| Interview

Frederik Ruppert: „Ich habe es immer noch nicht ganz begriffen“

Frederik Ruppert im Trikot seines Sponsors beim Überqueren eines Hindernisses in Rehlingen. © Gladys Chai von der Laage
Mit 8:01,49 Minuten hat Frederik Ruppert (LAV Stadtwerke Tübingen) am Sonntag beim Diamond-League-Meeting in Rabat (Marokko) den deutschen Rekord über 3.000 Meter Hindernis pulverisiert und damit Leichtathletik-Deutschland auf den Kopf gestellt. Wir haben mit ihm gesprochen – über den emotionalen Moment des Zieleinlaufes, die Hintergründe des Erfolges und neue Chancen, die sich nun ergeben.
Svenja Sapper

Frederik Ruppert, Ihr Fabelrennen mit neuem deutschem Rekord bei der Diamond League in Rabat ist jetzt gut zwei Tage her. Wie viele Anrufe und Glückwunsch-Nachrichten haben Sie seither erhalten? 

Frederik Ruppert: 
Eine ganze Menge! Also sehr, sehr viele Anrufe, noch viel mehr Nachrichten und Medienanfragen. Auch der bisherige Rekordhalter Damian Kallabis hat eine kurze, persönliche Nachricht geschrieben, das fand ich sehr nett und hat mich wirklich gefreut. Das alles ist für mich in der Form jetzt noch neu, ich muss auch erst noch lernen, damit umzugehen. Aber es ist natürlich schön, jetzt so eine Rückmeldung zu bekommen. 

Hatten Sie inzwischen schon Zeit, das Erlebte zu verarbeiten und zu realisieren, was Sie geleistet haben? 

Frederik Ruppert: 
Ich habe mir das Rennen noch ein paar Mal angeguckt, es hat aber nichts daran geändert: Ich habe es immer noch nicht so ganz begriffen, was da passiert ist. Für mich selbst ist das natürlich ein Riesenschritt, aber ich muss ehrlich sagen, dass ich mit so einem Ergebnis nie gerechnet hatte. Und wenn man das Rennen dann noch mal sieht, sich selbst quasi beim Laufen zuschaut, sieht es nochmal absurder aus, als wenn man es selber gelaufen ist.

Was ist Ihnen beim Schauen aufgefallen? 

Frederik Ruppert: 
Vor allem, dass ich am Ende noch eine Lücke geschlossen habe. Ich bin ja auf den letzten Metern immer näher noch rangekommen. Das hat sich für mich in dem Lauf gar nicht so angefühlt. Irgendwie hat es sich so angefühlt, als wäre ich die ganze Zeit einfach kontinuierlich weitergelaufen. Aber man sieht schon relativ deutlich, finde ich, dass ich zwei Runden vor Schluss vom Tempo her echt nochmal einen draufgelegt habe. Und ich bin dann auch ein bisschen erschrocken, als ich das gesehen habe.

Wie war es im Rennen selbst? Wann haben Sie gemerkt: „Das ist gerade das Rennen meines Lebens“? 

Frederik Ruppert: 
Ich habe natürlich gemerkt, dass ich mich gut fühle. Und ich wusste auch – wir hatten ja die Wave Lights neben uns laufen –, auf welchem Kurs wir da unterwegs waren. Zur Mitte des Rennens war ich mir schon relativ sicher, dass ich das fast so durchlaufen kann. Dafür bekommt man ein Gespür, wenn man das ein paar Mal gemacht hat. Ich versuche immer, mich nicht zu verrückt zu machen von irgendwelchen Zwischenzeiten, aber vor der letzten Runde ging dann doch der Blick mal auf die Uhr. Die hat, glaube ich, 7:00 oder 7:01 angezeigt, als ich über die Linie gelaufen bin. Da wusste ich: Ach du je, du läufst hier keine langsamere Schlussrunde als eine 64 oder 65. Das war verrückt, aber da muss man dann auch ruhig bleiben und die Runde noch hinter sich bringen.

Und dann kam der Moment, in dem Sie über die Ziellinie gelaufen sind. Wie haben Sie das erlebt, welche Gedanken gingen Ihnen in diesem Moment durch den Kopf?

Frederik Ruppert: 
Also erstmal einfach gar nichts. Ich habe nur auf diese Anzeigetafel geguckt, habe die Zeit gesehen und gedacht, was ist da gerade passiert? Ich habe mit vielem gerechnet, aber nicht mit solch einer Zeit. Und dann war es einfach pure Freude. Ich konnte es gar nicht glauben. Ich bin dann dem El Bakkali [Olympiasieger Soufiane El Bakkali; Anm. d. Red.] auch in die Arme gefallen. Der konnte es, glaube ich, auch nicht glauben. Es war einfach ganz, ganz toll. Also ein ganz, ganz toller Abend.

Sie haben es schon angesprochen: Mit solch einer Zeit war nicht zu rechnen. Immerhin haben Sie Ihre Bestzeit um 14 Sekunden nach unten geschraubt. Was hatten Sie sich denn im Vorfeld zugetraut?

