Gregory Minoué bringt alles mit, was es für einen erfolgreichen Hürdensprinter braucht. Vom talentierten Hobbyathleten im Nachwuchsbereich hat er sich in den vergangenen Jahren zum professionellen Leistungssportler entwickelt. Trotz Verletzung wechselte er Ende 2023 in die Trainingsgruppe von Bundestrainer Alexander John, etablierte sich in der deutschen Spitze und will künftig auch international vorn dabei sein.
Sein Talent für den Hürdensprint machte sich bereits in der Jugend bemerkbar. Mit nur drei Trainingseinheiten, die eher allgemein ausgerichtet waren, erreichte Gregory Minoué (TV Kalkum-Wittlaer) bei der U18-DM 2019 in Ulm auf Anhieb Platz sechs. Dabei war der Start ohnehin nur ein Trostpflaster dafür, dass er nicht bei der Mehrkampf-DM dabei sein konnte.
„Irgendwie konnte ich ohne wirklichen Grund ganz gut Hürden laufen“, erinnert sich der heute 23-Jährige und sagt: „Dass ich als Hobbyathlet direkt so erfolgreich war, weckte in mir den Gedanken, dass da vielleicht was geht.“ Und das tat es durchaus. Bereits in seinem ersten Jahr in der U20 gewann Minoué bei den Deutschen-Jugendmeisterschaften in der Halle den Titel über 60 Meter Hürden.
„Danach habe ich gesagt, dass ich das jetzt so richtig ernst nehme, und fünfmal in der Woche trainiert – ohne dabei eine Einheit zu skippen“, erzählt er lachend. Ausgezahlt hat sich der Sinneswandel unter anderem mit Gold bei den Deutschen U20-Meisterschaften 2020 und 2021 über 110 Meter Hürden, Platz zwei bei der Hallen-DM 2022 und 2023 sowie Bronze bei den Deutschen Meisterschaften 2023.
Mit hartnäckiger Verletzung auf der Erfolgsspur ausgebremst
Doch so reibungslos sollte es auf der Erfolgsspur nicht weitergehen. In der Sommersaison 2023 machten sich bereits Probleme im Hüftbereich bemerkbar – wie sich später herausstellte, eine Schambeinentzündung auf der rechten Seite.
Ausgerechnet in dieser Zeit stand für den ehrgeizigen Athleten der nächste große Schritt in Richtung Leistungssportkarriere an. Nach gut zehn Jahren unter Antje Kirberg wechselte der gebürtige Düsseldorfer Ende 2023 nach Leipzig in die Trainingsgruppe von Bundestrainer Alexander John.
„Vor allem für Gregory war das sehr schwierig. Er ist ein superehrgeiziger Athlet, der immer 100 Prozent geben möchte. Die Herausforderung lag insbesondere darin, ihn davon zu überzeugen, dass in dieser Situation weniger mehr ist. Und dass seine Zeit noch kommt“, erinnert sich Alexander John an die ersten Wochen mit seinem neuen Schützling. Und auch Minoué selbst gibt zu, dass diese Situation zwar sehr schwierig war, da er nichts machen konnte, im Nachhinein aber auch eine wertvolle Erfahrung darstellt: „Es war nach den erfolgsverwöhnten Jahren gut, so etwas mal zu erleben.“
Profiathlet mit Leidenschaft fürs Chillen
Gänzlich abschreiben musste das neue Trainer-Athlet-Gespann die Saison 2024 jedoch nicht. „Trotz der sehr geringen Vorbereitungszeit aufgrund der Verletzung ging die Idee im Saisonverlauf relativ gut auf“, sagt John. Auf dem Papier bedeutet das den Titel über 110 Meter Hürden bei den Deutschen U23-Meisterschaften 2024. Und auch sonst zeigt sich, dass der Wechsel nach Leipzig die richtige Entscheidung war.
Nicht nur trainiert Minoué hier in einer starken Trainingsgruppe mit Athletinnen und Athleten wie Deniz Almas (LG Olympia Dortmund) oder Anne Weigold (TV Wattenscheid 01), „die alle das Ziel haben, richtig gut zu werden“, wie er sagt. Auch fühle er sich nun mehr als Profisportler und achtet mehr auf eine sportlergerechte Ernährung, Regenerationsmaßnahmen wie Physiotherapie und auch den mentalen Ausgleich. „Ich bin gern zu Hause und liege im Bett. Auch zocke ich recht viel oder schaue Videos auf YouTube. Leider habe ich im Sportinternat kein Klavier, das spiele ich sonst auch ganz gerne“, erzählt er.
Das beste Hürdenalter kommt erst noch
Dass dies dann nicht nur lustige Unterhaltungsvideos sind, weiß sogar sein Trainer Alexander John: „Gregory liebt Hürdensprint! Ich habe vorher noch nie einen Athleten kennengelernt, der sich so viele Hürdensprint-Videos anschaut wie Gregory.“ Zudem lobt er das sehr gute Bewegungsgefühl und die nötige Einstellung zum Leistungssport, die Minoué als Hürdensprinter auszeichnen.
Potenzial sieht er aktuell noch im physischen Niveau: „Das müssen wir in den nächsten Jahren entwickeln.“ Das beste Hürdenalter liege ohnehin zwischen 26 und 30 Jahren – Ausnahmen nach unten wie oben ausgenommen. „Ich denke, dass man in dem Altersbereich genügend Erfahrung gesammelt hat, um im Rennverlauf stabil seine Technik umzusetzen und in wichtigen Rennen vorne dabei sein zu können.“
„Zeit limitiert den Kopf“
Erste Erfahrungen in solch wichtigen Rennen durfte Gregory Minoué bereits unter anderem mit Starts beim ISTAF Indoor sowie bei der Hallen-EM in der zurückliegenden Hallensaison machen. Mitgenommen hat er davon nicht nur große Dankbarkeit, sondern auch Motivation für den Sommer.
