Diskuswurf: Der Dreh mit der Scheibe
Von Jürgen Schult
Die Bildreihen 1481 und 1482 zeigen den zweit- und drittbesten deutschen Diskuswerfer 2011, die in der Bestenliste hinter Weltmeister Robert Harting platziert sind.
Martin Wierig
Die Bildreihe 1481 zeigt Martin Wierig im ersten Versuch bei den Halleschen Werfertagen 2011, als er den Diskus auf 67,21 Meter schleuderte.


Anschwungphase und Drehbeginn
Martin Wierig beginnt den Wurf mit einem dynamischen Betreten des Rings bis zum Umkehrpunkt des Diskus in der Ausgangsposition. Im Umkehrpunkt des Diskus werden beide Arme anforderungsgerecht auf Schulterhöhe geführt und Rumpf und Hüfte in Vorspannung versetzt. Der Wurfarm wird weit nach hinten geführt (s. Bild 1). Der rechte Fuß bleibt stehen und bremst somit den Anschwung ab. Die linke Seite wird nicht zu sehr aufgedreht, damit die Spannung in der Hüfte optimal aufgebaut werden kann. In einer etwas weiteren Rückführung des Kopfs ist eine Reserve zu sehen.
Umsprungphase und erste Hauptbeschleunigung
Beim Verlagern des Körpers vom rechten auf das linke Bein und dem gleichzeitigen Eindrehen des linken Fußes wird der Körper abgesenkt und das Gewicht so weit wie möglich auf links verlagert. Der rechte Fuß bleibt lange stehen, um die Spannung in der Hüfte zu vergrößern (s. Bilder 2 und 3). Die Führung beider Arme wird weiterhin auf Schulterhöhe realisiert. Die Kopfführung könnte in dieser Phase etwas ruhiger gestaltet werden, um die Verwringung zwischen Hüft- und Schulterachse (acht Grad) zu optimieren. Zum Vergleich: Beim Litauer Virgilius Alekna beträgt die Verwringung in dieser Phase etwa 50 Grad.
Martin Wierig dreht den linken Fuß weit genug ein. Aus der großen Vorspannung in der Hüfte wird das Schwungbein weit aus dem Wurfkreis herausgeführt (s. Bilder 4 bis 6). Der Wurfarm fällt in dieser Phase etwas nach unten. Der Schwungbeineinsatz und der Abdruck links sind optimal. Durch den zu aktiven Kopf wird die Körperposition nicht lange genug in Wurfrichtung gehalten (s. Bilder 5 bis 7). Daraus resultiert eine negative Verwringung zwischen Hüft- und Schulterachse von minus vier Grad. Das Aufsetzen des rechten Fußes (s. Bild 10) erfolgt anforderungsgerecht auf dem Fußballen und deutlich über der Ringmitte.
Amortisationsphase (Abwurfvorbereitung)
Der linke Fuß wird aktiv zum Setzen gebracht (s. Bilder 11 und 12). Der rechte Fuß zeigt beim Setzen links noch nach hinten. Martin Wierigs Kopf und auch der Oberkörper sind in dieser Phase zu früh aktiv. Im Optimalfall sollten beim Setzen links (s. Bild 12) der linke Arm und der Kopf noch nach hinten zeigen und der Wurfarm noch hinter dem Körper zu sehen sein. Dies ist bei Martin Wierig nicht der Fall.
Der Geschwindigkeitsverlust des Körperschwerpunkts zwischen dem Setzen rechts und dem Setzen links ist mit 0,34 Sekunden im Durchschnittsbereich anderer Spitzenwerfer.
Abwurfphase und zweite Hauptbeschleunigung
Die Wurfauslage ist mit 90 Zentimetern optimal für einen Sprungabwerfer. Die Dreh-Druckarbeit der rechten Seite (s. Bild 13) zum Abwurf wird anforderungsgerecht ausgeführt. Die Differenz im Kniegelenkswinkel rechts zwischen dem Setzen links und Abwurf liegt mit 29 Grad im oberen Bereich ähnlich leistungsstarker Werfer. Entwicklungspotenzial besteht noch in einer länger flach geführten und erst am Ende deutlich nach oben gerichteten Druckarbeit. Die Streckung zum Abwurf aus beiden Beinen ist ebenso vorbildlich wie der Abwurf.
Martin Wierig schleudert die Scheibe auf 67,21 Meter
Markus Münch
Die Bildreihe 1482 zeigt Markus Münch bei den Halleschen Werfertagen 2011 mit einem Wurf auf 63,82 Meter.


Anschwungphase und Drehbeginn
Markus Münch beginnt den Wurf ebenfalls mit einem dynamischen Betreten des Rings bis zum Umkehrpunkt des Diskus in der Ausgangsposition. Im Umkehrpunkt des Diskus (s. Bild 1) werden beide Arme anforderungsgerecht auf Schulterhöhe geführt und Rumpf und Hüfte in Vorspannung versetzt. Der Wurfarm wird weit nach hinten geführt. Der rechte Fuß bleibt stehen und bremst somit den Anschwung ab. Auch die linke Seite wird im Fuß nicht zu sehr aufgedreht, damit die Spannung in der Hüfte optimal aufgebaut werden kann. Wie schon bei Martin Wierig ist auch hier in der Rückführung des Kopfs eine Reserve zu erkennen, ebenso in einer noch besseren Verlagerung des Körpers auf das rechte Bein. Beides hätte eine bessere Verwringung zur Folge.
