Hochsprung: Przybylko und Brenner im Fokus
Von Jan-Gerrit Keil
Mateusz Przybylko
Die Bildreihe zeigt Mateusz Przybylko mit einem Sprung über 2,08 Meter bei der Juniorengala in Mannheim 2010. - (In leichtathletiktraining 2+3/2011 fälschlicherweise als Sprung über 2,06 Meter ausgewiesen)


Bild 1 zeigt den letzten ballenbetonten Fußaufsatz mit dem Sprungbein vor dem Absprung. Zwei Schritte vor dem Take-off hält Mateusz Przybylko gut die Kurveninnenlage. Auffällig sind die noch aus der Beschleunigung bestehende „Sprintvorlage“ und eine leichte Verwringung der Schulterachse zur Beckenachse.
Bild 3 zeigt mit der so genannten Schwungbeinhocke eine Schlüsselposition im Hochsprung. In dieser Position durchläuft der Körperschwerpunkt des Athleten den tiefsten Punkt, von hieran beginnt der vertikale Beschleunigungsweg des Springers: Mateusz Przybylko zeigt hier eine ausgeprägt tiefe Schwungbeinhocke mit ganzsohligem Fußaufsatz. Die starke Sprintvorlage des Oberkörpers aus dem Anlauf kann nicht mehr korrigiert werden. Das Sprungbeinknie hat das über den Stütz geschobene Schwungbeinknie bereits überholt. Der Athlet ist hier zu wild und stürmt sozusagen „kopfüber“ auf die Latte zu, die er mit den Augen bereits fixiert hat. Die weiteren Bewegungsabläufe sind als Folgefehler dieses (der Aufregung geschuldeten) ungestümen Verhaltens zu sehen.
In Bild 4 ist das Auflösen der Schwungbeinhocke zu erkennen. Auf Grund des starken Absenkens und der starken Oberkörpervorlage hat der Athlet hier Schwierigkeiten, schnell über den Stütz zu kommen. Das Kniegelenk ist stark gebeugt und die Hüftposition noch tief. Die Arme sind weit zurückgeführt, um den folgenden Absprung zu unterstützen. Das Kniegelenk des Sprungbeins ist noch bei etwa 90 Grad gewinkelt. Das Sprungbein schwebt nur leicht über dem Boden, die Fußspitze ist angezogen.
Bild 5 zeigt wie das peitschenartig ausgekickte Sprungbein fast in einer säbelartigen Überstreckung über den Hüftzug aktiv zum Boden geschlagen wird. Hier spiegelt sich eine der Qualitäten des Athleten wieder. Es gelingt ihm aus dieser hohen Geschwindigkeit und trotz der Vorlage noch einen effektiven Absprung anzusteuern. Die Oberkörpervorlage kann allerdings nicht mehr korrigiert werden. Es ist davon auszugehen, dass die Mehrzahl der Athleten spätestens in dieser Position zu einem Vorwärtssalto unter der Latte hindurch durch angesetzt hätten.
Bild 6 zeigt den Fußaufsatz zu Beginn des Take-offs. Angesichts der mitgebrachten Körpervorlage gelingt dem Athleten noch eine recht gute Körperstreckung. Die Schulterachse ist leicht verwrungen und der Kopf zur Latte gerichtet. Die Schwungelemente (Arme und Schwungbein) befinden sich hinter dem Körper, sind aber bereits auf dem Weg nach vorn, um den Absprung zu unterstützen.
Während der Amortisation (s. Bild 7) führt Mateusz Przybylko das Schwungbein als kurzes Pendel und das Schwungbeinknie befindet sich auf Höhe des Sprungbeinknies. Die Arme werden jetzt leicht asynchron bewegt, weil der linke Arm aus dem Doppelarmschwung in einen Führarmeinsatz übergeht. Der Hüftknick ist ausgeprägt. Dies scheint eine Folge der unvollkommenen Sprungauslage zu sein. Das Verlassen des Bodens (s. Bild 8) erfolgt erwartungsgemäß mit einer deutlich zu erkennenden Vorlage. Das Schwungbein blockt Mateusz Przybylko kurz über der Horizontalen in einem spitzen Kniegelenkswinkel. Es zeigt in dieser Position bereits leicht von der Anlage weg. Die Schwungarme sind ebenfalls effektiv im rechten Winkel geblockt, wobei die Bewegung vom linken Arm geführt wird.
Die Bilder 9 bis 12 zeigen die Steigephase des Sprungs. Diese ist hier durch eine starke horizontale Komponente in Folge der Vorwärtsrotation im Absprung geprägt: Mateusz Przybylko hält die Arme bis zur Lattenpassage oben, danach leitet der linke Arm die Phase des Abtauchens hinter der Latte ein. Beim flüchtigen Betrachten könnte man meinen, der Athlet hätte das Schwungbeinknie deutlich überrissen und nun Schwierigkeiten eine effektive Lattenpassage einzuleiten. Tatsächlich zeigt er in den Bildern 10 und 11 aber ein deutliches Hüftabsenken im Sinne einer so genannten Sit-and-Kick-Technik.
In Bild 13 ist das geschickte Auflösen der Hüftabsenkung in eine vorbildliche Überstreckung zu erkennen. Die Schultern und der Kopf befinden sich deutlich unterhalb der Hüftlinie. Bild 14 zeigt, dass zum Lösen der Beine von der Latte lediglich ein leichtes Ausstrecken der zuvor angewinkelten Unterschenkel nötig ist. Die bereits beim Absprung erzeugte Seitwärtsrotation und das durch die enge Brückenposition hohe Drehmoment reichen aus, um den Körper von der Latte weg rotieren zu lassen. In Folge dessen und auf Grund der hohen Fallhöhe gelingt Mateusz Przybylko hier fast ein Rückwärtssalto (s. Bilder 15 und 16). Dass dazu noch eine sehr starke Seitwärtsdrehung in Richtung des zweiten Ständers kommt, ist immer noch der bereits im Absprung mitgenommenen zu starken Vorwärtsrotation geschuldet.
