| Eugene 2022

WM Tag 2 | US-Sweep im Sprint, Gidey gewinnt ihr erstes Gold

Am zweiten WM-Tag in Eugene hat ein US-Trio das Heimpublikum am Samstag zum Jubeln gebracht: Fred Kerley, Marvin Bracy und Trayvon Bromell gewannen über die prestigeträchtigen 100 Meter Gold, Silber und Bronze. 10.000-Meter-Weltredkordlerlin Letesenbet Gidey sicherte sich ihren ersten großen Titel.
Jan-Henner Reitze / dpa

Wer ist der aktuell schnellste Mann der Welt? Das Rennen um diesen Titel gehört immer zu den Höhepunkten einer Leichtathletik-WM. Und wenn die Ausrichter-Nation dabei gleich alle Medaillen abräumt, ist Jubel auf den Rängen garantiert. Fred Kerley (USA), der sich in die Rolle des Favoriten gebracht hatte, hielt dem Druck stand und konnte sich am Samstagabend zum Abschluss des zweiten WM-Tages von seinen Landleuten auf den Rängen im malerischen Hayward Field von Eugene feiern lassen.

In 9,86 Sekunden holte der 27-Jährige seinen ersten großen Einzeltitel und ließ Marvin Bracy und Trayvon Bromell (beide 9,88 sec) knapp hinter sich. Nach 1983 und 1991 war es der dritte Dreifach-Sieg der USA über 100 Meter der Männer der WM-Geschichte. „Wir haben gesagt, wir machen das, und wir haben es getan“ sagte der neue Weltmeister am Stadionmikrofon.

Aus „schwierigen Verhältnissen“ auf den Sprint-Thron

„Es hat sich großartig angefühlt“, ergänzte der 27 Jahre alte Fred Kerley später. „Es ist großartig, das auf heimischem Boden zu schaffen mit den heimischen Fans im Rücken.“ Die meisten davon werden wohl erst jetzt durch den Titel seine bemerkenswerte Geschichte kennenlernen. Denn Kerley wuchs in Verhältnissen auf, die von außen betrachtet oft das Etikett „schwierig“ aufgedrückt bekommen: Bei seiner Tante Virgina, genannt Meme, weil der Vater ins Gefängnis und die Mutter auf die falsche Bahn kam, wie er in einem Artikel vor ein paar Jahren selbst berichtete.

Insgesamt 13 Kinder teilten sich in der Kleinstadt mitten in Texas ein Zimmer. „Am Ende des Tages war es wie jedes andere Haus: Wir wollten Spaß und eine gute Zeit haben“, sagte er nun. Wie bemerkenswert sein eigener Weg dennoch ist, verdeutlichte jener vor drei Jahren veröffentlichte Text. Darin beschreibt er, dass all die gescheiterten Existenzen in seinem direkten Umfeld die Motivation waren, aus dem eigenen Leben etwas Besseres zu machen: „Der Unterschied war meine Einstellung.“

Mit Titelverteidiger Christian Coleman stand noch ein vierter US-Sprinter im Finale, der auf Rang sechs (10,01 sec) lief. Olympiasieger Marcell Jacobs (Italien) war schon zum Halbfinale nicht angetreten, er hatte in den vergangenen Wochen Verletzungsprobleme.

Letesenbet Gidey nach 10.000 Metern um acht Hundertstel voraus

Das in der Breite schnellste 10.000-Meter-Rennen der Frauen in der Geschichte gipfelte ebenfalls in einer engen Entscheidung auf der Zielgeraden. Neun Athletinnen blieben unter 30:20 Minuten. Das hat es noch nie in einem Rennen gegeben. Weltrekordlerin Letesenbet Gidey (Äthiopien) erkämpfte nach WM-Silber 2019 und Olympia-Bronze 2021 ihren ersten großen Titel. In 30:09,94 Minuten distanzierte die 24-Jährige die Kenianerin Hellen Obiri (30:10,02 min) um gerade einmal acht Hundertstel.

