| Interview

Fabienne Königstein: "Jetzt zeige ich, was in mir steckt"

© SCC Berlin / Petko Beier
Mit Platz sechs und einer Zeit von 2:22:17 Stunden beim Berlin Marathon – Rang drei in der ewigen deutschen Bestenliste – hat Fabienne Königstein (MTG Mannheim) am Sonntag ein absolutes Top-Resultat auf die Straße gebracht. Wir haben zwei Tage nach dem Rennen mit der 32-Jährigen über ihre Vorbereitung, den Rennverlauf und die nächsten Ziele für diese Jahr gesprochen.
Jane Sichting

Fabienne Königstein, zunächst noch herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Erfolg beim Berlin Marathon am Sonntag. Wie geht es Ihnen zwei Tage nach dem Rennen?

Fabienne Königstein:
Vielen Dank. Körperlich habe ich noch ganz schön Muskelkater und kann die Treppen immer noch nicht elegant herunterlaufen. Aber ich war schon wieder 40 Minuten auf der Radrolle – das tut gut, wenn ich die Muskeln durchbewegen kann. Mental kommt langsam an, was ich am Sonntag erreicht habe. Ich bin sehr stolz. Gestern habe ich endlos Nachrichten und Glückwünsche beantwortet. Wahnsinn, wie viele Menschen daran teilgenommen haben. Jetzt steht für mich diese Woche privat ein Umzug nach Magdeburg an und ich gehe leider schon wieder in der Realität des Alltags unter und habe noch viel zu organisieren.

Was für ein straffes Programm. Wie kam es zu der Entscheidung, nach Magdeburg zu ziehen? Und welche Veränderungen in Bezug auf Ihr Training geht damit einher?

Fabienne Königstein:
Mein Mann hat da eine schöne Stelle gefunden, er arbeitet klinisch-wissenschaftlich. Und da hat er ein gutes Umfeld gefunden, wo er gut mit seinem Forschungsschwerpunkt reinpasst und viel mitgestalten kann. Mein Mann ist auch mein Trainer, daher ändert sich dahingehend nichts. Ich habe schon vorher viel allein trainiert. Bisher habe ich im Nachbarort von Melina Wolf gewohnt, die in Berlin Dritte geworden ist und auch eine Tochter in dem Alter von meiner Tochter hat. Das tut mir sehr weh, dass ich sie nicht mehr in der Nähe habe. Wir haben zwei oder drei mal die Woche lockere Dauerläufe zusammen gemacht. Und auch meinen Trainingspartner Michael Chalupsky werde ich vermissen. Aber ich hoffe, in Magdeburg schnell Anschluss zu finden. Auch Dinge wie Physiotherapie muss ich mir neu aufbauen. Da es aber einen Olympiastützpunkt gibt und ich jetzt gezeigt habe, dass ich in den Bundeskader gehöre, werde ich da nächste Woche mal anrufen und fragen, wie es aussieht.

Kommen wir zurück zum Berlin Marathon. Wie haben Sie das Rennen erlebt?

Fabienne Königstein:
Ich war am Anfang erstaunlich angespannt. Normal kann ich die ersten 15 Kilometer bei einem Marathon immer sehr genießen, weil das Tempo, das man 42 Kilometer laufen will, da noch gut rollen soll und ich die Stimmung gut aufsaugen kann. Vielleicht war es der eigene Druck, den ich mir gemacht habe oder dann doch die Wärme und Luftfeuchte, dass ich direkt am Anfang schon sehr fokussiert und angestrengt war. Meinen kritischen Moment hatte ich dann, als mir mein Tempomacher so in etwa ab Kilometer 15 signalisiert hat, dass er die Pace nicht mehr halten kann. Das war sehr ernüchternd. Ich habe dann entschlossen, wieder zu einer kleinen Männergruppe aufzuschließen, die mit mir die ersten zehn Kilometer zusammen gelaufen ist. Ich habe es auch geschafft, die Lücke zuzulaufen. Darauf bin ich wirklich stolz. Und zufrieden damit, wie ich die Situation für mich gelöst habe. Dass ich mich nicht aus der Ruhe bringen lassen und einfach weiter mein Ding gemacht habe. Ich konnte dann bis ins Ziel mein Tempo durchlaufen, ohne einzubrechen.

