Bei den Deutschen Meisterschaften in Dresden haben elf Athletinnen und Athleten erstmals einen nationalen Einzeltitel in der Aktivenklasse gewonnen. Einige gehören schon länger zur nationalen Spitze, andere feierten in diesem Sommer ihren Durchbruch. Wir stellen die neuen Deutschen Meisterinnen und Meister vor, heute Sophia Junk. Die Sprinterin bildet den Abschluss unserer elfteiligen Serie.
Sophia Junk
LG Rhein-Wied
Bestleistungen:
100 Meter: 11,21 sec (2025)
200 Meter: 22,53 sec (2025)
Erfolge:
Olympia-Bronze 2024 (Staffel)
WM-Bronze 2025 (Staffel)
EM-Vierte 2024 (Staffel)
U23-Europameisterin 2019 & 2021 (Staffel)
Silber U23-EM 2021 (200 m)
Fünfte U23-EM 2019 (200 m)
U20-Weltmeisterin 2018 (Staffel)
Fünfte U20-Weltmeisterschaften 2018 (200 m)
U20-Europameisterin 2017 (Staffel)
Deutsche Meisterin 2025 (200 m)
Vier Jahre nacheinander Deutsche Jugendmeisterin, nationale Doppel-Meisterin in der U23. Auf europäischer Ebene in der U20 und U23 Silber über 200 Meter und eine Finalteilnahme bei der U20-WM. Dazu ein Gold-Abo mit der 4x100-Meter-Staffel mit dem Höhepunkt des damaligen U20-Weltrekords (43,27 sec) bei der U20-EM 2017. In den Nachwuchs-Klassen stürmte Sophia Junk von einem großen Erfolg zum nächsten.
„Dabei lief es schon damals nicht immer rund. Ich hatte immer wieder mit Verletzungen zu tun, war zum Saisonhöhepunkt aber doch immer startbereit“, erzählt die 26-Jährige. „Ich habe von meinem Talent profitiert, das es möglich gemacht hat, auch ohne optimale Vorbereitung vorne dabei zu sein.“ Das änderte sich in den Jahren 2022 und 2023 und die Sprinterin reagierte, in dem sie ihr Training und ihren Alltag noch einmal professioneller auf den Sport ausrichtete.
In diesem Jahr zahlte sich das erstmals in der Frauenklasse aus und die Bilanz gleicht denen aus dem Nachwuchsbereich. Bei den Deutschen Meisterschaften in Dresden sicherte sich die Polizeikommissarin über 200 Meter ihren ersten Deutschen Meistertitel. Bei der WM in Tokio (Japan) lief sie ins Halbfinale und mit der Staffel zu Bronze. In den kommenden Jahren möchte die Athletin der LG Rhein-Wied ihr neues Niveau weiter ausbauen.
Unbeschwerter Schnellstart
Der Beginn der Karriere war vor allem eins: unbeschwert. „In meiner Familie gab es keinerlei Bezug zur Leichtathletik“, erzählt Sophia Junk, die in Konz in Rheinland-Pfalz aufgewachsen ist. „Ich bin mit einer Freundin zum Kinderturnen gegangen und später zum Tanzen, alles typisch Mädchen.“ Im Sportunterricht beim Üben für die Bundesjugendspiele rannte die damalige Grundschülerin im 50-Meter-Sprint dann sogar den Jungs davon. „Das hat mein Sportlehrer meinen Eltern erzählt und gesagt, dass Leichtathletik etwas für mich sein könnte. Ein gleichaltriger Nachbar war schon im Verein. Da bin ich mitgegangen und es hat mir gefallen.“ So kam die damals Siebenjährige zum TV Konz und schließlich in die Gruppe von Winfried Weires.
„Ich habe alle Disziplinen gemacht bis hin zum Siebenkampf. Das hat mir auch großen Spaß gemacht. Nur zu den Wurfdisziplinen habe ich nie so richtig Zugang gefunden.“ Der Sprint blieb die beste Disziplin und die junge Athletin wurde schließlich in den Landeskader aufgenommen, wo Martin Schmitz als Trainer zuständig war.
Im Jahr 2014 steigerte die damals 15-Jährige ihre 100-Meter-Bestzeit bis auf 12,17 Sekunden und belegte bei der U16-DM den achten Platz (12,54 sec). Um ihre sportliche Laufbahn weiter zu verfolgen und weil Winfried Weires sie nach einem Unfall nicht mehr trainieren konnte, entschied sich die Zehntklässlerin, ins rund 150 Kilometer entfernte Koblenz ins Sportinternat umzuziehen und dort aufs Gymnasium zu gehen. Bei der LG Rhein-Wied wurde Martin Schmitz auch zu ihrem Heimtrainer.
