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Bianca Stichling – Neue Impulse durch Wechsel nach Leverkusen zeigen Wirkung

Sieben DLV-Athletinnen und -Athleten haben sich bei der Hallen-DM Ende Februar erstmals in die Siegerliste eingetragen. Unter ihnen neue Gesichter sowie Athletinnen und Athleten, die schon mehrere Medaillen auf nationaler Ebene zu Hause haben und in Leipzig endlich ganz oben standen. Wir stellen sie vor. Heute: Hochspringerin Bianca Stichling (TSV Bayer 04 Leverkusen).
Jan-Henner Reitze

Bianca Stichling
TSV Bayer 04 Leverkusen

Bestleistung:

Hochsprung: 1,84 m (2021); Halle: 1,86 m (2022)

Erfolge:

Achte U23-EM 2021
Fünfte U18-WM 2017
Deutsche Hallenmeisterin 2022

Die Chance für aufstrebende Athletinnen, ins nationale Rampenlicht zu treten, bot das Hochsprungfinale der Frauen bei der Hallen-DM in Leipzig, nachdem Imke Onnen (Hannover 96) und Marie-Laurence Jungfleisch (VfB Stuttgart) ihre Teilnahme abgesagt hatten.

Die Deutsche Freiluftmeisterin von 2020 Christina Honsel (TV Wattenscheid 01) machte nach neuen Verletzungssorgen mit einem Sprung über 1,83 Meter zwar einen Schritt in die richtige Richtung. Es war aber eine andere Athletin, die sich den Titel holte: Bianca Stichling (TSV Bayer 04 Leverkusen) steigerte ihre drei Jahre alte Hallenbestleistung, aufgestellt beim Titelgewinn als Deutsche U20-Meisterin 2019, um einen Zentimeter auf 1,86 Meter und stand erstmals ganz oben auf dem nationalen Podium der Frauenklasse.

Nach einer Wintersaison erstmals nur mit Höhen jenseits der 1,80 Meter war der Titel erster, verdienter Lohn für eine Technikumstellung, die noch nicht vollständig abgeschlossen ist. Ziel der kontinuierlichen Arbeit der erst 22-Jährigen ist der Anschluss an die internationale Klasse. Nächster Schritt soll im Sommer der Angriff auf die 1,90 Meter sein. 

Erfolgreiche Jugend-Jahre enden mit einem Rückschlag

Ihren Weg in die Leichtathletik begann Bianca Stichling im Alter von acht Jahren in ihrer Heimat Weinheim. „Vorher hatte ich beim Kindersport viele verschiedene Sportarten gemacht, meine Schwester ist dann zur Leichtathletik gegangen und ich mit.“ Bei ihrem langjährigen Verein, der TSG 1862 Weinheim, stand zuerst der Mehrkampf im Mittelpunkt. Schnell zeigte sich dabei ihr Talent für den Hochsprung.

Dass aus dem Hobby einmal mehr werden könnte, wurde der Schülerin erstmals 2015 bewusst. Damals steigerte sie sich auf 1,66 Meter, erfüllte die Norm für die Deutschen Meisterschaften der U16 und belegte in Köln mit einer Höhe von 1,61 Metern in der Altersklasse W15 den elften Platz. „Danach ging alles ganz schnell“, erinnert sich die heutige Studentin. Unter Anleitung ihres Trainers Thomas Geißler meisterte sie 2017 erstmals 1,80 Meter und erreichte mit 1,79 Metern Rang fünf bei der U18-WM in Nairobi (Kenia). Silber in Ulm (1,77 m) war außerdem die erste Medaille bei Deutschen Jugendmeisterschaften.

Rückschlag im Sommer 2019

In der Altersklasse U20 ging es zuerst nahtlos weiter nach oben, inklusive Titel bei der Jugend-Hallen-DM 2018 und der Teilnahme an der U20-WM in Tampere (Finnland). Vorläufiger Höhepunkt war die erfolgreiche Titelverteidigung bei der Jugend-Hallen-DM 2019 mit neuer Bestleistung von 1,85 Meter.

Es folgte ein Rückschlag: Im Trainingslager vor der Sommersaison lief die erfolgreiche Nachwuchs-Hochspringerin zu stürmisch eine Treppe hinunter, knickte um und zog sich einen Bänderriss zu. In der folgenden Freiluftsaison war die Verletzung zwar wieder verheilt, an ihre bisherigen Leistungen kam die damals 18-Jährige aber nicht heran und verpasste die Qualifikation zur U20-EM in Boras (Schweden) wie auch eine weitere Medaille bei der Jugend-DM. In diesem Jahr musste sie sich mit einer Saisonbestleistung von 1,76 Metern zufrieden geben.

