| DM 2022 Berlin

DM Tag 2: Hochsprung-Feuerwerk, Weitsprung-Dominanz und Drama auf der Bahn

Olympiasiegerin Malaika Mihambo hat am Sonntag bei den 122. Deutschen Meisterschaften in Berlin mit dem nächsten Weitsprung-Sieg eindrucksvoll ihre Dominanz untermauert. Im Hochsprung flogen gleich zwei DLV-Athleten über 2,30 Meter. Jede Menge Drama und viele schnelle Zeiten gab’s bei den Entscheidungen auf der Bahn.
Silke Bernhart

DM 2022 Berlin

Malaika Mihambo hat beste Erinnerungen an das Olympiastadion von Berlin: 2018 hatte sie hier mit der EM-Goldmedaille eine beeindruckende Titelsammlung eingeläutet, der WM-und Olympia-Gold folgen sollten. Im Jahr 2022 ließ die Weitspringerin von der LG Kurpfalz nun auch den zweiten deutschen Meistertitel an selber Stätte folgen. Schon der erste Sprung auf 6,70 Meter hätte zum Sieg gereicht, mit 6,85 Metern gelang der 28-Jährigen im dritten Versuch dann auch noch eine Weltklasse-Weite (im Video) – nur einmal war sie bei ihren nunmehr sechs DM-Titeln im Freien weiter geflogen.

"Wir haben den Wettkampf komplett aus dem Training heraus gestaltet, dafür ist die Leistung vielleicht noch einmal höher einzuschätzen, weil ich auch nicht immer am Brett war oder Landeverlust hatte", ordnete Malaika Mihambo die Leistung ein. "Bei der EM und WM ist es mir wichtig, einen guten Wettkampf zu zeigen und dann kann es auch für eine Medaille oder einen Titel reichen."

Spannend wurde es im Kampf um die weiteren Medaillen. Mikaelle Assani (LG Region Karlsruhe) schob sich im sechsten Versuch mit 6,54 Metern von Platz vier vor bis auf den Silberrang – bevor Olympia-Teilnehmerin Maryse Luzolo (Königsteiner LV) ein letztes Mal abhob und sich mit 6,60 Metern den zweiten Platz zurückholte. Zwar nur die "Holzmedaille", aber mit 6,49 Metern den besten Sprung seit sechs Jahren und somit viel Rückenwind für die anstehenden internationalen Höhepunkte nimmt Siebenkämpferin Sophie Weißenberg (TSV Bayer 04 Leverkusen) mit nach Hause.

Hochsprung-Feuerwerk von Przybylko und Potye

Zwei deutsche Hochspringer über 2,30 Meter – das gab es bei Deutschen Meisterschaften seit dem Jahr 2000 nicht mehr! In diesem Jahr markiert diese Höhe die EM-Norm für München (15. bis 21. August), und bisher hatte keiner der DLV-Höhenjäger diese Marke überboten. Bis zum Sonntag. Da liefen sowohl der Europameister von 2018 Mateusz Przybylko (TSV Bayer 04 Leverkusen) als auch der einstige U20-Europameister Tobias Potye (LG Stadtwerke München) zu Höchstform auf.

Bis zur Höhe von 2,27 Metern noch begleitet von Bronzemedaillen-Gewinner Jonas Wagner (Dresdner SC; 2,24 m), stachelten sich Potye und Przybylko gegenseitig zu Höhenflügen an. Der eine brauchte für 2,24 Meter zwei Versuche, der andere für 2,27 Meter. Dann hoben sie beide im dritten Versuch über 2,30 Meter ab und flogen blitzsauber über die Latte (zum Video)! Damit war nicht nur die geteilte Goldmedaille perfekt, sondern für Potye auch das Ticket für sein EM-Heimspiel, das Przybylko als Titelverteidiger mit einer Wildcard schon vorher sicher war.

Christoph Kessler im Wechselbad der Gefühle

Am Samstag hatte sich Mohamed Mohumed morgens für das 1.500 Meter-Finale qualifiziert und abends 5.000 Meter-Gold gewonnen. Am Sonntag tat der Dortmunder alles dafür, um über 1.500 Meter das DM-Double perfekt zu machen, kontrollierte das Feld von der Spitze und zog 600 Meter vor dem Ziel das Tempo an. Seine größten Kontrahenten konnte er jedoch nicht abschütteln: Auf den letzten 100 Metern zogen Christoph Kessler (LG Region Karlsruhe; 3:44,64 min) und Marius Probst (TV Wattenscheid 01; 3:44,72 min) noch an ihm vorbei (zum Video).