Bronze ging mit Margaret Kipkemboi, die wiederum nur fünf Hundertstel später das Ziel erreichte (30:10,07 min), ebenfalls nach Kenia. Das Duo Obiri/Kipkemboi hatte vor drei Jahren einen WM-Doppelsieg über 5.000 Meter gelandet. Titelverteidigerin und Olympiasiegerin Sifan Hassan (Niederlande; 30:10,56 min) musste sich diesmal als Vierte geschlagen geben. Von den 19 Athletinnen im Ziel stellten elf persönliche Bestleistungen auf, drei davon gehen als Landesrekorde in die Statistiken ein.

WM-König Paweł Fajdek gewinnt sein fünftes Gold

Wenn es um WM-Gold geht immer in Topform ist Hammerwerfer Paweł Fajdek (Polen), der mit 81,98 Metern sein fünftes Gold nacheinander gewann. Bei Olympischen Spielen stand er dagegen noch nie ganz oben. Das war im vergangenen Jahr in Tokio (Japan) Landsmann Wojciech Nowicki gelungen, der sich in Eugene Silber (81,03 m) sicherte, vor Eivind Henriksen (80,87 m), der wie schon bei Olympia eine Medaille in einer Wurfdisziplin nach Norwegen holte.

Im Weitsprung der Männer flog der Chinese Wang Jianan im sechsten Versuch überraschend zu Gold, in dem er sich auf 8,36 Meter steigerte. Trotz der stärkeren Serie musste sich Olympiasieger Miltiádis Tentóglou (Griechenland) mit seiner Tagesbestweite von 8,32 Metern mit Silber zufrieden geben. Über Bronze jubelte Simon Ehammer (Schweiz; 8,16 m), der als Zehnkämpfer in diesem Sommer in die Weltspitze im Weitsprung vorgedrungen war.

Hallen-Weltmeisterin Chase Ealey (USA; 20,49 m) gelang es, auch im Freien Gold im Kugelstoßen zu gewinnen sowie Titelverteidigerin und Olympiasiegerin Lijiao Gong (China; 20,39 m) zu entthronen. Mit Landesrekord von 19,77 Metern sicherte sich Jessica Schilder (Niederlande) die Bronzemedaille.

Gesa Felicitas Krause steht in ihrem sechsten WM-Finale

Einen persönlichen Sieg, der vor allem einmal mehr ihre große Leidenschaft für den Sport unterstreicht, erkämpfte sich Gesa Felicitas Krause (Silvesterlauf Trier) im Vorlauf über 3.000 Meter Hindernis (mehr dazu, lesen Sie hier). Nach einer schwierigen Vorbereitung und bisher nur einem, wenig ermutigendem Saisonrennen (9:44,44 min) fightete die zweimalige Europameisterin um jede Hundertstel und wurde belohnt. Ihre 9:21,02 Minuten reichten gerade so, um zum sechsten Mal nacheinander ins WM-Finale einzuziehen.

Gina Lückenkemper (SCC Berlin) sprintete in hochklassigen 100-Meter-Vorläufen der Frauen in 11,09 Sekunden ins Halbfinale. Hanna Klein (LAV Stadtwerke Tübingen; 4:04,62 min) und Katharina Trost (LG Stadtwerke München; 4:05,87 min) verkauften sich im Halbfinale über 1.500 Meter teuer, ergatterten aber kein Ticket fürs Finale.

Wie erhofft rechtzeitig für die WM fit geworden, ist der Weltrekordler und Titelverteidiger über 400 Meter Hürden. Karsten Warholm (Norwegen) gewann seinen Vorlauf in 49,34 Sekunden. Bei seinem geplanten Saisonauftakt Anfang Juni in Rabat (Marokko) hatte sich der 26-Jährige verletzt und seitdem keine Rennen mehr absolvieren können.

WM 2022 Eugene

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