
Rico Schwarz fasst neuen Mut
Die Sommersaison verpasste er nach einem Anriss der Plantarsehne an der rechten Fußsohle. Zum Jahresende zeigte Rico Schwarz noch einmal, was in ihm steckt: Als Sieger des Bietigheimer Silvesterlaufs tankte der Erfurter Selbstvertrauen für das neue Jahr.
"Ich habe alles in den Spurt hineingelegt und bin so glücklich, dass es geklappt hat. Vor allem, weil ich es so nicht erwartet habe!" freute sich Rico Schwarz über sein gelungenes Comeback nach fast fünfmonatiger Verletzungspause und den zweiten Sieg in Bietigheim nach 2012.
Offensichtlich hat der Erfurter die "Silvesterlauf-Metropole" nahe Stuttgart zu seinem Lieblingslauf erkoren. Nach seinem Sieg 2012 und Rang zwei 2013 hinter Arne Gabius gab der 26 Jahre alte Polizist der sich zwangsläufig aufdrängenden Interpretation einer "Abwärtsspirale" die passende Antwort: mit Sieg Nummer zwei in Bietigheim.
Hochkonzentriert und mit lockerem Schritt
"Nach meiner Verletzungspause wäre ich mit Rang drei zufrieden!" bekannte er noch am Vorabend beim Blick auf die versammelte Konkurrenz bei der "Runner's Night" im Kleinkunstkeller - mit einem verschmitzten Grinsen im Gesicht. Dass er in der viermonatigen Verletzungspause keineswegs nur "auf der Couch" lag, wie er scherzhaft über die qualvolle Zeit des Pausierens berichtete, sondern gewissenhaft an seinem Comeback gearbeitet hat, das war in jeder Rennsituation zu erkennen.
Hoch konzentriert und dennoch mit lockerem Schritt schien es lediglich eine Frage der Zeit zu sein, wann der Erfurter die prominent besetzte Spitzengruppe sprengen würde. Der Zeitpunkt war schließlich auf der Schlussrunde durch die Altstadt gekommen. Der Kenianer Dickson Kurui und auch seine deutschen Konkurrenten Julian Flügel (LG Telis Finanz Regensburg), Markus Weiß-Latzko (Sparda-Team Rechberghausen), Simon Stützel (ART Düsseldorf) und Timo Göhler (TSG 08 Roth) mussten passen.
"Sommer zum Abhaken"
Eines seiner Qualitätsmerkmale ist das Spurtvermögen, das Rico Schwarz einmal mehr zum Erfolg führte. Mit 33:39 Minuten lag er im Ziel fünf Sekunden vor dem Kenianer und den deutschen Läufern - und freute sich diebisch über das gelungene Comeback.
"Der Sommer war zum Abhaken. Ich habe schon darüber nachgedacht aufzuhören!" gestand Rico Schwarz nach der Siegerehrung im entspannten Plausch. Jetzt dagegen blickt er mit großer Zuversicht nach vorne: "Ich möchte einer der wenigen Athleten sein, die nach ihrem Rauswurf aus dem B-Kader, der natürlich völlig zu Recht erfolgte, wieder aufgenommen werden. Deshalb liegt mein Hauptaugenmerk auf der 10.000-Meter-Strecke. Ich will aber auch eine gute 5.000-Meter-Zeit laufen!"
Kapitel "Hindernisse" ist abgehakt
Mit einer weiteren Hypothek jedoch muss der Deutsche Meister von 2013 im 10-Kilometer-Straßenlauf aktuell auch leben: Sein Verbleib in der Sportfördergruppe der Thüringer Polizei ist an Auflagen gekoppelt, sprich an Zeiten und Platzierungen. "Ich will auf allen Strecken Bestzeiten laufen, außer auf den Hindernissen. Dieses Kapitel ist abgehakt!" betont er und nennt in Richard Ringer (VfB LC Friedrichshafen) ein "tolles Vorbild". Jener krönte eine starke Saison mit einem unerwarteten Rang vier im 5.000-Meter-Finale der Europameisterschaften im Züricher Letzigrund (Schweiz).