Alles in allem gelingt es ihm trotz der beschriebenen Fehler, noch einen passablen Sprung abzuliefern. Dies hat er vor allem seinem aktiven, über den Hüftzug und Unterschenkelkick initiierten sehr schnellen Absprung (bei vergleichbaren Sprüngen wurden beim Take-off Kontaktzeiten von 145 ms gemessen) und seinem Bewegungsgeschick während der Lattenpassage zu verdanken.
Mateusz Przybylko floppt über 2,08 Meter
Melina Brenner
Die Bildreihe zeigt einen Sprung von Melina Brenner über 1,82 Meter während eines DLV-Kaderlehrgangs im Dezember 2010 in Frankfurt.


Die Bilder 1 bis 3 zeigen Melina Brenner im vorletzten Schritt. Die zu Beginn zu erkennende leichte Oberkörpervorlage wird im Laufe dieser drei Bilder fast vollständig aufgelöst. Der Abdruck erfolgt über den Fußballen, wobei keine vollkommene Streckung im Hinterstütz erreicht wird.
Die Schwungbeinhocke ist bei Melina Brenner (s. Bild 4) deutlich weniger ausgeprägt als bei Mateusz Przybylko. Sie wählt die sprintgemäße Variante über den Ballenstütz. Die Oberkörpervorlage ist minimal vorhanden, das Sprungbeinknie hat das Schwungbein bereits überholt und wird eng geführt. Insgesamt „trifft sich“ die Athletin hier im vorletzten Stütz sehr ordentlich.
In den Bildern 5 bis 7 unterläuft die Hüfte den Oberkörper, der zur Sprungauslage in leichte Rücklage gerät. Ein minimaler Hüftknick bleibt während des deutlich sichtbar über die Ferse eingeleiteten Fußaufsatzes (s. Bild 7) bestehen. Aus der normalen Armarbeit wird durch das Hochführen und Strecken des rechten Arms eine so genannte „Führarm-Entlastungstechnik“ eingeleitet, wie sie vor allem bei Frauen häufig beobachten werden kann.
Das Schwungbein wird in der Amortisation als kurzes schnelles Pendel eng unter dem Po geführt. Der Fußaufsatz im letzten Schritt wirkt sehr nah an der Matte, hier verkürzt aber die Kameraperspektive, tatsächlich beträgt der Abstand des Fußes zur Mattenkante 82 Zentimeter und liegt damit vollkommen im normalen Bereich.
Bild 9 zeigt sehr schön die Absprunggestalt beim Lösen des Sprungfußes vom Boden. Die Achse Sprungbein – Hüfte – Oberkörper ist nahezu vollständig gerade, die Streckung beinahe vollständig. Im Moment des Abflugs ist eine geringfügige Rücklage des gesamten Körpers zu erkennen. Das Schwungbein wird etwas unterhalb der Waagerechten effektiv geblockt.
In Bild 10 der Lehrbildreihe wird die etwas zu starke seitliche Neigung zur Latte deutlicher. Von der Längsachsenrotation ist noch nicht viel zu sehen, Melina Brenner steigt noch weitestgehend parallel zur Latte. Der Unterschenkel des Schwungbeins läuft leicht nach vorn, während das Knie minimal von der Latte weggedreht ist.
Melina Brenner zeigt in der Lattenpassage (s. Bilder 11 und 12) eine andere Lösungsvariante als Mateusz Przybylko. Sie bevorzugt ein sinkendes Schwungbein, das während des Steigens des gesamten Körpers von der Hüfte überholt wird, bis beide Beine eine nahezu parallele Position eingenommen haben (s. Bild 12). Dabei taucht der Führarm hinter der Latte ab, während der freie Arm eng am Körper anliegend auf dem Bauch gehalten wird.
Der Sprung wurde mit einem etwas zu geringen Aufrichtimpuls und einer minimal zu geringen Längsachsenrotation ausgeführt, sodass die Athletin gezwungen war, sich etwas zu sehr in Richtung des ersten Ständers „hineinzulegen“. Hier zeigt Melina Brenner genau das gegenteilige Phänomen zu Mateusz Przybylko, der deutlich in Richtung des zweiten Ständers springt.
Die Brückenposition mit einer Überstreckung von 222 Grad gelingt der Athletin in diesem Sprung sehr gut (s. Bild 13). Zwischen der Latte und der Athletin ist noch deutlich mehr als eine Hand breit Luft, die effektive Sprunghöhe beträgt etwa 1,89 Meter.
Die Bilder 14 bis 16 zeigen, wie schon bei Mateusz Przybylko, ein Auflösen der Überstreckung mit Hilfe des Unterschenkelkicks und ohne unnötige Klappmesserposition.
Melina Brenner meistert im Training 1,82 Meter
Die ausführlichen Kommentierungen der Bildreihen finden Sie in Ausgabe 2+3/2011 der Zeitschrift leichtathletiktraining (erhältlich beim Philippka-Sportverlag), ergänzt durch Hintergrundinformationen zu bestimmten Schlüsselpositionen in der Technik und Aussagen der Heimtrainer beider Athleten.