Kometenhafter Aufstieg in den Jugendklassen
Das war der Anfang eines kometenhaften Aufstiegs in den Jugendklassen. In ihren beiden U18-Jahren räumte Sophia Junk bei der Jugend-DM jeweils den Titel über 200 Meter ab und holte Silber über 100 Meter. Im ersten U20-Jahr 2017 kamen genauso große Erfolge auf internationaler Ebene dazu. Bei der U20-EM in Grosseto (Italien) sprintete die Aufsteigerin in 23,45 Sekunden zu Silber und mit der DLV-Staffel über 4x100 Meter zu Gold und U20-Weltrekord (43,27 sec).
„Ich bin da immer mehr reingerutscht. Zuerst war ich bei Kreis- und Bezirksmeisterschaften, dann ging es von Landesmeisterschaften zu Deutschen Meisterschaften bis ins Nationaltrikot. Aus einem Ziel hat sich das nächste ergeben“, erzählt die heutige Leistungssportlerin. „Vor der U20-EM hatte ich keine Ahnung, was meine Zeiten wert sein könnten. Ich habe mich nicht damit beschäftigt, wo ich in der Meldeliste stehe. Am Ende bin ich mit Silber nach Hause gefahren. Auch der U20-Weltrekord ist einfach passiert.“
Bei ihrem anschließenden Sieg bei der Jugend-DM stand mit 23,35 Sekunden dann noch einmal Bestzeit zu Buche, die gleichzeitig Rang neun in der DLV-Jahresbestenliste in der Frauenklasse bedeutete. Es reifte das Ziel, einmal bei Olympischen Spielen dabei sein zu wollen.
Erfolge bleiben, Bestzeit fällt erst nach vier Jahren wieder
Mit weiteren nationalen Titeln, internationalen Medaillen und Finalplatzierungen über 200 Meter sowie Staffel-Goldmedaillen gingen die folgenden Jahre erfolgreich weiter: Platz fünf bei der U20-WM in Tampere (Finnland) über 200 Meter (23,55 sec) und Gold mit der Staffel (43,82 sec) im Jahr 2018 sowie wieder Platz fünf bei der U23-EM in Gävle (Schweden) über 200 Meter (23,53 sec) und ebenfalls das nächste Staffel-Gold (43,28 sec) im Jahr 2019.
„Meiner Bestzeit bin ich aber hinterhergelaufen“, erinnert sich Sophia Junk. „Das lag daran, dass ich immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen worden bin. Dass ich eine eher verletzungsanfällige Athletin bin, ist nicht so aufgefallen, weil ich bei den Meisterschaften dann doch immer auf der Bahn stand.“
Erst im Jahr 2021 folgte der nächste Leistungsschritt über 200 Meter, gekrönt von den ersten Zeiten unter 23 Sekunden bei der U23-EM in Tallinn (Estland), die mit Silber (22,87 sec) belohnt wurde. Dazu kam auch bei dieser Meisterschaft das nächste Staffel-Gold (43,05 sec).
Beruflicher Weg bei der Landespolizei
Neben dem Sport absolvierte die Sprinterin zu diesem Zeitpunkt ihr Studium bei der Landespolizei Rheinland-Pfalz. „Nach meinem Abitur hatte ich eine Laufbahnberatung, wo mir auch diese Möglichkeit vorgestellt wurde. Um meine Karriere im Sport weiter verfolgen zu können, war für mich klar, dass dies nur in einem Fördersystem möglich sein würde.“ Nach einem Gespräch mit dem ehemaligen Zehnkämpfer und Vereinskollegen Kai Kazmirek, der ebenfalls diesen beruflichen Weg eingeschlagen hatte, entschied sich auch Sophia Junk für die Landespolizei. „Auch unabhängig vom Sport wäre das ein Beruf für mich gewesen“, so Sophia Junk. Mittlerweile ist das Studium abgeschlossen, die Polizeikommissarin ist für den Sport freigestellt und absolviert einmal pro Jahr eine Hospitation, um weiter Einblick und Bezug zu ihrem Beruf zu behalten.
Im Jahr 2022 war es vor allem eine Corona-Infektion, von der die 26-Jährige ausgebremst wurde. Im Herbst folgten ein unglücklicher Sturz außerhalb des Sports, eine Schulterverletzung inklusive OP und eine langwieriger Heilungsphase. Trotz verkürzter Vorbereitung, wie schon mehrfach gelungen, stand Sophia Junk im Sommer 2023 aber doch wieder am 100-Meter-Start im Vorlauf bei den Deutschen Meisterschaften. Diesmal lief es aber anders als in Nachwuchszeiten. Statt dennoch vorne mitzumischen, zog sich die Athletin eine Muskelverletzung zu.
