Methodische Hinführung zur Wettkampftechnik Speerwurf
DLV-Akademie, Wolfgang Killing, Videos H. Hommel, unter Mitarbeit von Maria Ritschel
Inhalt:
Einordnung, Talentanforderungen
Das Techniktraining dient im Speerwurf dem Erlernen und der Optimierung der Wettkampftechnik. Die Disziplin ist auf ausgeprägten Wurfeigenschaften aufgebaut. Kinder die den "natürlichen Wurf" nicht haben, erlernen diesen auch nur sehr schlecht oder gar nicht.
Wir suchen also Kinder und Jugendliche, die gut werfen können und koordinativ gute Voraussetzungen haben. Große Jugendliche sind erwünscht, doch spielt die Körpergröße nicht die Rolle wie im Kugelstoßen oder Diskuswerfen. Die Sportler müssen beweglich im Schultergürtel sein und athletisch bzw. konditionell über gute Voraussetzungen verfügen. Hier kollidiert der Speerwurf in der Sichtung oft mit dem Mehrkampf, da die Zielgruppe ähnlich ist.
Erläuterungen zur Methodik
- Die methodische Reihe baut auf Elementarübungen auf und führt zur Gesamtbewegung. Nach einer gewissenhaften Aufwärmarbeit werden Dehnübungen und Spannungsübungen für den Bauch- und Rückenmuskelbereich durchgeführt.
- Hypermobile Athleten sollten dabei mehr „auf Spannung trainieren“, vor allen im Schulterbereich.
- Die Technikübungen gehen vom Einfachen zum Komplizierten und von der langsamen zur schnellen Bewegung.
1. Lernschritt: 3er-Rhythmus
3er-Rhythmus aus dem Gehen
- Übung mit einem Ball
- Einnahme einer korrekten Wurfauslage: Körperschwerpunkt auf dem rechten Bein, kurzer Schritt mit links, langer Schritt mit rechts (Impuls), kurzer Schritt mit links
- Die räumliche Struktur der Bewegung muss beachtet werden.
3er-Rhythmus mit dynamischem Impuls
("Landung auf rechts ohne Setzen links")
- Übung mit einem Ball
- Einnahme der korrekten Wurfauslage
- Aktiv schlagender Aufsatz links, dynamisches Nach-vorne-führen des rechten Fußes (doppelter Schrittwechsel)
- Es wird angestrebt, dass der rechte Fuß auf den Ballen oder auf der ganzen Sohle aufsetzt und mit der Fußspitze in Wurfrichtung zeigt. Der linke Fuß wird nach vorn geführt, aber nicht aufgesetzt!
- Das Gewicht muss über dem rechten Bein bleiben. Häufig ein Problem für Anfänger!
3er-Rhythmus aus dem Gehen
("Links-rechts-links mit Aufdrehbewegung")
- Übung mit einem Ball
- Dynamischere Ausführungen der vorherigen Übung
- Schlagender Aufsatz des linken Beines, doppelter Schrittwechsel, Aufsatz rechts auf dem Ballen oder auf dem ganzen Fuß in Wurfrichtung
- Aktives Schlagen des rechten Knies und der Hüfte gegen die linke Seite
- Setzen links mit deutlichem Zurückhalten des Oberkörpers
- Aktives Aufdrehen der Schulter
- Enge Führung des Speeres am Wurfarm
- Ein Abkippen der Hand beim Aufdrehen muss vermieden werden.
3er-Rhythmus aus dem Gehen mit Abwurf
("Links-rechts-links mit Arbeit rechts, aufdrehen und Abwurf")
- Übung mit einem Ball
- Verlangsamte Variante der kompletten Bewegung
- Diese Übung dient der Registrierung der einzelnen Bewegungen und der eigenen Körperpositionen: Erfühlen der Bedeutung des Druckbeines (rechts) und des Stemmbeines (links). Abwurf als geradlinig schlagender Wurf nach vorne. Üben der räumlichen Strukturen.
3er-Rhythmus in Normalgeschwindigkeit mit Abwurf
- Übung mit einem Ball
- Vorhergehende Übung in Normalgeschwindigkeit, das bedeutet, dass sowohl die räumliche als auch die dynamische Struktur eine Rolle spielt.
- Die Geschwindigkeit sollte optimal und nicht maximal sein (abhängig von den koordinativen Fertigkeiten und den athletischen Fähigkeiten).