Dann begann jedoch das Zittern, begleitet von einem Wechselspiel der Medaillen-Vergabe. Denn Christoph Kessler, als einziger Athlet im Feld schon mit der EM-Norm ausgestattet, hatte sich auf dem Weg zum Zielspurt auch an Marc Tortell (Athletics Team Karben) vorbeigeschoben, der nach 3:45,56 Minuten als Vierter ins Ziel kam. Aufgrund einer Berührung war zunächst eine Disqualifikation gegen Kessler ausgesprochen worden, sodass ausgerechnet sein bester Freund Marius Probst auf den Goldrang vorrückte. Erst zweieinhalb Stunden nach dem Finale fiel nach einem Gegenprotest die endgültige Entscheidung der Jury als finale Instanz und Christoph Kessler stand schließlich als Erster auf dem Siegerehrungs-Podest.

Owen Ansah im Glück, Joshua Hartmann im Pech

Jede Menge Drama gab es auch über 200 Meter der Männer. Zunächst mussten gleich drei Athleten nach einem Fehlstart das Feld räumen. Und dann prangte nach dem Zieleinlauf auch neben dem Namen eines vierten Athleten ein DQ für disqualifiziert – und das war ausgerechnet der des Schnellsten Joshua Hartmann (ASV Köln). Dieser hatte sich in einem Duell mit dem Deutschen 100 Meter-Meister Owen Ansah (Hamburger SV) in rasanten 20,32 Sekunden behauptet, dabei aber seine Bahn verlassen. So erhielt Owen Ansah schließlich für 20,41 Sekunden das zweite DM-Gold der Titelkämpfe, garniert von der EM-Norm. Dahinter freute sich der Deutsche Jugendmeister James Adebola (SCC Berlin; 20,88 sec) über Silber vor dem Wattenscheider Kevin Ugo (21,06 sec) (zum Video).

Die Deutsche Meisterin über 200 Meter heißt erstmals seit 2015 im Freien wieder Rebekka Haase (Sprintteam Wetzlar; 23,02 sec). „Ich bin einfach nur glücklich“, strahlte die Athletin aus dem Erzgebirge nach ihrem insgesamt achten DM-Titel auf dieser Strecke (zum Video). „Wir haben in der gesamten Hallensaison dafür gearbeitet, mich wieder auf die Bahn zu kriegen. Ich habe ein riesen Team und weiß gar nicht, wie ich mich dafür bedanken soll. Aber ich glaube, ein deutscher Meistertitel ist schon mal was!“ Zu Silber und Bronze sprinteten Jessica-Bianca Wessolly (MTG Mannheim; 23,22 sec) und Talea Prepens (TV Cloppenburg; 23,36 sec).

Corinna Schwab mit der nächsten starken Zeit

50,91 Sekunden waren für Corinna Schwab (LAC Erdgas Chemnitz) im 400 Meter-Vorlauf gestoppt worden, und damit die erste Zeit unter 51 Sekunden. Auch im Finale gab sie wie angekündigt Vollgas und war der Konkurrenz nach 250 Metern bereits weit enteilt. Dann aber wurde es hart und die weiteren Athletinnen rückten wieder näher heran. Einholen konnten sie die Favoritin jedoch nicht mehr: In 51,61 Sekunden machte Schwab den dritten Titel in Folge perfekt (zum Video), es war die schnellste DM-Siegerzeit seit 2002. In ihrem Sog legte Judith Franzen aus Leverkusen die nächste mächtige Steigerung auf 52,27 Sekunden hin und konnte damit Lokalmatadorin Alica Schmidt (SCC Berlin; 52,42 sec) auf den Bronzerang verweisen.