Nach Reihe von Rückschlägen führt Weg zu David Corell
„Das war der Punkt, der mich zum Umdenken gebracht hat. Das Fass in Sachen Rückschläge war voll. Eine innere Stimme hat mir gesagt, dass eine Veränderung nötig ist. Nach meinem Schnellstart in die Karriere hat sich in den Jahren zuvor letztlich noch alles zusammengefügt. Aber mit dem Anschluss an die Weltklasse bei den Frauen würde es so nicht klappen.“
In der Trainingsgruppe von David Corell in Frankfurt, wo Sophia Junk inzwischen auch wohnt, wagte sie einen sportlichen Neustart. Alles wurde noch einmal auf den Prüfstand gestellt. „Der Wechsel war der Schlüssel zu dem Level, auf dem ich jetzt angekommen bin.“ Ein wichtiger Faktor war, dass Lisa Mayer oder Kevin Kranz (Sprintteam Wetzlar) täglich im Training die gleichen Ziele verfolgten. „Vor allem Lisa und ich haben sehr voneinander profitiert.“ Stück für Stück kam die Belastbarkeit zurück, 2024 im Wettkampf noch beschränkt auf die 100 Meter. Die Steigerung der Bestzeit auf 11,26 Sekunden reichte, um sich mit der Staffel den Traum von Olympia zu erfüllen.
Wie nah Freude und Leid beieinander liegen können, zeigte sich dann in Paris (Frankreich). Nach ihrem erfolgreichen Einsatz im Vorlauf verzichtete Sophia Junk wegen einer Verletzung auf das Finale, in dem die DLV-Staffel Bronze holte. Sie wurde aber dennoch inklusive Siegerehrung mit der Medaille ausgezeichnet. „Dieser Verzicht war eine Entscheidung, die mich nachhaltig geprägt hat und mit vielen Tränen verbunden war.“ Gut verarbeiten konnte die Sprinterin diese Erfahrung auch deshalb, weil sie über die Jahre die Bedeutung der mentalen Seite des Sports erkannt hat und regelmäßig mit professioneller Unterstützung auch daran arbeitet.
EM-Finale im Visier, Olympia 2028 im Hinterkopf
In diesem Jahr ist Sophia Junk endlich vollkommen in der Frauenklasse angekommen. Die Belastbarkeit ließ eine komplette Hallen- und Freiluftsaison zu, inklusive 200 Metern. „Die waren immer Bestandteil des Trainings. Nach den vielen Rückschlägen in diesem Sommer dann auch im Wettkampf wieder über diese Strecke anzutreten, war eine mentale Herausforderung.“
Mit der erfüllten direkten WM-Norm beim dritten Platz bei der Team-EM mit Bestzeit (22,53 sec), dem ersten DM-Titel in der Frauenklasse in Dresden (22,82 sec) und in der Endabrechnung Rang 13 bei der WM in Tokio als drittbeste Europäerin (22,71 sec) ist aus dem unbeschwerten Talent aus Nachwuchszeiten eine internationale Spitzenathletin geworden, die mit der Staffel diesmal auch persönlich im WM-Finale auf der Bahn stand und Bronze (41,87 sec) feierte.
Auf das erfolgreiche Jahr möchte die Deutsche Meisterin aufbauen, schon in der Hallensaison. „Ob diese nach den Deutschen Meisterschaften noch bis zur Hallen-WM weiter gehen soll, steht noch nicht fest.“ Im Sommer möchte Sophia Junk ihren nationalen Titel erfolgreich verteidigen. Die Norm (22,85 sec) für die EM in Birmingham (Großbritannien; 10. bis 16. August) ist schon abgehakt. „Dort möchte ich über 200 Meter im Finale um die Medaillen mitlaufen. Mit der Staffel muss unser klares Ziel der Europameistertitel sein.“ Bei den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles (USA) ist es dann ein Einzelstart, der in der sportlichen Laufbahn bisher noch fehlt und dort in die Tat umgesetzt werden soll.
Video: Sophia Junk: Auf Silber folgt Gold
Video-Interview: Sophia Junk: "Fahre mit zwei wundervollen Medaillen nach Hause"
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Sophia ist im Jugendbereich schon sehr erfolgreich gewesen – national wie auch international. Sie hat ihr Talent gezeigt. Danach konnte sie daran nicht ganz anknüpfen. Deshalb war es ein logischer Schritt, einen sportlichen Neuanfang zu versuchen. Bei David Corell war das gemeinsame Training mit Lisa Mayer sehr gewinnbringend.
Sophia bringt alles mit, was eine Topsprinterin braucht. Sie ist ehrgeizig und gleichzeitig bodenständig. Sie weiß, was sie kann und was sie will. Sie hat sich in den Dienst der Mannschaft gestellt. Ihr Verzicht auf das olympische Finale in Paris war alles andere als selbstverständlich. Ihre Entwicklung über 200 Meter spiegelt genauso wider, dass sie richtige Entscheidungen getroffen hat.