- Wichtig ist, dass das Schrittlängenverhältnis eingehalten wird und der Körperschwerpunkt nicht vorzeitig vom rechten Bein weg läuft.
- Ziel ist ein schlagender Fußaufsatz mit links, rechts und links, sowie eine flache Schrittführung.
- Die Arbeit vom rechten Fuß gegen die linke Seite ist reaktiv, das linke Bein als Stemmbein wird dabei möglichst gestreckt aufgesetzt, die Aufdrehbewegung der Schulter und der Aufbau einer Bogenspannung erfolgt aktiv.
- Der Abwurf sollte so weit wie möglich vor dem Körper erfolgen.
3er-Rhythmus in Normalgeschwindigkeit mit Speer
- Gleiche Übungsausführung wie zuvor, nur jetzt mit dem Speer anstatt des Balles.
- Zu beachten ist eine achsenparalelle Speerführung (Schulter- und Hüftachse zum Boden).
- Ein Abkippen der Wurfhand bei der Aufdrehbewegung sollte vermieden werden.
- Angestrebter Abwurfwinkel: 35 bis 38 Grad.
- Die Geschwindigkeit sollte zum Abwurf hin nicht geringer werden.
2. Lernschritt: 5er-Rhythmus
5er-Rhythmus aus dem Gehen
- Übung mit dem Speer
- Der 5er-Rhythmus beginnt mit dem linken Bein.
- Der Speer wird auf den 1. Schritt (frontal) leicht nach vorn geführt.
- Beim 2. Schritt nimmt der Oberkörper eine seitliche Position ein und der Wurfarm wird entgegen der Wurfrichtung in Schulterhöhen nach hinten geführt (Achsenparalellität beachten!).
- Bei Anfängern empfiehlt sich eine gerade Rückführung, da ein zu starkes Verdrehen des Oberkörpers zu viele Fehlerquellen in sich birgt.
- Die Schritte 3, 4, 5 sind von der Bewegungsausführung identisch mit dem vorher geübten 3er-Rhythmus.
5er-Rhythmus in Normalgeschwindigkeit
- Übung mit dem Speer
- Verbindung der räumlichen und dynamischen Struktur
- Zu beachten ist wiederum die optimale, den Fähigkeiten und Fertigkeiten des Athleten, angepasste Geschwindigkeit.
- Es sollte streng darauf geachtet werden, dass es nicht zu einen vorzeitigen Anziehen des Wurfarmes kommt, da das oft Ellenbogenverletzungen und Schulterprobleme nach sich zieht.
- Der Rhythmus spielt im Speerwurf eine bedeutende Rolle und muss auch in höheren Geschwindigkeiten realisiert werden.
- Die Geschwindigkeit darf zum Abwurf hin nicht geringer werden.
3. Lernschritt: 7er-Rhythmus - Weiterführung für Fortgeschrittene
7er-Rhythmus aus dem Gehen
- Übung mit dem Speer
- Der Auftakt ist identisch mit dem 5er-Rhythmus: Der Beginn erfolgt mit dem linken Bein, der Speer wird dabei leicht nach vorn geführt.
- Der 2. Schritt erfolgt mit dem rechten Bein, dabei kommt es zur Rückführung des Speeres und einer Oberkörperverdrehung von 90 Grad.
- Danach erfolgt der schlagende Einsatz mit dem linken Bein, der Impuls mit dem rechten Bein, der schlagende Einsatz mit dem linken Bein, der Impuls und das reaktive Weiterarbeiten mit dem rechten Bein soiwe das Setzen mit dem linken Bein und das Aufdrehen der Schulter mit anschließendem Abwurf.
- Beachten Sie die Körperpositionen!
7er-Rhythmus in Normalgeschwindigkeit
- Übung mit dem Speer
- Der Ablauf ist identisch wie beim 5er-Rhythmus, es gibt aber einen Impuls mehr.
- Athletisch gute Werfer nutzen den längeren Weg, um die Geschwindigkeit im azyklischen Teil zu erhöhen und den Abwurf besser vorzubereiten.
- Athletisch schwächere Werfer neigen zum Verwischen der Körperpositionen.
Würfe mit 4 Schritten Anlauf und anschließendem 7er-Rhythmus
- Übung mit dem Speer
- Diese Übung besteht aus einem zyklischen und einem azyklischen Teil.
