Weitsprung: Die Jüngste flog am weitesten
Von Uli Knapp
Die Bildreihen zeigen die drei Erstplatzierten der Deutschen Juniorenmeisterschaften 2011 in Bremen mit ihren jeweils dort erzielten besten Sprüngen. Während Lena Malkus bei den Meisterschaften auch ihre persönliche Bestweite aufstellte, blieben sowohl Sosthene Taroum Moguenara als auch Ksenia Achkinadze dort deutlich hinter ihren bisher besten Leistungen zurück. Die technischen Unterschiede im Vergleich zu ihren jeweils besten Sprüngen werden in die nachfolgende Kommentierung einbezogen.


Ksenia Achkinadze springt zu Bronze


Sosthene Taroum Moguenara Zweite mit 6,46 Meter
Sosthene


Lena Malkus mit dem weitesten Satz
Anlaufgestaltung
Ksenia Achkinadze zeigt eine sehr entspannte Schulterhaltung, ihre Arme könnten etwas besser durchschwingen, dadurch fällt auch der Kniehub (s. Bildreihe 1475, Bild 2) eher niedrig aus. In der Armrückführung (s. Bild 3) sollte der Winkel zwischen Ober- und Unterarm kleiner sein. Ihre Körperposition kurz vor dem Absprung weist eine leichte Rücklage auf, die sich zum Absprung hin noch etwas verstärkt.
Sosthene Taroum Moguenara lässt die Arme etwas besser „laufen“ als Ksenia Achkinadze, könnte aber vor allem im Rückschwung noch mehr durchschwingen (s. Bildreihe 1476, Bilder 2 und 3). Der Unterarm sollte annähernd senkrecht zum Boden stehen. Die Wattenscheiderin zieht die Schultern leicht hoch und verkrampft dabei etwas, wodurch sie auch in eine minimal „sitzende“ Sprintposition gerät. Die Körperposition vor dem Absprung weist eine anzustrebende minimale Vorlage auf, wodurch sie sich sehr gut im Körperschwerpunkt trifft.
Lena Malkus Sprintposition im Anlauf ist nahezu optimal. Sie lässt die Arme sehr gut durchschwingen, wodurch der Kniehub (s. Bildreihe 1477, Bild 2) entsprechend unterstützt wird. Die Winkelstellungen der Arme sind sehr nahe am Idealbild. Ihre Anlaufgeschwindigkeit auf den letzten fünf Metern vor dem Absprung war mit 9,54 Meter pro Sekunde deutlich höher als die ihrer Konkurrentinnen.
Absprungvorbereitung und Absprung
Ksenia Achkinadze setzt den zweitletzten Schritt gut über die Ferse. Eine Schlüsselposition in der Absprungvorbereitung wird in Bild 5 (s. Bildreihe 1475) deutlich. Hier sollte im Moment des Fußaufsatzes das spätere Sprungbein gerade das Standbein überholt haben. Der Frankfurterin gelingt dies hier sehr gut. Allerdings ist ihre Körperposition vor dem Absprung etwas zu stark „rücklagebetont“ (s. Bilder 3 bis 8). Ihr letzter Schritt fällt mit 1,98 Metern etwas zu kurz aus.
Das Absenken des Körperschwerpunkts liegt mit sechs Zentimetern im unteren Normbereich. Der Fußaufsatz beim Absprung erfolgt wie gewünscht mit aktiver Fußspitze über den ganzen Fuß (s. Bilder 7 und 8). Ksenia Achkinadze beschleunigt ihren Körperschwerpunkt im Absprung auf 2,68 Meter pro Sekunde. Dieser Wert liegt unter dem Normbereich. Kurz nach dem Absprung nimmt die Frankfurterin den Kopf zu stark in den Nacken (s. Bilder 9 bis 12). Dies führt in der Folge zu Fehlern in der Flugphase.
Sosthene Taroum Moguenara gelingt es in ihrem Sprung nicht ganz, den zweitletzten Schritt über den ganzen Fuß aufzusetzen. Diese Position beinahe auf dem Fußballen erschwert eine optimale, druckvolle Absprungvorbereitung. Der Fußaufsatz im Absprung selbst erfolgt korrekt (s. Bildreihe 1476, Bild 8), allerdings verschenkt sie am Brett ganze 19 Zentimeter. Dieses Verschenken erklärt auch die Schrittgestaltung mit einem deutlich zu langen letzten Schritt (2,29 Meter). Bei ihrem Sprung auf 6,62 Meter in diesem Jahr in Weinheim verschenkte Sosthene Taroum Moguenara am Brett nur sechs Zentimeter. Der letzte Schritt wurde dort mit 2,09 Meter gemessen. Die Schrittgestaltung und das Verschenken am Balken machen den Großteil des Weitenunterschieds zwischen beiden Sprüngen aus.
In Bild 5 sollte sich das Absprungbein schon etwas mehr vor dem Standbein (Schwungbein) befinden. Die Beschleunigung des Körperschwerpunkts betrug 3,12 Meter pro Sekunde. Dies ist ein extrem hoher Wert, wie man ihn in der absoluten Weltklasse vorfindet. Sie verliert allerdings nach dem Absprung mit 1,59 Meter pro Sekunde relativ viel Geschwindigkeit, was auf ein zu starkes Stemmen im Absprung hindeutet.
