| Disziplin-Check 2020

DREISPRUNG FRAUEN | Eine Auszeit, eine Verletzung, eine Premiere und ein Top-Talent

Abgebrochene Trainingslager, phasenweise sportlicher Stillstand, die Olympia-Absage, eine zaghafte Rückkehr ins Training, erste Wettkämpfe und dann doch noch eine Late Season mit einigen bemerkenswerten Leistungen: Die Saison 2020 im Jahr der Corona-Pandemie war eine ganz besondere, die allen Beteiligten viel abverlangt hat. Wir blicken mit den Disziplinverantwortlichen im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) zurück auf die vergangenen Monate, ziehen Bilanz und wagen einen Ausblick auf die Olympia-Saison 2021. Heute: der Dreisprung der Frauen.
Nicolas Walter

Fazit des Bundestrainers

Charles Friedek, wie haben Sie persönlich das Corona-Jahr 2020 erlebt – als Bundestrainer und als Heimtrainer?

Charles Friedek:

Das Corona-Jahr kann in jeder Hinsicht als eine besondere Herausforderung gesehen werden. Als der Lockdown kam, war vergleichsweise wenig über Corona bekannt. Viele Fragen standen im Raum, wie würde es weitergehen und wie werden sich überhaupt die Geschehnisse entwickeln. Teilweise wurden apokalyptische Szenarien gezeichnet, die den Sport zunächst zurücktreten ließen. Alle Athleten haben so gut es ging versucht, ihr Training unter den gegebenen Umständen fortzuführen. Allerdings waren die Modalitäten hierfür durchaus ungleich, während manche Standorte lange geschlossen waren, konnte man an einigen Standorten zumindest als Kaderathlet relativ zeitnah normal weitertrainieren.

Was waren die größten Herausforderungen für Sie und die deutschen Dreispringerinnen?

Charles Friedek:

Spannend war sicher alternatives Training außerhalb der gewohnten Sportstätten zu organisieren und auch zu „coachen“, was dann teilweise auch per Video geschehen musste.

In einer technischen Disziplin ist zeitweise durchaus allgemeines Training angesagt, aber irgendwann sollte und muss sprungspezifisch gearbeitet werden. Krafttraining war überhaupt nicht auf normalem Niveau denkbar, Mehrfachsprünge konnten Probleme aufgrund der Härte und Unebenheit des Bodens bringen, Sprints hatten witterungsbedingt nicht die erforderlichen Geschwindigkeitsbereiche.

Letztlich war es aber wichtig für die Athleten zu wissen, warum sie das machen und was die Zielsetzung bzw. der Saisonhöhepunkt für dieses Jahr war. Hier war es schon sehr wichtig, dass eine „Late Season“ stattfand, auf die man bis dato nur spekulativ hinarbeitete.

Welche Athletinnen haben sich 2020 trotz der veränderten Rahmenbedingungen am positivsten entwickelt?

Charles Friedek:

Die Deutschen Meisterschaften brachten, aufgrund des Auslassens von Kristin Gierisch sowie der Verletzung von Neele Eckhardt beim Einspringen, mit Maria Purtsa eine „neue“ Meisterin hervor, die sich einen spannenden Zweikampf mit Jessie Maduka lieferte. Maria Purtsa hat sich leider ebenfalls auf Feldwegen und unter widrigen Bedingungen vorbereiten müssen. Trotz Corona war es ebenfalls das Jahr von Caroline Joyeux, die als Jugendliche in Braunschweig ihre Bestleistung auf 13,37 Meter steigerte und damit den dritten Platz belegte. Das war die beste Leistung einer U20-Athletin seit Kristin Gierisch und Jenny Elbe.

Wie wollen und können Sie die Kader-Arbeit in Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in den kommenden Monaten gestalten?

Charles Friedek:

Momentan gilt es noch zu prüfen, unter welchen Umständen Klimatrainingslager realisierbar sind und ob und wie ein Zusammenzug der besten Springerinnen überhaupt sinnvoll ist, auch hinsichtlich der Planungssicherheit. Je nach Situation sind allenfalls individuelle Maßnahmen an den jeweiligen Trainingsstandorten möglich. Ferner gilt es, erneut ein Wettkampfprogramm in der Halle zu schaffen, da bereits dort die Normen für die Olympischen Spiele in Tokio erfüllt werden können. Hinsichtlich der Realisierung gilt aber auch hier, die gegenwärtige Situation zu beobachten und Alternativen im Hinterkopf zu haben.