- Der zyklische Teil wird als geradliniger Steigerungslauf absolviert. Auch hier muss eine optimale Geschwindigkeit gefunden werden, damit die Genauigkeit des azyklischen Teil gewahrt wird.
- Normalerweise wird mit einem Anlauf von 4 Schritten begonnen, da hierbei die Geschwindigkeit nicht zu hoch ist und die Ungenauigkeit sich in Grenzen hält.
Weiterführung: Der Anlauf kann über 6 und 8 auf 10 Schritte verlängert werden. Anlauflänge und Geschwindigkeit sind von den Voraussetzungen des Werfers und seiner technischen Stabilität abhängig.
Durchführung des Techniktrainings
Das Techniktraining oder dazu gehörige Imitationsübungen sollten ganzjährig zum Übungsrepertoire gehören. Während am Jahresanfang mehr einzelne Elemente geübt werden, rückt zur Wettkampfsaison immer mehr die Gesamtbewegung in den Vordergrund. Geübt werden sollte in kleineren Gruppen. Imitationen sind auch in größeren Gruppen möglich.
Die Dauer für Imitationsübungen sollte 30 Minuten nicht überschreiten, da sie ein hohes Maß an Konzentration verlangt. Handelt es sich bei den Technikwürfen um lockere Würfe auf dem Rasen, können durchaus auch 30 bis 35 Würfe pro Einheit absolviert werden. Sind es wettkampfnahe Würfe vom Läufer oder von der Kunststoffbahn mit hoher Intensität, reichen 20 Würfe aus.
Der Sportler kann nicht immer die gesamte Palette der Bewegungen durchlaufen. Die Auswahl ist abhängig von der Stellung der Trainingseinheit im Wochen- und Jahresverlauf. Zur Wettkampfsaison hin sollte die Zieltechnik im Mittelpunkt stehen.
Konditionierung/Koordination
Speerwurf ist eine der schnellsten Wurfdisziplinen. Die Athleten müssen sowohl konditionell als auch koordinativ sehr gut sein. Die Kondition ist Haupttrainingsinhalt in den ersten Monaten des Trainingsjahres. Hier sollte im Block und mit einem breiten Übungsrepertoir ein echter Reiz gesetzt werden: Spiele, andere Sportarten, Dauerläufe, Kreistraining, Schwimmen, Hindernisturnen, Radfahren, allgemeine Kraftübungen, allgemeine Würfe mit dem Medizinball usw. sind hier Inhalte. Weiterhin gehören Sprint, Tempoläufe und Sprünge zur Ausbildung.
Im Rahmen der allgemeinen Ausbildung spielt aber auch die Koordinationsschulung eine bedeutende Rolle. Rhythmische Gymnastik und Turnen sollten Teile des Übungsbetriebes im Speerwurf sein.
Stellung des Techniktrainings in der Trainingseinheit
Das Techniktraining verlangt Frische und Fitness. Aus diesem Grund liegen solche Inhalte am Anfang einer Trainingseinheit. Nach dem Erwärmen und einer ausreichenden Vorbereitung beginnt der Sportler mit Imitationsübungen und kommt darüber zum Techniktraining. Auf keinen Fall empfiehlt es sich, vor dem Techniktraining Maximalkraft zu trainieren.
Ablauf einer Technikeinheit | |
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Trainingsinhalt | Dauer |
Erwärmung (Einlaufen, Dehnen) | 10 min |
Vorbereitende Übungen | 15 min |
Methodische Schritte zur Erlernung der Zieltechnik | 20 min |
Ergänzende Übungen (2. Schwerpunkt) | 20 min |
Nachbereitung (Auslaufen, evtl. Dehnen) | 10 min |
Einbettung in den Wochenzyklus
Spezielle Wurfeinheiten können im Aufbaubereich zwei- bis maximal dreimal pro Woche angesetzt werden - vorausgesetzt das begleitende Training wird nicht vernachlässigt. Der Umfang ist abhängig vom Ausbildungsstand und den Fähigkeiten des Sportlers. Die Umfänge nehmen mit zunehmenden Trainingsalter zu. Dabei ist zu beachten, dass das spezielle Wurftraining das wichtigste Trainingsmittel im langfristigen Aufbau ist und ein zu früher Einsatz schwerer Geräte oder zu hoher Umfänge schnell das vorzeitige Ende einer Kariere bedeuten können. Es ist absolut wichtig, dem Körper nach intensiven Wurfeinheiten Zeit zur Regenerierung zu geben.
