Scheibchenweise bekommt die ehemalige Kugelstoßerin Nadine Kleinert nachträglich internationale Medaillen zugesprochen. Durch den Dopingfall der Weißrussin Nadzeya Ostapchuk war es zuletzt WM-Bronze aus dem Jahr 2005. Nach dem Ende ihrer Karriere kann sich die Magdeburgerin kaum über solche Nachrichten freuen, Entschädigung für entgangene Preisgelder hat sie abgeschrieben. Im Interview erzählt die 38-Jährige, wie aus ihrer Sicht mit den Opfern solcher Dopingfälle umgegangen werden sollte und wie ihr Leben nach dem Ende der Karriere aussieht.
Die WM-Bronzemedaille von 2005 steht Ihnen offiziell zu, haben Sie die Medaille schon bekommen?
Nadine Kleinert:
Klar war es schon im März 2013, als Nadzeya Ostapchuk in einem Nachtest der WM 2005 positiv war. Seitdem hat es mehr als ein Jahr gedauert, bis die Ergebnisse offiziell geändert wurden. Ich denke bis ich die Medaille bekomme, wird wieder etwas Zeit vergehen. Aber von mir aus, darf die IAAF diese Medaille behalten.
Warum wollen Sie die Medaille nicht haben?
Nadine Kleinert:
Ich kann mich darüber nicht mehr freuen - neun Jahre danach. Ich kann damit die Wand schmücken. Das ist aber auch alles. Ich bin nicht mehr aktiv und habe deshalb nichts mehr von der Medaille. Es ist frustrierend, dass acht Jahre mit einem Nachtest gewartet wird. Immerhin ist es ein Stück Gerechtigkeit.
Als Sie bei der Hallen-WM 2004 nachträglich auf den Bronzerang vorgerückt sind, hat Ihr Verein die Medaille per Post zugeschickt bekommen. Wäre für Sie ein anderer Rahmen für die Übergabe ein Stück Anerkennung?
Nadine Kleinert:
Mich würde es freuen, wenn soweit gedacht wird. Diesmal ist mit Markus Esser noch ein aktiver DLV-Athlet betroffen. Er wird wahrscheinlich auch bei der Team-EM in Braunschweig starten. Das ist sogar ein internationaler Rahmen. Dort die Medaillen zu übergeben, wäre ein bisschen Wiedergutmachung. Da würde ich mir wünschen
Auch in anderen Wettkämpfen sind Sie nach vorne gerückt. Gibt es eine Möglichkeit, an entgangene Prämien zu kommen?
Nadine Kleinert:
Das ist noch frustrierender: Nach sieben Jahren ist alles verjährt. Ich habe mich beim Anwalt erkundigt. Er hat gesagt, wir haben nur eine Chance, wenn es im Fall Ostapchuk eine Sammelklage geben würde. Dass so etwas Erfolg hat, ist sehr unwahrscheinlich.
Sehen Sie eine andere Möglichkeit der Entschädigung?
Nadine Kleinert:
Nach dem Doping-Opfer-Hilfegesetz und durch den Verein Doping-Opfer-Hilfe sind Athleten entschädigt worden, die durch Staatsdoping in der ehemaligen DDR gesundheitliche Schäden davongetragen haben. Für Dopingopfer wie mich gibt es nichts. Dafür müsste die IAAF einen Entschädigungs-Mechanismus bereitstellen.
Sie haben im vergangenen Herbst Ihre lange Karriere beendet, was mache Sie seitdem?
Nadine Kleinert:
Langweile kommt keine auf. Wie ich es auch schon während meiner Karriere getan habe, kümmere ich mich beim SC Magdeburg um den Nachwuchs - nicht nur um Kugelstoßer, auch um Hammer- und Diskuswerfer. Ich habe eine Trainingsgruppe von elf Mädels und Jungs zwischen 12 und 18 Jahren. Außerdem habe ich mein zweites Praktikum bei der Polizei beendet. Dort könnte für mich eine Stelle als Trainerin bei der Bereitschaftspolizei infrage kommen.
Gibt es etwas, dass Sie nach dem Ende Ihrer Karriere vermissen?
Nadine Kleinert:
Das Sportlerleben war ein bisschen leichter. Es wurde viel für einen gedacht und organisiert. Jetzt ist es schön, die andere Seite zu sehen. Ich sehe erst richtig, was mein Trainer in den vergangenen 25 Jahren alles für mich gemacht hat. Auch bei Facebook zu lesen, in welchen schönen Gegenden sich die Athleten im Trainingslager tummeln, weckt gerade bei schlechtem Wetter in Deutschland ein wenig das Fernweh.
Sind Sie selbst noch sportlich aktiv? Wie haben Sie abtrainiert?
Nadine Kleinert:
Nach meinem letzten Wettkampf, der Militär-EM am 15. September 2013, hatte ich keine Motivation mehr, Sport zu machen. Abtrainiert habe ich auch im gesamten Jahr 2013 schon. Ich habe vom Umfang nur noch etwa ein Zehntel von dem trainiert, was ich vorher gemacht habe. Das hat man auch an den Leistungen gesehen.
Was würden Sie einem jungen Athleten raten, der eine internationale Karriere begonnen hat, um sich auf die Zeit nach dem Sport vorzubereiten?
Nadine Kleinert:
Die Vorbereitung auf die Zukunft gehört in jedem Fall dazu - ob Studium, Ausbildung oder etwas anderes. Es gibt genug Partner beim DLV. Ich habe zum Beispiel während der Karriere mehrmals Infomaterial zugeschickt bekommen. Es lohnt sich auf jeden Fall, das anzuschauen.