er das Rennen erlebte, was er sich vom deutschen Showdown bei der Hallen-DM in Leipzig erwartet und wie er sich in den vergangenen Jahren weiter motiviert hat, berichtete der Athlet der LG Region Karlsruhe anschließend im Interview.
Silke Bernhart

Christoph Kessler, da ist sie endlich, die internationale Norm! Haben Sie mitgezählt? Wie oft sind Sie vorher knapp an Richtwerten vorbei geschrammt?

Christoph Kessler:

Naja, wenn’s heute nicht geklappt hätte, müsste es das vierte Mal gewesen sein, was irgendwelche Normen für Kader, Europameisterschaften oder Weltmeisterschaften betrifft…

Wie sicher waren Sie sich, dass die Norm heute fällig ist?

Christoph Kessler:

Ich bin eher der Typ, der vor Wettkämpfen etwas pessimistisch ist – natürlich ohne die Spannung oder die Lust zu verlieren. Aber es war schon Zeit, dass es mal klappt. Klar, es hätte auch in die Hose gehen können, aber man geht mit der Einstellung rein, dass man’s drauf hat und dass man’s laufen kann.

Ich habe gelesen, dass Sie zuvor Ihre 1:48,21 Minuten vom Mittwoch in Düsseldorf als „typischen Kessler“ bezeichnet haben – wieder knapp vorbei an der wichtigen Marke von 1:48,00 Minuten. Ihren Humor scheinen Sie bei all den Enttäuschungen nicht verloren zu haben…

Christoph Kessler:

Naja, man darf solche Sachen nicht zu ernst nehmen, sonst verkrampft man zu schnell. Jetzt hat es geklappt, darüber bin ich froh, was davor war, ist nicht mehr so wichtig.

Sie hatten hier in Karlsruhe ein Heimspiel mit dem lautstarken Publikum im Rücken. Wie war die Marschroute – gab es einen Fahrplan, der vielleicht auch ein wenig für Sie gestrickt war?

Christoph Kessler:

Die Ausrichter haben vor allem geschaut, dass ein gutes Feld zusammenkommt – auch wenn das Rennen nicht Teil der World Indoor Tour-Wettbewerbe ist. Mir kam das Feld eher entgegen als am Mittwoch. Natürlich hat mein Trainer Günther Scheefer auch versucht, ein bisschen Einfluss darauf zu nehmen, welches Tempo angeschlagen wird. Das gute Feld hat schon dazu beigetragen, dass eine gute Zeit für mich herausgekommen ist. Aber im Endeffekt ist es nicht so wichtig, was vorne gelaufen wird. Ich muss mein Ding machen.

Auf den letzten 100 Metern schien das Publikum Sie förmlich ins Ziel getragen zu haben.

Christopher Kessler:

Ja, die Wand habe ich mitbekommen! Das war ziemlich cool. Natürlich pusht einen das und hilft auch für den Kopf. Hinten raus hat man dann aber einfach mit sich selbst zu tun. Auf den letzten 50 Metern hätte ich wohl mit oder ohne Publikum nicht mehr oder weniger geben können.

Dann hat’s eine Weile gedauert, bis die Zeit verkündet war. Wussten Sie selbst, dass es gereicht hat?

Christoph Kessler:

Ich war mir nicht ganz sicher. Ich kann die Zeiten immer ziemlich schlecht einschätzen. Ich habe einfach gehofft. Und als die Zeit aufgeleuchtet ist, war es eine große Befreiung. 

Wie bewerten Sie das Rennen – wie viel Luft nach oben sehen Sie noch?

Christoph Kessler:

Körperlich wird es hinten raus immer hart. Da ist es schwer abzuschätzen, ob noch was geht oder nicht. Aber es gibt vorher immer Sachen, die man besser machen kann. Ich denke, es ist schon noch was drin. Primär geht es jetzt aber darum, fit zu werden für die Deutschen und dort zu zeigen, was man kann.

Mittlerweile hat ein deutsches Trio die Hallen-EM-Norm erfüllt, neben Ihnen noch Robert Farken und Marius Probst, der aber auch noch mit den 1.500 Metern liebäugelt. Final werden die drei deutschen Tickets für Belgrad bei der Hallen-DM in Leipzig vergeben. Was erwarten Sie dort für ein Rennen?

Christoph Kessler:

Ob Marius bei den Deutschen 800 oder 1.500 Meter läuft, werden wir dann sehen. Robert und Marius sind beide super gut drauf, ich glaube, es wird in Leipzig ein spannendes Rennen. Ob mit oder ohne Marius, ich gegen Robert. Ich bin gespannt und freue mich drauf!

Sie hatten schon Ihren Trainer Günther Scheefer angesprochen. Wie hat er Ihnen geholfen, nach Enttäuschungen nicht den Kopf in den Sand zu stecken?

Christoph Kessler:

Wenn der Trainer damit locker umgeht, dann hilft das. Aber einen großen Anteil hat auch die Trainingsgruppe. Da wurde ich immer gut aufgefangen. Manchmal kommen ein paar Späße – aber im Großen und Ganzen waren die immer eine große Hilfe. Ich war auch nie der Typ, der sein Leben von solchen Dingen abhängig gemacht hat. Mir ist mein Studium [Anm. d. Redaktion: Chemieingenieurwesen am Karlsruher Institut für Technologie] ziemlich wichtig, der Sport soll Spaß machen. Wenn es nicht funktioniert, ist man natürlich geknickt. Aber man muss weiter schauen. Es gibt in jedem Jahr wieder neue Sachen, bei denen man dabei sein kann.

Ihre Trainingsgruppe ist ja zuletzt auch noch gewachsen. Der U20-Europameister von 2013 über 800 Meter Patrick Zwicker hat sich der LG Region Karlsruhe angeschlossen. Hat das im Training auch für Sie noch mal einen Schub gegeben?

Christoph Kessler:

Wir hatten auch davor schon eine starke Trainingsgruppe, vor allem, was den unteren Bereich angeht – Pascal Kleyer zum Beispiel [Anm. d. Redaktion: U20-WM-Teilnehmer von 2016 über 800 Meter], oder Holger Körner, der bei den Meisterschaften von Baden-Württemberg Zweiter geworden ist. Mit Patrick ist jemand dazu gekommen, mit dem ich auch die längeren Einheiten auf hohem Niveau absolvieren kann. Er passt auch so ziemlich gut in die Trainingsgruppe rein. 

Das Rennen im Video

<link video:15655>Erik Sowinski siegt bei Kesslers Heimspiel

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