Als Ziel stehen für diesen viele gute Rennen im Vordergrund – oder wie Minoué sagt: „Vernünftig und konstant zu laufen“. Eine bestimmte Zeit will er sich hingegen nicht als Vorgabe setzen. „Zeit limitiert den Kopf“, sagt er. Anstatt etwa nur an die WM-Norm (13,27 sec) zu denken, konzentriert er sich darauf, in jedem Rennen so gut wie möglich abzuliefern und somit auch den Kopf jedes Mal aufs Neue zu fordern.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch sein Trainer, wenn er sagt: „Gute Zeiten sind das Resultat von guter Arbeit und guter Trainingsleistung.“ Wie gut die beiden bereits über den Winter gearbeitet haben, hat sich schon in den ersten Outdoor-Rennen abgezeichnet.
Erfolgreicher Saisoneinstieg in Dresden
Nachdem Gregory Minoué bei einem Testwettkampf im Rahmen des Trainingslagers in Kuala Lumpur (Malaysia) seine Bestzeit um satte 15 Hundertstel unterbieten konnte, brachte er auch bei seinem offiziellen Saisoneinstieg beim DSC-Meeting in Dresden vergangenen Samstag eine solide Leistung auf die Bahn. In 13,61 Sekunden war er eine Klasse für sich und zeigte sich auch angesichts der für Ende Mai kühlen Temperaturen zufrieden und zuversichtlich in Richtung Deutsche Meisterschaften an gleicher Stelle.
Danach gefragt, wie er sich seine starke Frühform erklärt, sagt er: „Seit ich bei Alex trainiere, habe ich Hürdenlaufen verstanden. Das war jetzt unser erster richtiger Aufbau, und der Alex erklärt das alles auch einfach sehr gut. Er hat sehr viel Verständnis vom Hürdensprint und kann das auch gut rüberbringen. Anderseits versteht er mich sehr gut, obwohl ich keiner bin, der gut beschreiben kann, was er beim Laufen spürt. Dann sage ich, wie ich es fühle, und er versteht das und weiß, was ich damit meine. Auch wenn ich zum Beispiel mit Soundeffekten erkläre, wie sich was angefühlt hat.“
Verständnis für den Kurzhürdensprint ist elementar
Als Vorteil spielt dabei sicherlich auch die eigene Vergangenheit von Alexander John als erfolgreicher Hürdensprinter mit rein. Was für den Trainer jedoch noch viel wichtiger ist, ist das Vertrauen des Athleten in den Trainer und dessen System. „Das ist im Sport elementar“, sagt John.
Hinzu kommt sein Ansatz, dass neben dem Talent als Grundvoraussetzung – sowohl auf der physischen und anthropometrischen wie auch auf der psychischen Ebene – einen erfolgreichen Hürdensprinter vor allem das Verständnis für seine Disziplin ausmacht: „Das Verständnis für den Kurzhürdensprint braucht man, um in den entscheidenden Rennphasen auch das Richtige zu machen. Daran arbeiten wir täglich und Gregory macht gute Fortschritte.“
Ein weiterer Grund für die positive Entwicklung im deutschen Hürdensprint, die nicht nur bei Gregory Minoué zu beobachten ist, sehen er und Bundestrainer John auch in der starken nationalen Konkurrenz. „Konkurrenz belebt das Geschäft. Von daher bin ich froh, dass wir mit Gregory, Manuel Mordi aus Hamburg sowie auch Tim Eikermann aus Leverkusen oder Nils Leifert aus Fürth mehrere Jungs haben, die sich dieser Situation stellen und sich gegenseitig pushen“, sagt John.
Verrückter Charakter und der richtige Push
Die Vorteile der starken nationalen Konkurrenz bestätigt auch Minoué und sagt: „Im Wettkampf macht zwar jeder sein eigenes Ding und man blendet kurz aus, dass man befreundet ist. Aber außerhalb davon ist alles entspannt und wir schreiben viel oder schicken uns Videos auf TikTok.“ Eine weitere Gemeinsamkeit sieht er darin, dass alle guten Hürdensprinter „einen kleinen Knacks haben“. Mit einem Schmunzeln beschreibt er den Charakter von Hürdensprintern als „etwas verrückt“ – wie auch sonst ließe sich erklären, freiwillig mit maximalem Tempo auf 106,68 Zentimeter hohe Hindernisse zu sprinten.
Dies sei auch genau das, was Gregory Minoué im Wettkampf zu Höchstleistung treibt und die nötige Aggressivität für das Rennen bringt. „Der Start ist bei mir nur gut, wenn ich richtig heiß bin und etwas auf dem Spiel steht“, sagt er.
„Meine Stärke ist vor allem der Mittel- und Endbereich, daher freue ich mich auch so sehr auf die Outdoor-Saison. Ich habe einen guten zweiten Schritt, der noch mal Speed gibt und gut nach vorne pusht.“ Den perfekten Vortrieb wird er das nächste Mal schon am Sonntag (1. Juni) beim Goldenen Oval in Dresden gegen starke nationale und internationale Konkurrenz brauchen. Und spätestens Anfang August an selber Stelle bei den Deutschen Meisterschaften in Dresden brauchen, wenn es darum geht, sich das Finale zu vergolden und als Meister von der Bahn zu gehen.