Frederik Ruppert:
Ich muss sagen, insgeheim haben wir schon auf diesen deutschen Rekord hintrainiert. Aber ich bin jemand, der schon auch eher mal ein bisschen tiefstapelt und erst mal schaut, wie man so reinkommt, statt große Ziele auszurufen. Ich wusste, dass ich die Form dazu habe, in Richtung deutscher Rekord zu laufen. Isabelle [Trainerin Isabelle Baumann] hat immer von dem langfristigen Projekt gesprochen: 8:05 Minuten. Da habe ich immer gedacht:  Boah, das ist schon heftig. 8:05 sind noch nicht viele gelaufen in Europa. Über 8:06 oder 8:07 Minuten hätten wir uns auch super gefreut. Wir haben gesagt, wenn es in den Bereich geht, einfach keine Angst haben, dranbleiben. 

Wie haben Sie sich auf das Rennen eingestellt? Zuvor gab es bereits die Info, dass ein sehr hohes Tempo angeschlagen werden soll…

Frederik Ruppert: 
Es sollte an der Spitze Richtung 8:00 Minuten gehen, so waren die Wavelights eingestellt. Ich habe gedacht: Okay, das ist sehr, sehr schnell. Aber ich hatte jetzt sowieso nicht vor, mich als Zweiter oder Dritter einzuordnen. Von daher fand ich es gut, denn es ist auch eine Chance, dass man nicht zu dritt oder viert nebeneinander läuft, sondern ein bisschen mehr Ruhe hat. Es ist ja dann auch so gewesen, dass sich relativ früh schon zwei Gruppen gebildet haben. Da dachte ich, es ist eigentlich ein gutes Setting jetzt, ich hänge mich ganz hinten an die erste Gruppe ran. Das Tempo ist vielleicht ein bisschen zu hoch, aber ich kann frei laufen, ich habe viel Platz. So ein Rennen habe ich vor drei Jahren schon mal in Finnland gehabt. Da hat es auch funktioniert und jetzt wieder.

Als wichtigen Faktor auf Ihrem Weg zum Rekord haben Sie bereits kurz nach dem Rennen den Wechsel in die Trainingsgruppe von Isabelle Baumann benannt, den Sie nach der Saison 2023 vorgenommen haben. Was zeichnet Ihre Trainerin aus? 

Frederik Ruppert: 
Zum einen natürlich die Erfahrung. Sie hat schon etliche Top-Leute trainiert, unter anderem ja ihren Mann Dieter. Sie weiß genau, wie das alles funktioniert. Ich hatte vorher mit Harald Eifert auch einen sehr, sehr guten Trainer. Der hat auch einen riesigen Anteil daran mit der Vorarbeit, die er geleistet hat. Aber ab einem gewissen Punkt mahlen die Mühlen einfach anders, da muss man dieses Geschäft ein bisschen kennen. Bei Isabelle ist alles total strukturiert, und was mir besonders gefällt: Sie ist sehr, sehr offen für Neues. Sie hält nicht komplett an einem System fest, auch nicht innerhalb der Trainingsgruppe. Wenn ich in Tübingen bin, trainiere ich viel mit Max Thorwirth zusammen. Es ist nicht so, dass wir komplett die gleichen Pläne haben, sondern das ist schon individuell abgestimmt und wir trainieren dann nicht immer das Gleiche. 

Sie haben sich ja sicher inzwischen mit Ihrer Trainerin zu Ihrem Rennen ausgetauscht. Was hat sie dazu gesagt? 

Frederik Ruppert: 
Ich glaube, sie war selber ein bisschen überrumpelt davon. Das hat sie sicherlich auch nicht kommen sehen. Wir wissen auch noch nicht so recht, wie wir damit umgehen sollen, weil sich natürlich jetzt ganz andere Türen geöffnet haben, von denen wir vorher nicht ausgegangen sind. Aber sie war natürlich sehr, sehr glücklich und hat sich sehr für mich gefreut. 

Apropos Türen, die sich öffnen. Welche neuen Chancen ergeben sich nun für Sie – und inwiefern haben sich durch das Rennen auch gedankliche Grenzen verschoben? 

Frederik Ruppert: 
Was sehr erfreulich ist: Ich habe jetzt keine Probleme mehr, mich für Meetings zu registrieren. Ich werde natürlich einen Startplatz bekommen. Zum anderen ist es auch so, dass ich jetzt eine ganz andere Sicherheit habe. Ich weiß jetzt, wenn ein hohes Tempo angeschlagen wird: Das hast du schon mal gemacht. Du kannst da mitlaufen. Das gibt natürlich auch enormen Rückenwind. Gleichzeitig weiß ich aber auch: Ich bin diese Zeit jetzt einmal gelaufen. Ich bin mir dessen bewusst, dass ich nicht in jedem Rennen 8:01 laufen werde. Vielleicht werde ich dieses Jahr gar nicht mehr schneller laufen. Das ist dann auch okay für mich. Ich habe jetzt quasi ein Level übersprungen und auf diesem Level dazwischen möchte ich mich gern etablieren. Und wenn ich das kann, dann haben wir sehr, sehr viel geschafft dieses Jahr.

Welche Wettkämpfe haben Sie als Nächstes geplant?

Frederik Ruppert: 
Erstmal ist geplant, in Karlsruhe am Wochenende 1.500 Meter zu laufen, einfach um mal was anderes zu machen. Das entscheiden wir aber noch, je nachdem wie es meinem Körper geht. Und dann ist das nächste Rennen über 3.000 Meter Hindernis in Turku, wo ich damals vor drei Jahren Bestzeit gelaufen bin. Daran habe ich auch sehr gute Erinnerungen. Wie es danach weitergeht, ist momentan noch nicht ganz klar. 

Mehr: 
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