Spezielle Wurfeinheiten im Jahresverlauf
- Zu Beginn des Trainingsjahres steht das allgemeine Training im Mittelpunkt der Ausbildung. Da dies körperlich ermüdend ist, empfiehlt es sich, in dieser Zeit auf Techniktraining zu verzichten. Außerdem wirkt sich etwas zeitlicher Abstand zur zurückliegenden Wettkampfsaison meist positiv aus.
- Dem allgemeinen Training schließt sich eine Phase der allgemeinen Kraftausbildung an. Hier wird im Techniktraining mit dem Training der einzelnen Elemente und speziellen Würfen aus dem Stand sowie dem 3er-Rhythmus begonnen.
- In der Phase der Kraftausbildung wird mit den Speerwürfen begonnen. Diese Würfe werden ein- bis zweimal in der Woche durchgeführt, allerdings werden die Würfe meist aus dem Rhythmus oder aus kurzem Anlauf ausgeführt, da das Wurfgefühl in dieser Phase durch die Kraft negativ beeinflusst wird.
- In der Phase der speziellen Ausbildung steht das Techniktraining im Mittelpunkt der Ausbildung. Athletik- und Krafttraining werden deutlich zu Gunsten der Frische und der Aufnahmefähigkeit zurückgefahren. In dieser Phase werden Umfang und Intensität deutlich gesteigert. Das Techniktraining nähert sich der Wettkampftechnik.
- In der Wettkampfphase werden wenige aber intensive Würfe ausgeführt. Ziel ist es, eine wettkampfstabile Technik zu installieren und Sicherheit zu vermitteln.
Exemplarische Wochentrainingspläne
Wochenbeispiel mit dem Schwerpunkt allg. Training | ||||||
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Montag | Dienstag | Mittwoch | Donnerstag | Freitag | Samstag | Sonntag |
30 min Dauerlauf 100 allg. Würfe 40 min Spiel Gymnastik | 30 min Spiel 6 x 200 m Tempolauf 30 min Sprungkreis Gymnastik | frei | 30 min Spiel 400 kl. Kraftübungen mit kl. Gewicht 100 allg. Würfe 40 min kl. Spiele Gymnastik | 40 min Dauerlauf 10x100 m Tempol. 300 kl. Sprünge Turnen oder Spiel Gymnastik | frei | 1 Std. Schwimmen oder Radfahren |
Wochenbeispiel mit dem Schwerpunkt Kraft | ||||||
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Montag | Dienstag | Mittwoch | Donnerstag | Freitag | Samstag | Sonntag |
Aufwärmen 400 Übungen kl. Kraft 100 horizontale Sprünge 80 allg. Würfe mit der Kugel Gymnastik | Spiel 150 Übungen allg. Kraft mit der Langhantel 25 Kugelwürfe mit 600 g a.d. Stand und 1er-Rhythmus 8 x 30 m Sprint Gymnastik | Aufwärmen 20 min Imitationen Gymnastik | frei | Spiel 150 Übungen Kraft mit der Langhantel 25 Vollballwürfe bis 2 Rhythmen 200 kl. Sprünge Gymnastik | 20 min DL 1 Stunde Fitness-Studio | frei |
Wochenbeispiel mit dem Schwerpunkt Würfe | ||||||
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Montag | Dienstag | Mittwoch | Donnerstag | Freitag | Samstag | Sonntag |
Aufwärmen 20 min Schulterkraft 30 min Imitation mit demSpeer 10 x 20 m Sprint kl. Sprünge Gymnastik | Spiel 300 Wdhg. allg. Kraft 20 spez. Würfe mit 600g 20 min Bauch und Rücken 30 min and. Sportarten Gymnastik | frei | Aufwärmen 15 min. Imitation 30 Technik- 10 Antritte 100 kl. Sprünge Gymnastik | Spiel 100 Übungen Kraft mit der Langhantel 20 min Schulterkraft Turnen Gymnastik | Aufwärmen 15 min Imitation 30 Technik- 5 x 60 m Tempoläufe 7 x 5er Sprunglauf Gymnastik | Aufwärmen 20 min Schulter- 30 min Imitation mit dem Speer 10 x 20 m Sprint kl. Sprünge Gymnastik |