„Die Zielgerade war heute sehr hart“, befand Corinna Schwab. „Ich weiß nicht genau, woran es gelegen hat, dass es heute nicht so gut war wie gestern. Ich hatte schon noch mal mit einer schnellen Zeit geliebäugelt. Ich habe es heute einfach nicht so gut auf die Bahn bekommen. Es ist gut, dass es trotzdem zum Titel gereicht hat. Ich bin stolz, wieder Deutsche Meisterin geworden zu sein.“

Den 400 Meter-Doppelsieg für den LAC Erdgas Chemnitz und die Trainingsgruppe von Jörg Möckel machte wenig später Marvin Schlegel perfekt. Er konnte, als Führender auf die Zielgerade eingebogen, seinen Vorsprung gegen den Deutschen Hallenmeister Patrick Schneider (TV Wattenscheid 01; 45,99 sec) verteidigen, der sich an seine Fersen geheftet hatte (zum Video). „Ich bin sehr froh über den Titel, aber nicht so glücklich mit der Zeit“, bewertete Schlegel seine 45,77 Sekunden, mit denener eine Hundertstel über seinem Vorlauf-Resultat lag – denn damit schrammte er erneut knapp an der EM-Norm vom 45,70 Sekunden vorbei. Bronze in 46,04 Sekunden gab es dieses Mal für den Deutschen Meister aus 2019 und 2021 Manuel Sanders (LG Olympia Dortmund).

400 Meter Hürden-Läuferinnen auf der „Road to Munich“

Pünktlich zur Titelverteidigung platzte über 400 Meter Hürden der Knoten bei Olympia-Halbfinalistin Carolina Krafzik (VfL Sindelfingen; 55,73 sec). Nachdem sie aufgrund einer Sitzbein-Entzündung lange nur alternativ trainieren konnte, näherte sie sich in Berlin erstmals wieder ihrer bekannten Stärke und überzeugte besonders mit einer starken ersten Rennhälfte. In ihrem Sog legten auch Gisèle Wender (SV Preußen Berlin; 55,84 sec) und Eileen Demes (TV Neu-Isenburg; 56,12 sec) eine starke Leistung auf die Bahn, die mit Silber und Bronze belohnt wurde. Das i-Tüpfelchen: Sowohl Krafzik als auch Wender unterboten in diesem Rennen die EM-Norm für München (zum Video).

„Das ist überwältigend. Das war gar nicht geplant“, staunte Gisèle Wender, die sich um fast zwei Sekunden steigern konnte. „Der Titel bedeutet mir für diese Saison echt viel“, erklärte Carolina Krafzik. „Ich finde, dass man immer mutig sein muss, aber heute war ich wirklich mutig. In Oslo hatte ich versucht, schnell anzugehen und es hat nur bis zur fünften Hürde geklappt, dann war es eine Katastrophe. Heute habe ich es geschafft.“

In Abwesenheit der besten deutschen Athleten war im Finale der Männer über 400 Meter Hürden die EM-Norm von 49,50 Sekunden außer Reichweite. Michael Adolf (TSV Gräfelfing) rannte eher darum, nach fünf Jahren ohne Bestzeit endlich wieder in Regionen um die 51 Sekunden vorzustoßen. Und das gelang! In 51,25 Sekunden lieferte er das zweitbeste Rennen seiner Karriere ab und ergriff die Chance auf DM-Gold (zum Video). Zwei Bestleistungen feierten dahinter Jordan Gordon (OTB Osnabrück; 51,55 sec) und Lennart Roos (LG Rhein-Wied; 51,87 sec), Sohn von Siebenkampf-Bundestrainer Jörg Roos, die sich zudem über Silber und Bronze freuen durften.

Martin Wierig behauptet sich gegen junge Herausforderer

Das Diskuswerfen war fest in der Hand des nunmehr 35 Jahre alten Martin Wierig (SC Magdeburg) – keine Selbstverständlichkeit, nachdem in der Saison mit WM-Normen Henrik Janssen (SC Magdeburg) und Torben Brandt (SCC Berlin) vorgelegt hatten. Diese musste sich allerdings in Berlin mit Silber und Bronze und Weiten von 62,88 und 59,92 Metern zufriedengeben, während Martin Wierig mit einem weiteren Wurf über die EM-Norm und 64,25 Metern seinen zweiten DM-Titel sowie die Nominierung für München klarmachte.

