Sensation in Rabat: Hindernis-Spezialist Frederik Ruppert steigert beim Diamond-League-Meeting seine Bestzeit um 14 Sekunden und wird mit neuem deutschen Rekord* in einem hochklassig besetzten Feld Zweiter.
Für sein erstes Rennen der Freiluftsaison hatte Frederik Ruppert (LAV Stadtwerke Tübingen) die wohl größtmögliche Bühne gewählt: das Diamond-League-Meeting in Rabat. Und diese wusste er perfekt für sich zu nutzen. In der Hindernis-Hochburg Marokko, wo der Wettbewerb am späten Abend den krönenden Abschluss bildete, mischte er zunächst im vorderen Teil des Feldes souverän mit den hochkarätigen Konkurrenten mit, bevor er sich mit jeder weiteren Runde nach vorn arbeitete und auf den letzten 400 Metern auf Tuchfühlung zu Marokkos führendem Olympiasieger Soufiane El Bakkali lief.
Was dann folgte, war eine Sensation und schrieb deutsche Sportgeschichte. In 8:01,49 Minuten pulverisierte Frederik Ruppert den seit 1999 bestehenden deutschen Rekord von Damian Kallabis (8:09,48 min) um gleich acht Sekunden! Nicht viel fehlte gar zum Europarekord (8:00,09 min). Seine persönliche Bestzeit, aufgestellt im EM-Finale 2024 in Rom (Italien), in dem er Vierter wurde, steigerte er um 14 Sekunden. Dass er damit auch klar die Norm für die WM geknackt hat, was er zuvor als Ziel ausgegeben hatte, blieb dabei fast nebensächlich. Es war ein Rennen, das sich dem 28-Jährigen ganz sicher für immer ins Gedächtnis brennen wird.
"Nie hätte ich das gedacht"
"Unglaublich, ich kann es nicht fassen. Ich habe mich gut gefühlt, also wollte ich schnell angehen. Auf dem letzten Kilometer habe ich realisiert, dass ich für eine Zeit um 8:09 Minuten nur einen langsamen Kilometer brauche, was schon großartig gewesen wäre. Aber ich habe weiter Gas gegeben und bin bei 8:01 Minuten gelandet. Ich hatte den deutschen Rekord im Hinterkopf, aber ich hätte nie gedacht, dass ich so schnell laufe. Was? Nur eine Sekunde am Europarekord vorbei – oh mein Gott, nie hätte ich das gedacht", sagte Frederik Ruppert unmittelbar nach seinem furiosen Auftritt.
Seine Steigerung führte er im Interview mit dem Veranstalter-Team auch auf seinen Wechsel zu Isabelle Baumann in die Tübinger Trainingsgruppe zurück. "2023 habe ich meine Trainerin gewechselt, im vergangenen Jahr habe ich gemerkt, dass ich konstanter um 8:15 Minuten gelaufen bin, nur der eine Ausrutscher nach oben hat gefehlt", erklärte der einstige U23-Europameister. "Also wusste ich, dass ich nach zwei Jahren im neuen Coaching-Setting sogar noch schneller laufen kann, das habe ich auch im Training gemerkt. Von dem hier hätte ich aber nie zu träumen gewagt."
Mit Weltjahresbestleistung nur knapp vor dem deutschen Hindernis-Ass lief Soufiane El Bakkali (Marokko; 8:00,70 min) ins Ziel, Platz drei ging an den Kenianer Edmund Serem (8:07,47 min).
Spitzenzeit über 3.000 Meter der Frauen
Für ein weiteres Highlight der Veranstaltung sorgte auf den für sie eher kurzen 3.000 Metern Doppel-Olympiasiegerin Beatrice Chebet (Kenia), die in Paris (Frankreich) über 5.000 und 10.000 Meter triumphiert hatte Scheinbar unangestrengt spulte sie Runde für Runde ab und verschärfte auf den letzten beiden Runden noch einmal ihr ohnehin schon schnelles Tempo.
In 8:11,56 Sekunden lief sie die zweitschnellste Zeit, die jemals von einer Läuferin auf die Bahn gebracht wurde. Selbsterklärend, dass dies zugleich ein neuer Meetingrekord und sogar neuer Diamond League Rekord, Afrikarekord und Weltjahresbestleistung war. Mit einem neuen Landesrekord deutlich dahinter lief Italiens Laufstar Nadia Battocletti (8:26,27 min) als Zweite ins Ziel. Platz drei ging an Sarah Healy (8:27,02 min) aus Irland, die WM-Dritte über 10.000 Meter Ejgayehu Tahe (Äthiopien) wurde Vierte.
Femke Bol eine Klasse für sich
Hochklassig ging es auch über 400 Meter der Hürden zu. Es war ihr erstes Rennen auf ihrer Spezialstrecke seit September 2024 – und die lange Pause hat Europarekordlerin Femke Bol (Niederlande) gutgetan. Etwa 20 Meter vor dem Rest des Feldes bestritt sie in gewohnt leichtfüßiger Manier ihr Rennen und gewann in 52,46 Sekunden. Mit dieser Zeit gelang ihr nicht nur der beste Saisoneinstieg ihrer Karriere, sondern zugleich auch ein neuer Meetingrekord. Auf Platz zwei und drei folgten jeweils mit Saisonbestleistung Andrennette Knight (Jamaika; 53,90 sec) und Ayomide Folorunso (54,74 sec) aus Italien.