Umsprungphase und erste Hauptbeschleunigung
Der Kopf bleibt vor Ende des Anschwungs stehen und greift nachfolgend frühzeitig in die Bewegung ein. Damit begünstigt er das Kippen der Körperlängsachse nach hinten (s. Bilder 2 und 3). Dies ist auch der Grund, warum die Verlagerung des Körpers auf das linke Bein und damit auch das Eindrehen links nicht optimal gelingen. Das anforderungsgerechte Eindrehen des linken Fußes und die Positionierung des Körpers über dem linken Fuß werden hier deutlich erschwert. Zu erkennen ist dies am zu kleinen Winkel zwischen dem linken Unterschenkel und dem Boden beim Abdruck. Die Verwringung zwischen Hüft- und Schulterachse beträgt in dieser Phase 42 Grad. Dieser Wert liegt im Durchschnitt vergleichbarer Werfer. Im weiteren Verlauf werden der linke Arm und wiederum der Kopf zu früh aus der Wurfrichtung genommen (s. Bilder 6 und 7). Grund hierfür ist die zuvor suboptimale Position des Körpers über links beim Abdruck. Aus dieser Position kann von links nicht optimal in Wurfrichtung abgedrückt werden und es wird nicht genügend Antrieb für den Umsprung erzeugt. Bezeichnend hierfür ist der Winkel zwischen Hüfte und Schulter von fünf Grad. Das Schwungbein wird weit und anforderungsgerecht um die linke Seite beschleunigt (s. Bilder 5 bis 8). Das Aufsetzen des rechten Fußes erfolgt gut, aber etwas zu weit über der Ringmitte (s. Bild 10). Der Umsprungweg beträgt 1,39 Meter. Der rechte Fuß könnte besser unter den Körper gebracht werden. Das Anwinkeln des linken Unterschenkels (s. Bild 10) ist nicht zielführend. Aus dieser Position heraus wird mehr Zeit zum Setzen des linken Beins benötigt als bei einem aktiven Fußaufsatz auf direktem Weg. Der Wurfarm ist beim Setzen rechts in optimaler Haltung in Verlängerung der Schulterachse.
Amortisationsphase (Abwurfvorbereitung)
Durch den nicht optimal unter dem Körper setzenden rechten Fuß fällt Markus Münch durch das Weiterarbeiten mit rechts leicht nach hinten (s. Bild 11). Kopf und linker Arm sind hier schon zu aktiv. Der rechte Fuß wird optimal unter Spannung auf dem Fußballen gehalten. Die Wurfauslage fällt für einen 2,07 Meter großen Werfer mit 0,78 Meter etwas zu klein aus. Die Zeitdifferenz zwischen Setzen rechts und Setzen links ist mit 0,16 Sekunden anforderungsgerecht. Der Geschwindigkeitsverlust des Körperschwerpunkts beträgt 0,45 Sekunden und liegt somit im Durchschnittsbereich anderer Werfer.
Beim Setzen links (s. Bild 12) sollte der linke Arm noch entgegengesetzt der Wurfrichtung zeigen und der rechte Arm hinter dem Körper zu sehen sein. Beides gelingt durch den zu früh aktivierten Oberkörper nur unzureichend. Nachfolgend fällt der Wurfarm etwas zu tief ab.
Abwurfphase und zweite Hauptbeschleunigung
Die Dreh-Druckbewegung aus der rechten Seite ist nach vorn-oben gerichtet (s. Bild 13), wobei der nach oben gerichtete Druck überwiegt. Dies ist die Folge der zu engen Wurfauslage. Der Unterschied im Kniegelenkswinkel des rechten Beins zwischen Setzen links und dem Abwurf liegt mit 34 Grad rund 10 Grad über dem Durchschnittswert anderer Werfer. Der Wurfarm passiert den Körper anforderungsgerecht leicht unter Schulterhöhe. Im Moment des Abwurfs werden beide Beine gestreckt. Die Rückneigung des Kopfs (s. Bild 14) ist in der Phase als ein Grund für die suboptimale Druckentwicklung nach vorne zum Abwurf einzuschätzen. Die Abwurfgeschwindigkeit ist mit 23,7 Metern pro Sekunde noch steigerungsfähig.
63,28 Meter von Markus Münch
In Ausgabe 11/2011 der Zeitschrift leichtathletiktraining finden Sie weitere Angaben zu den beiden Werfern. So kommen u.a. ihre Vereinstrainer zu Wort und es werden exemplarische Wochentrainingsläne zu verschiedenen Trainingsabschnitten dargestellt.