Mit dem Gefühl des geglückten Comebacks kann er seine "Krankengeschichte" entspannter Revue passieren lassen. Und in der wieder gewonnenen Selbstsicherheit Sätze wie diese formulieren: "Ich glaube, wenn den Silvesterlaufsieg in Bietigheim einer verdient hat, dann ich!" Das spontane Feedback per WhatsApp tat ein Übriges.
Krafttraining bei Nils Schumann
Der Schützling des Erfurter Erfolgstrainers Dieter Herrmann ließ in den vergangenen Monaten aber auch nichts unversucht, um wieder in die Spur zu kommen. Zu Beginn waren das tägliches Alternativtraining mit Aquajogging, Radeinheiten und sogar gezieltes Krafttraining, das er unter Anleitung von 800-Meter-Olympiasieger Nils Schumann in dessen Erfurter Fitness-Studio absolvierte. Begleitet wurden diese Trainingseinheiten ("Das war vornehmlich Sport für die reine Fitness") durch den Erfurter Eisschnelllaufarzt Dr. Lutz mit einer gezielten ACP-Therapie.
"Ende August bin ich erstmals wieder gelaufen - zehnmal eine Minute Jogging! Insgesamt hat es sechs bis acht Wochen gedauert, bis ich wieder bis 100 Wochenkilometer laufen konnte", erinnert sich Rico Schwarz mit sichtlichem Stolz über die Anfänge und die gemachten Fortschritte. "Anfangs war alles natürlich sehr schwerfällig, mit sechs Kilogramm mehr auf den Rippen! Ich war nach jeder Laufeinheit völlig im Eimer. Aber letztlich hat es sich gelohnt, den Aufbau mit viel Augenmaß zu gestalten!"
Dass es von Woche zu Woche besser ging, konnte er auch an den gemeinsamen Trainingseinheiten mit dem Deutschen Halbmarathon-Meister Manuel Stöckert (SC Ostheim) feststellen, der zum Tempotraining nach Erfurt angereist kam. Ein 15-Kilometer-Wettkampf in Nijmwegen (Niederlande) verlief als Crashtest mit 46:52 Minuten durchaus zufriedenstellend, der nötige Motivationskick für den Bietigheimer Silvesterlauf zum Ende des Jahres 2014.
Verletzung durch Hindernis-Training?
Dabei hatte das Jahr 2014 für Rico Schwarz noch recht passabel angefangen. Er wurde Siebter über 3.000 Meter bei der Hallen-DM in Leipzig, im Crosslauf verlor er DM-Bronze nur knapp gegen den wie entfesselt heranstürmenden Timo Benitz (LG farbtex Nordschwarzwald), anschließend absolvierte er mit einigen Mittelstreckenläufern um Carsten Schlangen (LG Nord Berlin) ein gutes Trainingslager im US-Höhenzentrum in Flagstaff. "Dort lief es wirklich super!"
Die 10.000-Meter-Meisterschaften ließ Schwarz zugunsten der Regeneration und der bevorstehenden Orientierung auf das Hindernislaufen sausen. Sein erstes Saisonrennen über die Hindernisse wurde dann aber zum Debakel. "Ich denke, dass ich mir diesen Riss beim Hindernistraining geholt habe", sucht Rico Schwarz nach einer Ursache für die Verletzung. Nicht zuletzt soll deshalb diese Disziplin aus seinem Programm gestrichen bleiben.
Hallenrennen und Halbmarathon-DM
Am Samstag reist Rico Schwarz mit einer Thüringer Mittelstreckengruppe nach Monte Gordo (Portugal). Anschließend plant er mit einigen nationalen Hallenrennen ("Für die internationalen Meetings fehlen mir die entsprechenden Zeiten!") und im April mit dem Start bei den Deutschen Halbmarathon-Mmeisterschaften in Husum - vorausgesetzt, die Form nach einem vorgeschalteten Höhentrainingslager in Kenia stimmt.
Rico Schwarz weiß nur zu gut, dass mit dem Sieg in Bietigheim noch nichts erreicht ist - außer einem kleinen Ausrufezeichen am Ende des Jahres 2014. Das Hauptaugenmerk des Erfurters gilt trotz gelegentlicher Ausflüge auf die Straße weiterhin eindeutig den Rennen auf der Bahn. "In der Laufszene hat sich 2014 einiges getan. Es war ärgerlich, dass ich dabei zusehen musste!" Das soll ihm so schnell nicht noch einmal passieren.