Ohne Hürden ging es über 400 Meter für die Männer auf die Bahn. Hier sah es eingangs der Zielgeraden noch ganz nach einem Sieg für Zakithi Nene (Südafrika) aus. Doch auf den letzten Metern schob sich noch Jacory Patterson (USA; 44,37 sec) vorbei. Dritter wurde dessen Landsmann und Olympiasieger Quincy Hall.
Als Favoritin angereist, machte Weltrekordlerin Tobi Amusan (Nigeria) über 100 Meter Hürden genau das, was sie am besten kann: so schnell wie keine andere über die Hürden sprinten. In 12,45 Sekunden lief sie als Siegerin zu einem neuen Meetingrekord und setzte sich klar von der vielfachen EM-Medaillengewinnerin Nadine Visser (Niederlande; 12,67 sec) auf Rang zwei und der Europameisterin von 2022 Pia Skrzyszowska (Polen; 12,69 sec) durch. Hallen-Europarekordlerin Ditaji Kambundji (Schweiz) wurde Vierte.
Kein Vorbeikommen an Akani Simbine über 100 Meter
Auf die Sprintgerade ohne Hindernisse ging es unter anderem für Akani Simbine (Südafrika). Und erneut kam über 100 Meter keiner an dem schnellsten Mann des Jahres vorbei. In 9,95 Sekunden blieb der Hallen-WM-Dritte als einziger Sprinter unter zehn Sekunden. Platz zwei und drei gingen an den Afrikarekordler Ferdinand Omanyala (Kenia; 10,05 sec) und den Weltmeister von 2022 Fred Kerley (USA; 10,07 sec), der sich auch über die doppelte Distanz als Dritter über die Ziellinie warf. Der Sieg über 200 Meter ging an seinen Landsmann Courtney Lindsey (20,04 sec) vor US-Kollege Joseph Fahnbulleh (20,12 sec).
Im 100-Meter-Rennen der Frauen setzte sich 200-Meter-Spezialistin Shericka Jackson durch. Die Jamaikanerin kam nach den ersten 20 Metern immer besser in Tritt und konnte sich mit langem Schritt leicht von der Konkurrenz abheben. Mit 11,04 Sekunden war die erfolgsverwöhnte Jamaikanerin zwar nicht zufrieden, den Sieg hatte sie dennoch sicher. Platzt zwei und drei gingen an Maia McCoy (Liberia; 11,08 sec) und Jacious Sears (USA; 11,11 sec).
Überraschungssieg über 800 Meter
Meetingrekord, Weltjahresbestleistung und so schnell wie nie zuvor: in 1:42,70 Minuten wurde der Sieg über 800 Meter vergeben, und zwar an den Siebten der Olympischen Spiele von Paris Tshepiso Masalela (Botswana). Der favorisierte Olympiasieger Emmanuel Wanyonyi aus Kenia musste sich gleich doppelt geschlagen geben. In 1:43,37 Minuten blieb ihm hinter dem Briten Max Burgin (1:43,34 min) nur Rang drei. Der Sieg im Frauenrennen ging an Tsige Duguma (1:57,42 min) aus Äthiopien. Knapp dahinter liefen Prudence Sekgodiso (Südafrika; 1:57,52 sec) und Addison Wiley (USA; 1:57,55 min) ins Ziel.
Einen weiteren Meetingrekord gab es über 1.500 Meter der Männer. In persönlicher Bestzeit setzte sich Jonah Koech (USA) mit 3:31,43 Minuten vor den beiden Kenianern Rexnold Cheruiyot und Festus Lagat durch. Der in Marokko geborene Hallen-EM-Zweiten Azeddine Habz (Frankreich) war als Vierter bester Europäer. Bei den Frauen gab es einen Favoritensieg für die WM-Fünfte Nelly Chepchirchir (Kenia; 3:58,04 min).
Leonardo Fabbri im Kugelstoßen geschlagen
Nach Siegen in Neustädt und Savona (Italien) hatte der Weltjahresbeste Leonardo Fabbri (Italien) im Kugelstoßen dieses Mal das Nachsehen und musste sich in einem hochkarätig besetzten Feld mit Rang acht (21,03 m) zufriedengeben. Zu Höchstform lief indes Payton Otterdahl aus den USA auf. Im sechsten und damit letzten Versuch wuchtete er sein 7,26 Kilogramm schweres Arbeitsgerät auf 21,97 Meter – Weltjahresbestleistung! Damit verwies er den bis dahin führenden Olympia-Dritten Rajindra Campbell (Jamaika; 21,95 m) noch auf Platz zwei, Dritter wurde US-Star Joe Kovacs (21,52 m). Beide waren am Freitag noch bei den Halleschen Werfertage am Start gewesen (wir berichteten).
Die einzige Wurfentscheidung des Abends fand im Speerwurf der Frauen statt. Nach ihrem Landesrekord von 67,22 Metern galt die EM-Zweite Adriana Vilagos (Serbien) als Favoritin. Doch ihr weitester Versuch auf 63,25 Meter reichte nicht für den Sieg. Dieser ging mit 64,60 Metern an Elina Tzengko (Griechenland). Parallel dazu schwangen sich die Stabhochspringerinnen über die Latte. Am höchsten hinaus ging es dabei für Weltmeisterin Katie Moon (USA; 4,73 m).
* deutscher Rekord vorbehaltlich Ratifizierung
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