Sie sind insgesamt als sechste Frau ins Ziel gekommen und haben sich mit 2:22:17 Stunden auf Rang drei der ewigen deutschen Bestenliste geschoben. Was bedeutet Ihnen dieser Erfolg?

Fabienne Königstein:
Als Sechste bei einem Gold Major ins Ziel zu kommen und nur 1:10 Minute Abstand zur Spitze zu haben, das ist der Wahnsinn. Es war immer mein Ziel, in meiner sportlichen Karriere eine Top-Ten-Platzierung bei einem Gold Major zu erreichen. Dass ich das in diesem Jahr und dazu mit einem sechsten Platz in Berlin – zu Hause – schon abhaken kann, das bedeutete mir enorm viel. Auch dass ich Familie und Freunde auf RTL in der Liveübertragung mitnehmen konnte, bedeutet mir sehr viel. Als beste Deutsche hatte ich sogar eine eigene Kamera, damit war ich sehr oft im Bild. Ich bin sehr stolz und habe über die Jahre gelernt, in so einem Moment einmal innezuhalten und sich für den Moment feiern zu lassen und gedanklich nicht direkt weiterzuziehen. Die neuen Ziele setze ich mir in einer Woche und so lange genieße ich jetzt erst mal, was ich erreicht habe.

Eingangs haben Sie erwähnt, dass Sie sich selbst viel Druck gemacht haben. Hatten Sie sich vorab ein bestimmtes Ziel gesetzt oder eine konkrete Zeit im Kopf?

Fabienne Königstein:
Anhand meiner Trainingsleistungen und der im Training gemessenen Laktatwerte weiß ich vor einem Marathon ziemlich gut, in welche Richtung die Endzeit gehen kann. Das ist auch wichtig für die Pace, die ich angehen will. Das lässt man nicht auf sich zukommen, sondern das wird genau überlegt und kalkuliert. Daher wusste ich, dass ich in der Form bin, unter 2:23 Stunden zu laufen. Aber der Druck war enorm hoch, weil ich nicht mehr im Bundeskader war und mein Ausrüstervertrag ausgelaufen ist. Da wollte ich zeigen, wo mein Potenzial ist, wenn ich mal gesund durchkomme.

Das ist Ihnen mehr als eindrücklich gelungen. Wie sind Sie denn mit den Bedingungen zurechtgekommen – viele Läuferinnen und Läufer hatten stark mit der Hitze und der hohen Luftfeuchtigkeit zu kämpfen.

Fabienne Königstein:
Mein Plan war, dass ich meine Getränkeflaschen, die wir aller fünf Kilometer abgeben dürfen, voll gefüllt habe – auch wenn ich dadurch mehr Gewicht zu tragen hatte. Zudem hatte ich nur Wasser in den Flaschen und meine Hydro-Gele außen drangeklebt. Somit konnte ich mir das Wasser nach dem Trinken auch über den Kopf und in den Nacken und das Dekolleté geschüttet. Das hat mich vor allem in der ersten Hälfte des Rennens wirklich gut abgekühlt. Zudem hatte ich vom EM-Marathon in Berlin 2018 schon Erfahrungen mit ähnlichen Bedingungen. Auch da bin ich schon gut gelaufen.

Berlin ist bekannt dafür, auf der Strecke schnelle Zeiten laufen zu können. Hatten Sie sich den Marathon in der Hauptstadt bewusst ausgesucht? Was macht die Strecke so besonders?