„Ich habe jetzt in 17 Tagen fünf Wettkämpfe gemacht, weil mir die Norm für die WM noch fehlt“, erklärte Martin Wierig. „Das war keine optimale Vorbereitung und umso stolzer bin ich, dass ich den jungen Burschen gezeigt habe, dass der alte Mann noch nicht ganz weg ist.“

Annika Marie Fuchs (SC Potsdam; 57,24 m) konnte im Speerwurf mit einem ersten Versuch weit über die 60 Meter-Marke nur andeuten, was wirklich in ihr steckt – denn dieser Wurf war deutlich übergetreten und wurde daher nicht gemessen. Dafür jubelte wenig später eine andere Athletin über den ersten 60 Meter-Wurf ihrer Karriere, der direkt Gold wert war: Lea Wipper (SC Magdeburg) steigerte sich auf 60,98 Meter und Annika Fuchs, die später für 57,24 Meter Silber entgegennahm, war die erste Gratulantin (zum Video). In Abwesenheit der an Grippe erkrankten Europameisterin Christin Hussong (LAZ Zweibrücken) ging die Bronzemedaille an Dana Bergrath aus Leverkusen (56,90 m).

Alina Reh holt den zweiten Titel des Jahres

Die Königin auf den Langstrecken ist in diesem Jahr zumindest bei nationalen Titelkämpfen Alina Reh. Die Schwäbin, die im Trikot des SCC Berlin unterwegs ist, hatte im Mai schon DM-Gold über 10.000 Meter gewonnen, im Olympiastadion fügte sie ihrer Sammlung die Goldmedaille über 5.000 Meter hinzu. Dabei war ihr lange die 21 Jahre junge Sara Benfarès (LC Rehlingen) auf den Fersen, die einige Runden vor dem Ziel auch die Führung übernahm. Doch Alina Reh kontrollierte weiter das Tempo und machte mit einer Verschärfung auf den letzten 500 Meter in 15:21,11 Minuten den Titel sowie nach zuvor erfüllter Norm das Ticket für WM und EM klar (zum Video).

Das schnelle Tempo diente am Ende auch ihrer hartnäckigsten Konkurrentin, denn für Sara Benfarès gab’s in 15,22,56 Minuten eine Bestzeit sowie als DM-Silbermedaillengewinnerin mit erfüllter Norm die vorrangige EM-Nominierung für München. Die Bronzemedaille erkämpfte sich in 16:08,11 Minuten Svenja Pingpank von Hannover Athletics.

Eine Athletin war hier schon nicht mehr im Rennen. „Ich schaue mal, wie weit ich komme“, hatte Hanna Klein (LAV Stadtwerke Tübingen) nach ihrem Auftritt des ersten Tages gesagt, der keine anderthalb Stunden zurücklag. Zu Beginn des Nachmittags-Programms hatte Deutschlands Jahresschnellste über 1.500 Meter mit einem eindrucksvollen 50 Meter-Spurt in 4:22,13 Minuten Titel Nummer drei in Serie geholt (zum Video) und dabei auch die ebenfalls stark aufgelegt Katharina Trost (LG Stadtwerke München; 4:22,83 min) sowie Vera Coutellier (ASV Köln; 4:23,76 min) abgeschüttelt. Über 5.000 Meter konnte Hanna Klein dann jedoch nur etwa 3.000 Meter mithalten, bevor sie bei Temperaturen um 30 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit die Segel streichen musste.

Tim Holzapfel überrascht über 800 Meter

„Erste Deutsche Meisterschaften bei den Aktiven. Mein Ziel war das Finale. An den Titel habe ich nie gedacht. Ich kann es gar nicht glauben“, sagte Tim Holzapfel (Unterländer LG), nachdem er im 800 Meter-Finale der Männer für die vielleicht größte Überraschung der Deutschen Meisterschaften von Berlin gesorgt hatte.

Die Konkurrenz hatte dem jungen Württemberger etwa 550 Meter lang den Vortritt gelassen, bevor Favorit Marc Reuther (Eintracht Frankfurt) vorbeiging und das Tempo erhöhte. Doch Tim Holzapfel ließ sich nicht abschütteln, übernahm eingangs der Zielgerade wieder die Führung – und riss auf der Ziellinie nach 1:49,25 Minuten erstaunt und überwältigt die Arme in die Himmel. Denn da war die Sensation mit seinem ersten deutschen Meistertitel perfekt (zum Video). Marc Reuther (1:49,67 min) musste auch noch Rocco Martin (SG Motor Gohlis Nord Leipzig; 1:49,59 min) den Vortritt lassen.