Welche Präsenz und Leistung erhoffen Sie sich in Tokio von den deutschen Dreispringerinnen?

Charles Friedek:

Die besten Aussichten auf eine Teilnahme an den Olympischen Spielen haben Kristin Gierisch und Neele Eckhardt. Kristin ist mit 14,61 Meter bereits formal für Tokio qualifiziert und hat damit nicht mehr den Druck der rechtzeitigen Normerfüllung. Neele Eckhardt könnte sich idealerweise bereits in der Hallensaison für Tokio qualifizieren, was natürlich das Wunschszenario wäre. Im Finale traue ich beiden Springerinnen Bestleistungen zu.

Mit welchen Hoffnungen und Erwartungen blicken Sie aufs Leichtathletik-Jahr 2021

Charles Friedek:

Zunächst hoffe ich, dass wir trotz der momentan steigenden Corona-Fallzahlen alle gut durch den Winter kommen. Dass der Zugang zu Sportstätten möglich ist, denn die Form für den Sommer wird im Winter gemacht. Normalität wünsche ich mir auch für die Athleten, die nicht potenzielle Olympiateilnehmer sind. Insbesondere dürfen wir den Nachwuchs nicht aus den Augen verlieren. Damit gehen auch deren Wettkampfangebote inklusive nationaler und internationaler Meisterschafen einher.
 

Unser "Ass des Jahres"

HALLE

Neele Eckhardt (LG Göttingen)

Deutsche Hallenmeisterin 2020
Deutsche Jahresbestleistung

FREILUFT

Maria Purtsa (LAC Erdgas Chemnitz)

Deutsche Meisterin 2020
Platz zwei in der deutschen Jahresbestenliste 2020

Unser "Talent des Jahres"

Caroline Joyeux

Deutsche U20-Meisterin 2020
Deutsche U20-Jahresbestleistung mit der besten deutschen U20-Weite seit 2009
 

Die deutschen Top Ten 2020

Dreisprung Frauen

Weite Name Jahrgang Verein
13,73 m Neele Eckhardt 1992 LG Göttingen
13,67 m Maria Purtsa 1995 LAC Erdgas Chemnitz
13,57 m Jessie Maduka 1996 ART Düsseldorf
13,37 m Caroline Joyeux 2001 LG Nord Berlin
13,21 m Stefanie Kuhl 1990 TSV Bayer 04 Leverkusen
12,84 m Anna Gräfin Keyserlingk 2003 LAV Bayer Uerdingen / Dormagen
12,81 m Imke Daalmann 1999 TSV Bayer 04 Leverkusen
12,80 m Tina Pröger 1995 TSV Zirndorf
12,80 m Ruth Hildebrand 2004 MTG Mannheim
12,69 m Sophie Ullrich 1999 Wiesbadener LV

Statistik – Das sagen die Zahlen

Das deutsche Top-Niveau: Dreisprung Frauen

Jahr Athletinnen > 14,10* Schnitt
Top 3
Schnitt
Top 5
Schnitt
Top 10
2005  – 13,66 13,49 13,28
2006  – 13,78 13,55 13,30
2007  – 13,60 13,48 13,30
2008  – 13,72 13,57 13,39
2009  1 14,02 13,87 13,68
2010  1 13,94 13,75 13,50
2011  1 13,97 13,72 13,33
2012  1 14,07 13,75 13,41
2013  1 13,82 13,62 13,40
2014  3 14,25 13,99 13,65
2015  2 14,03 13,75 13,42
2016  2 14,17 13,92 13,60
2017  2 14,15 13,88 13,46
2018  2 14,24 13,97 13,53
2019  2 14,23 13,89 13,49
2020 13,66 13,51 13,15