Sosthene Taroum Moguenara senkt ihren Körperschwerpunkt vor dem Absprung nur um fünf Zentimeter ab und liegt damit gerade noch im Normbereich. In Weinheim gelang ihr dies mit neun Zentimetern besser.
Auch die Wattenscheiderin nimmt ihren Kopf im Absprung und besonders danach zu stark in den Nacken (s. Bilder 8 bis 12). Dies führt dazu, dass sie mit einer sehr starken Rücklage abspringt. Die Unterstützung der Arme im Absprung wird etwas zu früh aufgelöst, wodurch die Arme in der anschließenden Flugphase zu stark der Sprungbewegung „vorweg laufen“.
Lena Malkus setzt ihren zweitletzten Schritt gut über den ganzen Fuß auf. Auch bei ihr könnte das Absprungbein, idealtypisch schon etwas mehr am Schwungbein vorbeigelaufen sein. Sehr auffallend ist das nahezu gestreckte „Auskicken“ des Beins im zweitletzten Schritt (s. Bildreihe 1477 , Bild 3) – ein technisches Merkmal, das bei vielen Springern im Weltklassebereich vorzufinden ist. Dadurch gelingt es ihr besonders gut, die Energie des Anlaufs in den Absprung zu übertragen. Die Unterstützung der Arme im Absprung ist gut ausgeprägt.
Lena Malkus lässt ihren Kopf im Absprung (s. Bild 8) anders als ihre Konkurrentinnen in einer natürlichen Position, was ihr ein relativ entspanntes Weiterarbeiten in der anschließenden Flugphase ermöglicht. Ihren viertletzten Schritt setzte sie bei 9,28 Meter. Sie befindet sich damit im Vergleich zu Ksenia Achkinadze (8,52 Meter) und Sosthene Taroum Moguenara (8,86 Meter) wesentlich weiter vom Absprungbalken entfernt. Der zweitletzte Schritt fällt bei diesem Sprung mit 2,63 Meter extrem lang aus, allerdings beobachtet man in der Weltklasse viele Springerinnen mit dieser Tendenz. Das Absenken des Körperschwerpunkts betrug beim dargestellten Sprung elf Zentimeter. Mit diesem Wert bewegt sie sich im oberen Normbereich.
Flugphase und Landung
Bedingt durch die starke Nackenposition ihres Kopfes nach dem Absprung gelingt es Ksenia Achkinadze nicht, ihr Hüftgelenk im höchsten Punkt der Flugphase ausreichend zu strecken (s. Bildreihe 1475, Bild 12). Ihre Arme eilen außerdem den Beinen in der Flugphase deutlich voraus. In Bild 13 befindet sich besonders der rechte Arm deutlich zu weit vor dem Körper.
Die Frankfurterin kann die Laufsprungtechnik nicht vollständig zu Ende führen. Sie nimmt ihr rechtes Bein etwas zu früh nach vorne und leitet damit die Landung ein (s. Bild 13). In der Landephase bewegt die Athletin ihren Oberkörper etwas zu früh und zu stark nach vorne, was eine leichte Vorwärtsrotation zur Folge hat. Diese Rotationsbewegung bewirkt wiederum eine unterdurchschnittliche Landeweite mit gleichzeitig zu hoher Landeposition und verhindert somit eine größere Sprungweite.
Sosthene Taroum Moguenara deutet einen Hangsprung an, den sie allerdings nicht mit ganzer Konsequenz „durchzieht“. Auch bei ihr laufen die hier etwas zu stark angewinkelten Arme, den Beinen voraus (s. Bildreihe 1476 , Bilder 12 und 13). Dabei entsteht relativ viel Unruhe im Sprung. Bei der Wattenscheiderin führt die starke „Nackenposition“ des Kopfs zu einer leicht verkrampften Körperhaltung mit fehlender Hüftstreckung im Flug und einer dadurch bedingten ungünstigen Rücklage. Die Landung gelingt ihr dann allerdings recht gut. Sie verliert gegenüber vielen früheren Versuchen nur wenig Weite durch Nachrutschen in den Sand.
Lena Malkus hält ihren Kopf nach dem Absprung entspannt und stabil. Der Blick ist nach vorn gerichtet. Sie führt die Arme gegengleich und annähernd gestreckt zur Beinbewegung. Ihre Laufsprungtechnik wirkt schon recht stabil, sie erreicht in Bild 13 (s. Bildreihe 1477) die angestrebte Position kurz vor der Landeeinleitung. Beide Arme zeigen hier fast parallel nach oben. Aus dieser Position wird die Landung durch das aktive seitliche Vorbeiführen der Arme eingeleitet. Sie könnte in der Position auf Bild 14 ihre Beine noch etwas näher zum Oberkörper führen. Dadurch würde die nachfolgende Landung noch besser vorbereitet werden.
In leichtathletiktraining 8/2011 sind im Rahmen einer ausführlichen Kommentierung der Bildreihen, weitere biomechanische Daten sowie Angaben zur Leistungsentwicklung und zum Training der Athletinnen in den verschiedenen Trainingsperioden zu finden.