Über 800 Meter der Frauen suchte Majtie Kolberg (LG Kreis Ahrweiler) ihr Heil in der Flucht, und Favoritin Christina Hering (LG Stadtwerke München) musste nach einer schnellen ersten Runde erst außen vorbei an einigen Konkurrenten eine kleine Lücke schließen, bevor sie sich an die Fersen ihrer Herausforderin heften konnte. Dann hatte wieder einmal die Münchnerin mit ihren langen Schritten das beste Finish und nach 2:00,73 Minuten den achten Freiluft-Titel in der Tasche (zum Video). Für Majtie Kolberg, die in 2:01,21 Minuten ebenfalls Saison-Bestzeit lief, gab’s die Silbermedaille. Dahinter wartete die 20 Jahre junge Lucia Sturm (TSV Moselfeuer Lehmen) mit einer mächtigen Steigerung um anderthalb Sekunden auf 2:02,59 Minuten auf, die Bronze wert war.

Karl Bebendorf hält Frederik Ruppert in Schach

Schon nach wenigen hundert Metern waren über 3.000 Meter Hindernis die Favoriten Frederik Ruppert (SC Myhl LA) und Karl Bebendorf (Dresdner SC 1898) dem Feld weit enteilt und es ging nur noch um die Frage: Wer von beiden nimmt Gold mit nach Hause?

Bebendorf, zuletzt dreimal in Folge siegreich, hielt das Tempo hoch, wohlwissend um die Spurtqualitäten seines Konkurrenten, der zuletzt mit WM-Norm von 8:15,58 Minuten in neue Dimensionen gestürmt war. Ruppert wagte etwa 900 Meter vor dem Ziel einen zaghaften Angriff, konnte sich aber nicht absetzen – und Bebendorf war bald wieder an der Spitze. Diese behauptete er trotz eines kleinen Stolperers auf der Zielgeraden bis zum Schluss und feierte damit den vierten DM-Titel in Serie (zum Video). Seine Zeit: 8:27,61 Minuten. Die seines Herausforderers: 8:28,90 Minuten. Und die des drittplatzierten Velten Schneider (VfL Sindelfingen): 8:45,53 Minuten. Der Sindelfinger beeindruckte mit einer Zielgeraden, die eines 110 Meter-Hürden-Sprinters würdig war.

"Ich bin ehrlich: Nachdem Frederik Ruppert so deutlich unter 8:20 Minuten gelaufen ist, konnte ich schon eine Nacht nicht schlafen", verriet Karl Bebendorf anschließend. "Zu dem Zeitpunkt war ich im Trainingslager und hatte deshalb super Möglichkeiten, den Frust abzubauen und in noch mehr Training umzuwandeln."

Anjuli Knäsche meldet sich aus Stabhochsprung-Rente zurück

Der Vormittag war mit einer Überraschung im Stabhochsprung gestartet. Denn: Die Deutsche Meisterin 2022 heißt Anjuli Knäsche! Verwunderlich ist das weniger beim Blick auf die nationale Rangliste, auf der sie zuvor mit 4,40 Metern Zweite war. Sondern vielmehr beim Blick zurück auf die vergangenen fast vier Jahre, in denen sich die 28-Jährige eigentlich schon vom Leistungssport verabschiedet hatte. Erst in der Hallensaison 2022 griff sie parallel zu ihrer Rolle als hauptamtliche Trainerin bei der LG Leinfelden-Echterdingen wieder ambitioniert zum Stab, wurde mit 4,30 Metern Deutsche Vizemeisterin in der Halle. Und im Freien? Folgte am Sonntag ihr erster deutscher Meistertitel – zehn Jahre nach ihrem ersten DM-Start bei den Aktiven.

Anjuli Knäsche meisterte im Olympiastadion von Berlin als einzige Stabhochspringerin 4,50 Meter und hatte dann die Bühne ganz für sich, als sie auch bei 4,55 Metern Anlauf annahm. Bei eben jener Höhe liegt seit sechs Jahren ihr Hausrekord – in Berlin flog sie im dritten Versuch wieder darüber (zum Video) und scheiterte erst an der EM-Norm von 4,60 Metern. Silber und Bronze gab's hinter ihr für die zuvor deutsche Jahresbeste Ella Buchner (SC Potsdam) und Titelverteidigerin Jacqueline Otchere (MTG Mannheim), die beide 4,40 Meter überquerten.