Fabienne Königstein:
Das sind mehrere Faktoren. Zum einen ist es der Gold Major bei uns hier zu Hause in Deutschland – das ist immer gut mit der Champions League im Fußball zu vergleichen. Das ist international absolute Weltklasse in diesem Rennen. Als deutsche Läuferin hier dabei zu sein – da wird man an der Strecke so angefeuert, das kann sich kaum einer vorstellen. In Berlin ist von Start bis Ziel eine Kette von Menschen, ohne dass es mal 100 Meter still ist. Da wird man – in meinem Fall 2:22 Stunden – durchgehend bejubelt, angefeuert und mit Musik beschallt. Das ist ein Erlebnis, was man sonst nirgends hat. On top kommt die schnelle Strecke, die es noch attraktiver macht und man wirklich starke Leistungen zeigen kann. Und das Wetter spielt in Berlin auch immer mit – das hat man vertraglich ja eigentlich mitgebucht, dass da top Bedigungen sind. (lacht)

Zuletzt hatten Sie mit 2:25:48 Stunden 2023 in Hamburg eine Bestleistung aufgestellt – nur neun Monate nach der Geburt Ihrer Tochter. Wie sah denn Ihre unmittelbare Marathonvorbereitung für Berlin in diesem Jahr aus?

Fabienne Königstein:
Ende letzten Jahres war ich lange verletzt und habe erst ab Januar wieder richtig trainieren können, da waren wir vier Wochen in Kenia. Dann hatte ich zwar eine Frühjahrs-Saison mit zwei Marathons gemacht, aber ich wusste, dass ich nicht in Bestzeit-Form sein werde und das nur ein Schritt in Vorbereitung auf Berlin ist. Startschuss für die unmittelbare Vorbereitung war Mitte Juni, da war ich drei Wochen in Livigno im Trainingslager – das ist direkt neben St. Moritz, nur auf der italienischen Seite. Ab Juli habe ich die Vorbereitung zu Hause gemacht, da es mit einer dreijährigen Tochter auch nicht so einfach ist, so lange weg zu sein. Dann bekommt sie Heimweh und ihr fällt etwas die Decke auf den Kopf, wodurch sie viel Zeit von mir in Anspruch nimmt und mir das dann bei der Regenration fehlt.

Parallel zu Ihrem Rennen fand auch die WM in Tokio, bei der Amanal Petros einige Tage zuvor im Marathon Silber gewonnen hat. Inwiefern hat Sie das für Ihren eigenen Marathon motiviert?

Fabienne Königstein:
Das hat mich auf jeden Fall gepusht. Ich kenne Amanal, weil wir uns oft in Kenia über den Weg laufen und auch mal einen Kaffee zusammen trinken. Ich hatte ihm den Erfolg unglaublich gewünscht und bin glücklich, dass es jetzt bei ihm geklappt hat. Er hatte in den letzten Jahren auch so viel in den Sport investiert und dann immer wieder Pech, seine Spitzenform nicht zeigen zu können. Jetzt hat bei ihm endlich mal alles zusammengepasst und er kann diese WM-Medaille in den Händen halten. Das hat mich motiviert, mir zu sagen, dass auch ich schon viele Rückschläge erlebt habe, jetzt aber in einer guten Form bin und alles zusammenpasst. Jetzt zeige ich, was in mir steckt.

Was Ihnen dann auch gelungen ist. Noch einmal zu Ihrer Zeit: 2:22:17 Stunden ist die drittbeste Zeit, die eine deutsche Marathonläuferin je gelaufen ist. Haben Sie den deutschen Rekord zumindest im Hinterkopf? Dieser steht seit 2008 bei 2.19:19 Stunden und wurde von Irina Mikitenko ebenfalls in Berlin gelaufen.

Fabienne Königstein:
Bisher hat das noch keine große Rolle gespielt. Nach der Zeit in Berlin bei den herausfordernden Bedingungen am Sonntag, da kommt der deutsche Rekord immer näher und ist sicher ein Ziel für die nächsten Jahre, das mich im Training begleiten wird und woran ich denken werde.

Der Berlin Marathon war einer der ersten Rennen der Herbstsaison. Wie sieht denn Ihr Wettkampfplan für die kommenden Wochen aus und was sind Ihre nächsten Ziele?

Fabienne Königstein:
Erst einmal heißt es erholen. (lacht) Wer mich kennt, der weiß, dass ich eine leidenschaftliche Crossläuferin bin. Aber ich konnte schon viele Jahre keine Cross-Saison mehr machen. Dieses Jahr will ich gern wieder bei der Cross-EM dabei sein und mich dafür qualifizieren.

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