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Laura Raquel Müller: Nach langer Leidenszeit zurück am Absprung

© Iris Hensel
Das Jahr 2022 war kein einfaches für Laura Raquel Müller: Nach einem Muskelbündelriss musste sie anderthalb Jahre pausieren. Im Sommer 2023 stieg die 19-Jährige wieder ins Wettkampfgeschehen ein. Und konnte sich mit einer internationalen Medaille in ihrem letzten U20-Jahr eindrucksvoll wieder ins Gedächtnis rufen.
Zoe Hawner

Das Jahr 2023 markierte die große Comeback-Saison von Laura Raquel Müller (Unterländer LG). Die vorangegangene Freiluftsaison hatte sie direkt nach dem ersten Wettkampf aufgrund eines 17 Zentimeter langen Muskelbündelrisses im Oberschenkel abbrechen müssen. Eigentlich wollte die junge Frau aus Öhringen östlich von Heilbronn damals zur U20-WM in Cali (Kolumbien) reisen, doch alles kam anders. Statt Spikes und Sandgrube hieß es für die junge Weitspringerin: lange Pause und langsamer Wiedereinstieg.

„Das Hauptziel dieses Jahr war es, gesund zu werden und auch zu bleiben“, berichtet die 19-Jährige daher mit Blick auf die zurückliegenden Monate. Dass sie 2023 ihre erste internationale Medaille mit nach Hause nehmen würde, hatte sie selbst zu Beginn der Saison wohl am wenigsten geglaubt.

„Es war die schlimmste Zeit meines Lebens“

Auf ihre schwere Verletzungshistorie angesprochen, redet Laura Raquel Müller nicht lange um den heißen Brei. „Es war die schlimmste Zeit meines Lebens“, sagt sie. Nachdem der Muskelbündelriss weitestgehend auskuriert war, kamen immer wieder kleinere Rückschläge hinzu, ein reibungsloser Wiedereinstieg in den Leistungssport war bis Mai 2023 nahezu undenkbar. Doch nicht nur die körperlichen Beschwerden, sondern vor allem die Psyche setzten der jungen Athletin zunehmend zu. „Ich würde sagen es war schon hart an der Grenze zur Depression“, rekapituliert sie.

Eine Person, die ihr in dieser schweren Phase besonders zur Seite stand, war ihr Freund Oliver Koletzko (VfB Stuttgart), selbst Weitspringer. „Der Halt war auf jeden Fall immer da!“, sagt die 19-Jährige. Ebenfalls wichtige Stützen in dieser so harten Zeit: Vater und Großmutter, mit denen sie zunehmend Zeit verbrachte.

Doch auch als dem Oberschenkel nichts mehr fehlte, stellte Laura Raquel Müller fest, dass nichts so war wie vor der Verletzung. „Ich merkte direkt, dass ich eine Blockade vor dem Absprung entwickelt hatte, da, wo die Verletzung damals passiert war. Ich hatte Angst, dass es nochmal passiert. Es war wie eine Art Trauma, und es hat lange gedauert das wieder abzulegen.“ Zusätzlich plagte sie zwischenzeitlich eine Knochenhautentzündung im Schienbein, die sie immer wieder im Training einschränkte und zurückwarf.

Mit Bestleistung zu Bronze in Jerusalem

Umso überraschender war es, dass Laura Raquel Müller im Juli bei den U20-Europameisterschaften in Jerusalem (Israel) die Bronzemedaille in den Händen halten konnte. Erst musste sie zittern, ob sie es überhaupt schaffen würde, ins deutsche Nationalteam einzuziehen – denn im Weitsprung gab es mehr Normerfüllerinnen als Startplätze. Dann setzte ihr kurz vor dem Wettkampf noch eine Erkrankung zu. „Bis heute weiß ich nicht, was in diesem Wettkampf eigentlich passiert ist, ich habe es immer noch nicht wirklich realisiert“, sagt die Weitspringerin ungläubig.

Was passiert ist, dokumentieren die Ergebnislisten: Die 19-Jährige legte mit 6,51 Metern den bisher besten Sprung ihrer Karriere hin und wurde in einer engen Entscheidung hinter Elizabeth Ndudi (Irland; 6,56 m) und Plamena Mitkova (Bulgarien; 6,54 m) sowie einen Zentimeter vor der Schwedin Ayla Hallberg Hossain Dritte.

Dank Usain Bolt zur Leichtathletik

Zu verdanken hat Laura Raquel Müller diesen Erfolg auch Usain Bolt. Denn nur seinetwegen war sie in jungen Jahren überhaupt bei der Leichtathletik geblieben und hatte sich gegen den Fußball entschieden: 2011/2012 hatte ihr Vater sie mit zum Diamond League Meeting in Brüssel (Belgien) genommen, dort sah sie Usain Bolt sprinten, und die Entscheidung zugunsten der Leichtathletik war besiegelt.

Vater Wolfgang war früher selbst Sprinter und Laura Raquel Müllers erster Trainer bei der Unterländer LG. Als er bemerkte, welches Potenzial seine Tochter gerade im Sprint und Sprung entwickelte – dokumentiert auch 2021 mit Platz vier bei der U20-EM im Weitsprung –, fiel die Entscheidung für einen Wechsel auf das Stuttgarter Sportinternat. Mittlerweile trainiert die 19-Jährige in einer Gruppe des VfB Stuttgart, geleitet durch Tamas Kiss. „Ich bin echt glücklich da“, sie. „Aber ich habe von Anfang an gesagt, dass ich meinem Heimatverein so lange wie möglich treu bleiben werde.“

Nachdem sie die 100 Meter und den Weitsprung in der Saison 2021 noch parallel bestritten hatte, konzentrierte sie sich in der Saison 2023 aufgrund der zurückliegenden Verletzung ausschließlich auf den Weitsprung, um einer Überlastung vorzubeugen. Auch in Zukunft soll der Fokus auf der Sprungdisziplin bleiben, vereinzelte Starts im Sprint dienen dem Training für einen schnellen und explosiven Anlauf.

Sprung für Sprung Richtung nationaler Spitze

Der große Traum von Laura Raquel Müller: irgendwann bei den Olympischen Spielen zu starten. Die Spiele 2024 in Paris (Frankreich) kommen vermutlich noch zu früh. Die EM in Rom (Italien) dürfte ein realistischeres Ziel sein. „Ich stresse mich da nicht. Wenn der Moment da ist und ich es schaffen sollte, bin ich überglücklich. Wenn nicht, kommt meine Zeit einfach noch“, so die Weitspringerin.

Nachdem sie Anfang des Jahres ihr Fachabitur gemeistert hat, absolviert sie gerade ein Freiwilliges Soziales Jahr an einer Stuttgarter Grundschule. Dort arbeitet sie bis August 2024 als Schulbegleiterin in einer Inklusionsklasse. Was danach kommen soll, weiß Laura Raquel Müller noch nicht genau. So viel ist jedoch schonmal klar: „Ich könnte mir nie vorstellen, einen Bürojob auszuüben!“ Eine Möglichkeit sei nach aktuellem Stand die Landespolizei, doch auch ihre momentane Tätigkeit gefällt ihr sehr gut. Fest steht auf jeden Fall: Der Leistungssport soll in den nächsten Jahren weiterhin an erster Stelle stehen.

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