Merlin Hummel siegt im Zentimeter-Krimi

Die Entscheidung im Hammerwurf der Männer wurde zum erwarteten Duell zwischen Titelverteidiger Tristan Schwandke (TV Hindelang) und Herausforderer Merlin Hummel (UAC Kulmbach). Schon nach dem ersten Versuch trennte beide nur ein Meter, bevor Schwandke mit 72,44 Metern nach Gold griff. Doch der U20-Vize-Europameister des Vorjahres konterte: Mit 72,51 Metern schob sich der 20-Jährige in Runde fünf an seinem zehn Jahre älteren Kontrahenten vorbei (zum Video). Dieser ließ einen weiten, aber ungültigen Wurf folgen – es blieb bei Silber. Bronze holte sich mit 67,39 Metern der ebenfalls erst 20 Jahre junge Sören Klose (Eintracht Frankfurt).

„Die Kunst war es für mich, in so einem langen, anstrengenden Wettkampf im Kopf wieder die Power zu bekommen. Das noch mal Rauszukitzeln war das Schwierigste – aber es hat geklappt!“, freute sich Merlin Hummel, der als Deutscher U20-Rekordler als größtes Talent im deutschen Hammerwurf gilt: „Ich versuche, mich jede Saison gesund zu steigern und hoffe, dass das weiterhin so klappt!“ gab er zu Protokoll.

Die einzige Titelverteidigung des Vormittags ging auf das Konto von Weitspringer Fabian Heinle (VfB Stuttgart). An der Stätte seiner EM-Silbermedaille von 2018 landete er gleich im ersten Versuch bei 7,81 Meter (zum Video). Fünf weitere Versuche später stand fest, dass dieser Satz bereits Gold wert war. Maximilian Entholzner (1. LAC Passau), mit einer Saison-Bestleistung von 7,93 Metern an der Spitze der deutschen Bestenliste aus seiner Wahlheimat Spanien angereist, haderte mit Anlauf-Problemen und kam nicht über 7,52 Meter hinaus. In Runde sechs überflügelte ihn noch U20-Europameister Oliver Koletzko (Wiesbadener LV; 7,57 m), der wie schon in der Halle zu DM-Silber flog.

Nächstes Staffel-Gold für Münchens Sprinterinnen

Eine Demonstration neuer bayerischer Sprintstärke gab’s über 4x100 Meter der Frauen. Schon als Deutsche Hallenmeisterinnen über 4x200 Meter angereist, rannte die LG Stadtwerke München mit Viola John, Marina Scherzl, Tina Benzinger und Amelie Sophie Lederer der Konkurrenz auch im Freien auf und davon. Schlussläuferin Lederer übernahm den Stab schon mit großem Vorsprung und machte im dritten von drei Zeitläufen nach 44,16 Sekunden unangefochten das nächste Staffel-Gold klar. Dahinter folgten die Titelverteidigerinnen der MTG Mannheim (45,06 sec), die jedoch mit Lisa Nippgen nur noch eine Sprinterin des Erfolgs von vor drei Jahren in ihren Reihen hatte. Bronze ging an den VfL Sindelfingen (45,13 sec) (zum Video).

Schnellstes Quartett der Männer und damit einmal mehr Deutscher Staffelmeister: der TV Wattenscheid 01! Philipp Trutenat, Kevin Ugo, Maurice Huke und Robin Erewa holten sich in 39,60 Sekunden den Titel vom SC DHfK Leipzig zurück, der 2019 eine fünfjährige Siegesserie der Blauhemden unterbrochen hatte, in diesem Jahr allerdings keine Staffel stellte. Robin Erewa sprintete dabei auf der Zielgeraden noch am Schlussläufer der LG Brillux Münster (39,85 sec) Luka Herden vorbei, der schließlich auch knapp noch den Silberrang an die MTG Mannheim (39,79 sec) mit Robin Ganter abtreten musste und Bronze nach Münster holte (zum Video).

DM 2022 Berlin

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