Entwicklung Jahresbestleistungen

Jahr Deutschland Europa Diff Welt Diff
2005 13,93 (Otto) 15,11 (Lebedeva/RUS) 1,18 15,11 (Lebedeva/RUS) 1,18
2006 13,96 (Demut) 15,23 (Lebedeva/RUS) 1,27 15,23 (Lebedeva/RUS) 1,27
2007 14,09 (Demut) 15,14 (Lebedeva/RUS) 1,05 15,28 (Savigne/CUB) 1,19
2008 14,00 (Demut) 15,32 (Lebedeva/RUS) 1,32 15,39 (Mbango Etone/CMR) 1,39
2009 14,20 (Demut) 15,14 (Alekhina/RUS) 0,94 15,14 (Alekhina/RUS) 0,94
2010 14,31 (Demut) 15,25 (Rypakova/KAZ) 0,94 15,25 (Rypakova/KAZ) 0,94
2011 14,57 (Demut) 14,98 (Saladuha/UKR) 0,41 14,99 (Savigne/CUB; Ibargüen/COL) 0,42
2012 14,21 (Demut) 14,99 (Saladuha/UKR) 0,78 14,99 (Saladuha/UKR) 0,78
2013 14,12 (Elbe) 14,85 (Saladuha/UKR) 0,73 14,85 (Saladuha/UKR) 0,73
2014 14,31 (Gierisch) 14,89 (Koneva/RUS) 0,58 15,31 (Ibargüen/COL) 1,00
2015 14,38 (Gierisch) 15,04 (Koneva/RUS) 0,66 15,04 (Koneva/RUS) 0,66
2016 14,31 (Gierisch) 14,74 (Rypakova/KAZ) 0,43 15,17 (Ibargüen/COL) 0,86
2017 14,40 (Gierisch) 14,42 (Mamona/POR) 0,02 14,96 (Rojas/VEN) 0,56
2018 14,45 (Gierisch) 14,60 (Papahrístou/GRE) 0,15 14,96 (Ibargüen/COL) 0,51
2019 14,61 (Gierisch) 14,64 (Nidbaykina/RUS) 0,03 15,41 (Rojas/VEN) 0,80
2020 13,73 (Eckhardt) 14,38 (Petrova/BUL) 0,65 14,71 (Rojas/VEN) 0,98

Das fällt auf:

  • Zum ersten Mal seit 2014 heißt die Führende der deutschen Jahresbestenliste am Ende des Jahres nicht Kristin Gierisch. Stattdessen legte Neele Eckhardt 2020 den weitesten Sprung hin.
  • 2020 nahm Kristin Gierisch lediglich an den Deutschen Hallenmeisterschaften in Leipzig teil. Augrund einer Operation an der Hand verpasste sie die anschließende Late Season.
  • Das Leistungsniveau der deutschen Springerinnen lag 2020 deutlich unter dem der Vorjahre. Zurückzuführen ist das auf die Verletzungen der Top-Athletinnen und auch auf die geringen Wettkampfmöglichkeiten im Corona-Jahr.
  • Caroline Joyeux ist die große Nachwuchs-Hoffnung der deutschen Dreisprung-Szene. Die Athletin der LG Nord Berlin krönte sich 2020 zur Deutschen U20-Meisterin und belegt mit 13,37 Metern den achten Platz in der weltweiten Jahresbestenliste ihrer Altersklase.
  • Auch international lag das Niveau im Freien deutlich unter dem der Vorjahre. Yulimar Royas (Venezuela) steht zum insgesamt dritten Mal zum Abschluss eines Jahres an der Spitze der Weltjahresbestenliste. Ihr Highlight 2020: der Hallen-Weltrekord von 15,43 Metern.

leichtathletik.TV-Clips:

Dreisprung

Die Disziplin-Analysen im Überblick:

Sprint Frauen
Sprint Männer
Langsprint Frauen
Langsprint Männer
Mittelstrecke Frauen
Mittelstrecke Männer
Langstrecke Frauen
Langstrecke Männer
Hürdensprint Frauen
Hürdensprint Männer
Langhürden Frauen
Langhürden Männer
Hindernis Frauen
Hindernis Männer
Hochsprung Frauen
Stabhochsprung Frauen
Stabhochsprung Männer
Weitsprung Frauen
Weitsprung Männer

* als Referenzwert dient die WM-Norm des Jahres 2017

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