Nach einem Jahr zur Orientierung Wechsel nach Leverkusen

Mit dem Bestehen des Abiturs hatte der Sommer 2019 auf anderer Ebene einen Erfolg gebracht. Wie viele andere junge Menschen an diesem Punkt im Leben wollte Bianca Stichling etwas Neues ausprobieren, auch gerne sportlich. Da sie aber noch nicht sicher war, in welche Richtung es beruflich gehen sollte, legte sie noch ein Freiwilliges Soziales Jahr in ihrem Heimatverein ein. Sportlich war mit 1,83 Metern wieder das bekannte Niveau erreicht.

Danach entschloss sie sich für ein BWL-Studium in Köln, einen Umzug nach Leverkusen und den Wechsel zu Trainer Hans-Jörg Thomaskamp. Attraktiv war für sie neben dem als gut ausgestattet bekannten Trainingszentrum auch, dass es hier – nach vielen Jahren als einzige Spitzen-Hochspringerin in Weinheim – eine leistungsstarke Trainingsgruppe gab.

Die Corona-Pandemie erschwerte den Umzug ein wenig. „Aber ich hatte Glück und habe schnell eine WG gefunden“, erzählt die Hochspringerin. Nicht so leicht war es dagegen, Anschluss in der neuen Wahlheimat zu finden, da wegen der Corona-Regeln vieles geschlossen oder nur eingeschränkt möglich war. „An der Uni war ich bis heute nicht. Möglicherweise gibt es im kommenden Semester erste Veranstaltungen in Präsenz.“

Technik auf Schnelligkeit ausrichten

Der sportliche Wechsel begann mit einer schwierigen Umstellung: Nachdem sie bisher aus einem eher kurzen Anlauf kraftorientiert absprang, sollte Bianca Stichling ihre Technik auf Schnelligkeit ausrichten und den Anlauf verlängern. „Das führte dazu, dass ich weiter weg von der Latte abspringen muss. Das war zuerst super ungewohnt“, berichtet die Athletin. Es brauchte Zeit, die alten Bewegungsgewohnheiten zu überschreiben. „Im Training hatte ich manchmal das Gefühl, ein Sprung war schlecht, Hans-Jörg hatte aber genau das Gegenteil beobachtet.“

Besonders wenn es im Wettkampf darauf ankam, setzten sich im vergangenen Jahr noch alte Automatismen durch. Mit Ausnahme eines Ausreißers nach oben von 1,84 Metern in Rehlingen, immerhin Freiluft-Bestleistung, gingen trotz zahlreicher Starts nur Höhen bis höchstens 1,80 Meter in die Ergebnislisten ein, darunter auch der achte Platz bei der U23-EM in Tallinn (Estland). Es galt Geduld und die Überzeugung zu bewahren, mit der neuen Technik langfristig auf dem richtigen Weg zu sein. Und beides behielt die Leverkusenerin.

1,90 Meter die nächste Richtmarke

Mittlerweile spielt sich das neue Technikbild immer besser ein. „Ich weiß jetzt eher, was sich richtig anfühlt“, stellt Bianca Stichling fest. Diese Fortschritte zeigten sich auch in den Wettkämpfen der zurückliegenden Hallensaison, in der es neben den 1,86 Metern von Leipzig etwa in der alten Heimat Weinheim auch noch über 1,84 Meter ging oder in Düsseldorf über 1,82 Meter.

In den kommenden Wochen soll der eingeschlagene Weg im Training weitergegangen werden. In der anstehenden Sommersaison sind 1,90 Meter das erklärte Ziel. „Die Heim-EM in München wäre mega, die Norm von 1,95 Meter ist allerdings noch etwas weit weg“, so die Deutsche Hallenmeisterin, die sich Schritt für Schritt an noch größere Höhen herantasten möchte. Die neue Technik eröffnet dabei neues Potenzial, die persönlichen Grenzen noch weiter nach oben zu verschieben.

Video: Bianca Stichling jubelt über Titel-Premiere
Video-Interview: Bianca Stichling: "Im Sommer werden die 1,90 Meter fallen" 


Das sagt Bundestrainer Tamas Kiss:

Nach ihrem Wechsel nach Leverkusen hat Biancas neuer Heimtrainer Hans -Jörg Thomaskamp die Technik umstellt. Das hat sich auf die gesamte Trainingsgestaltung ausgewirkt. Damit kann Bianca mit höherer Geschwindigkeit anlaufen. Sie hat einen ganz anderen Fußaufsatz und langsam stellen sich Fortschritte ein. Bei ihrem Wettkampf in Weinheim war es bei 1,87 Metern ganz knapp, in Leipzig hat sie 1,86 Meter gemeistert. Sie ist auf einem guten Weg, eine 1,90-Plus-Springerin zu werden.

Sie ist eine talentierte Athletin und kann eine künftige Leistungsträgerin werden. Sie gehört zur Generation der Athletinnen, die Jahrgang 2000 oder jünger sind und hat die Perspektive, den Anschluss an die internationale Spitze herzustellen.

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